30. Kapitel

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Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seitdem Gideon meine Wohnung verlassen hatte. Meine Tränen hatten irgendwann nachgelassen. Weshalb ich genau geweint hatte wusste ich auch nicht. Ich war noch immer in Schock darüber, dass ich gerade den potenziellen Vater meines Kindes gefunden hatte. Mir war bewusst, dass niemand einem sofort Freudenstrahlend um den Hals fallen würde, wenn er erführe, dass er ungeplant Vater werden würde. Doch ein bisschen mehr Reaktion als Gideons ‚ich glaube ich brauche etwas Zeit zum Nachdenken', hatte ich schon erwartet.

Trotzdem war ich einfach unglaublich froh darüber, dass ich den Besitzer des Gürtels gefunden hatte. Nur hätte ich es demjenigen gerne schonender beigebracht. Ich war einfach zu blöd gewesen, von allein darauf zu komme, dass es Gideons Gürtel war. Er hatte ihn doch sogar mehrfach erwähnt.

Ich stand von meinem Bett auf und ging in das Wohnzimmer. Noch immer standen die beiden Teetassen und die Schüssel mit Keksen auf meinem Tisch. Ich packte die Dinge zusammen und brachte sie in die Küche, um die Tassen in die Spülmaschine zu stellen. Einen der Kekse steckte ich mir in den Mund, vom Schock und Weinen war ich wieder hungrig geworden, und stellte den Rest zurück in den Schrank.

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war mittlerweile zwei Uhr nachts. Es war ein langer und ereignisreicher Tag gewesen und ich war erschöpft. Doch an Schlaf konnte ich nicht denken. Am liebsten hätte ich Leslie angerufen und ihr von den Ereignissen der letzten Stunden zu berichten. Doch diese Sache sollte ich erst mit Gideon klären, bevor auch nur irgendein anderer Mensch davon erfuhr.

Aus dem Tiefkühlschrank nahm ich mir eine halbvolle Packung Schokoladeneis. Bewaffnet mit dem Eis und einem Löffel entschied ich mich im Wohnzimmer einen Film zu gucken. Vielleicht würde mich einer meiner Lieblingsfilme in eine bessere, oder zumindest andere, Stimmung bringen.

Wieder im Wohnzimmer angekommen schaltete ich also den Fernseher ein, legte eine DVD ins Laufwerk und setzte mich auf das Sofa. Gerade, als ich anfangen wollte das Eis zu essen, sah ich, dass auf meiner und Gideons Dachterrasse Licht brannte. Neugierig stellte ich das Eis auf dem Couchtisch ab und stand auf. Als ich die Terrassentür erreichte, konnte ich Gideon auf einem Stuhl auf seiner Seite des Balkons sehen. In der Hand hielt er, zumindest sah es auf die Entfernung stark danach aus, eine halbleere Whiskeyflasche. Gerne hätte ich mich zu ihm gesetzt, um über das Geschehene zu sprechen. Ich wollte wissen, wie es ihm ging und wie er mit dem Gedanken umging, dass er Vater werden könnte. Doch die Whiskeyflasche, aus welcher Gideon gerade einen großen Schluck nahm, verriet vermutlich alles, was ich wissen wollte. Ich entschied mich also, ihm seine Zeit zum Denken zu geben. Falls er doch das Interesse hatte mit mir zu sprechen, hatte ich die Terrassentür geöffnet. Ich war mir nicht sicher, ob Gideon mich gesehen hatte.

Ich setzte mich also zurück aufs Sofa, aß mein Eis und schaute den Film zu Ende.

Irgendwann, gefühlte Stunden später, hatte ich es geschafft einzuschlafen. Ich schlief nicht gut, doch das was ich träumte war noch schlimmer. Ich saß auf meinem Bett und streichelte meinen Babybauch. Wie ein kleiner Engel und Teufel aus Zeichentrickfilmen, saßen Gideon und David auf meinen Schultern. Doch anstelle mir Rat zu geben, redeten beide schlecht auf mich ein. Ich würde eine schreckliche Mutter abgeben und für immer allein bleiben. Gerade, als der Traum-Gideon mir sagte, dass ich niemals wieder jemanden so perfektes wie ihn finden würde, klingelte mein Wecker und erlöste mich endlich von dieser Qual.

Ich war todmüde. Vielleicht vier Stunden Schlaf waren unter normalen Umständen schon nicht viel, doch verweint und mit schlechten Träumen waren sie gefühlt noch weniger. Ich drückte die Snoozetaste des Weckers und drehte mich noch einmal um. Die extra fünf Minuten hatte ich mir heute definitiv verdient. Mit geschlossenen Augen spürte ich etwas weniger der Müdigkeit. Am liebsten hätte ich mich auf der Arbeit krankgemeldet. So hätte ich den Tag im Bett verbringen können, abends vielleicht doch noch Leslie von den Geschehnissen berichtet und wenigstens jede Menge Schokoladeneis essen können. Doch da ich nicht wirklich krank war und für eine Krankmeldung hätte zum Arzt gehen müssen, musste ich wohl oder übel mein warmes Bett verlassen.

Life hates herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt