37. Kapitel

201 5 2
                                    




Ich stand stocksteif im Wohnzimmer. Meine Augen fühlten sich an, als würden sie wie in einem Comic immer größer werden, während ich fassungslos auf die Wohnungstür und den darinstehenden David starrte. Ich drehte meinen Kopf ein wenig und sah nun Gideon völlig verwirrt an. Sein Gesichtsausdruck spiegelte genau die Emotionen wieder, die ich in meinem vermutete. Am liebsten hätte ich mich in die Wange gekniffen oder von irgendjemandem schlagen lassen, nur um sichergehen zu können, dass das hier tatsächlich gerade passierte. Dass David, den ich seit knapp fünf Monaten aus meinem Kopf verbannen wollte, gerade in meiner Wohnungstür stand und auch noch Gideon ihm die Türe geöffnet hatte.

„Ich will nicht unhöflich sein, aber wenn jemand so eine lange Reise hinter sich hat, lädt man die Person für gewöhnlich nach drinnen ein", durchbrach David das unangenehme Schweigen. Es hatte sich angefühlt, als habe seit Stunden keiner ein Wort gesagt oder es auch nur gewagt zu atmen. Ich sah Gideon fragend an. Am liebsten hätte ich ihn gebeten die Tür vor Davids Nase zuzuschlagen, doch gleichzeitig interessierte mich auch, weshalb er hergekommen war.

„Bitte", sagte ich kühl und lud ihn mit einer Handgeste in die Wohnung ein. Etwas widerwillig verlies Gideon seinen Posten in der Wohnungstür und ließ ihn passieren. „Was verschafft mir die Ehre?", fragte ich ihn noch immer kühl und distanziert. Ich hatte die Hoffnung, so wenigstens die schlimmsten Emotionen zurückhalten zu können. Mir war nach Weinen zumute. Am liebsten hätte ich mich an Gideon geklammert und hinter ihm versteckt. Zu meinem Erstaunen waren die Emotionen, die ich verspürte, alles, nur kein Liebeskummer. Hass und Wut kamen in mir auf. Da David mir nicht antwortete, fragte ich erneut, diesmal noch schroffer als das Mal zuvor. „Was verschafft mir die Ehre? Das letzte Mal, dass ich mich bei dir gemeldet habe, hast du einfach aufgelegt. Ausgerechnet dann, als ich deine Unterstützung wirklich dringend gebraucht hätte." Ich machte eine Pause, in der Hoffnung so die in mir aufsteigenden Tränen der Wut unterdrücken zu können. „Und jetzt stehst du hier in meiner Tür, als wäre nie etwas gewesen." David sah mich unschuldig an.

Gideon, welcher schon wieder regungslos in meinem Wohnungsflur stand, ging langsam zu mir in Richtung Wohnzimmer. David tat es ihm gleich. Erschöpft von dem anstrengenden Tag ließ ich mich auf das Sofa fallen. Gideon deutete ich an, dasselbe zu tun. Auf eine komische Art fühlte es sich falsch an, vor David nach Gideons Hand zu greifen. Dennoch brauchte ich gerade das, um mich wenigstens ein bisschen sicherer und geborgener fühlen zu können. „Setz dich", sagte ich zu David, welcher nun unbeholfen im Wohnzimmer stand. Erst jetzt, bei genauerem Betrachten fiel mir auf, wie sehr er sich verändert hatte. Er sah noch immer gut aus, jedoch hatte er in den letzten Monaten zugenommen und sah weniger trainiert aus als früher. Auch wenn David noch immer gut aussah, bemerkte ich sofort, dass mir Gideons Äußeres, sowie auch Inneres, um Längen besser gefiel. „Wo bleiben eigentlich meine guten Manieren?", fragte ich gekünstelt höflich. Ich klang gerade ungefähr so wie meine Cousine Charlotte. Bei ihr konnte ich den Ton nie ausstehen, doch irgendwie gefiel er mir aus meinem Mund. „Gideon David, David Gideon", stellte ich die beiden vor. Gideon nickte David genervt zu.

„Als ob ich das Gesicht vergessen würde", kommentierte David daraufhin.

„Was meinst du mit vergessen?", fragten Gideon und ich wie aus einem Mund.

„Er ist es, der unsere Beziehung zerstört hat", sagte David ernst. „Auf Sams Party. Du hattest gerade meine Liebslingshose in Bier getränkt und dich zurück in Richtung der Bar begeben, als er die Wohnung betreten hat. Ein paar Stunden später haben euch alle zusammen gesehen."

Ich spürte nur, wie ich hochrot wurde. Doch bevor ich antworten konnte, meldete sich Gideon schon zu Wort. „Wie schön, dass sich einer wenigstens an den Abend erinnern kann", sagte er und klang fast etwas belustigt. Wie er in diesem Moment noch humorvoll reagieren konnte, war mir absolut schleierhaft.

Life hates herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt