2. Kapitel

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„So, das war der Letzte", murmelte ich leise und drückte die zusammengepressten Klamotten noch ein wenig fester in den Koffer, damit ich den Deckel schließen konnte. Es kostete mich einiges an Kraft, bis der Koffer endlich geschlossen und zusammen mit meinem Restgepäck abfahrtbereit war. Da das meiste Zeug von dem Auszug bei David noch eingepackt gewesen war, war nicht allzu viel Zeit zum Packen nötig gewesen, doch das mulmige Gefühl, das stetig in meinem Bauch wuchs wie ein aufgehender Hefekloß, wollte mich einfach nicht in Ruhe lassen.
Ich wusste, dass es richtig war, nach London zurückzuziehen. Ich wusste es. Aber mein böser Magen wollte einfach nicht aufhören zu grummeln. Es war fast, als ob er mich vor etwas warnen wollte, aber natürlich war das Schwachsinn. Ich würde nach London fliegen und mir dort ein Leben ohne David aufbauen. Ich würde wieder glücklich werden.
Ich drehte mich zu Leah um, die im Türrahmen stand und mich still betrachtete. Ihr Gesicht war ausdruckslos, aber ich wusste, dass sie nur versuchte die Tränen zurückzuhalten. Es war einfach noch zu früh, um hemmungslos in Tränen auszubrechen, nachdem ich es endlich geschafft hatte, zumindest meine eigenen, endlosen Tränentiraden zu stoppen. Die letzte Träne war versiegt und ich bereute bereits jetzt jede Einzelne, die ich an David verschwendet hatte.
„Hilfst du mir, die Koffer rauszutragen?", fragte ich Leah und versuchte ihr aufmunternd zuzulächeln. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein geistesgestörtes Kaninchen.
„Natürlich", antwortete sie mit einem gequälten Lächeln und nahm ein paar der Taschen und Koffer, die wir dann keuchend vor die Türe schleppten. Es dauerte auch gar nicht lang, bis ein freies Taxi vor uns hielt und der Fahrer mein Gepäck in den Kofferraum hievte. Er sah aus, als wäre es eine Leichtigkeit für ihn diese Massen da reinzustopfen, aber das angestrengte Schnaufen, mit dem er sich wieder auf den Sitz plumpsen ließ, verriet ihn.
„Also dann", sagte Leah gedehnt und sah mich mit zusammengekniffenen Lippen an. „Es war wirklich schön mit dir. Und ruf' ganz oft an, in Ordnung?"
„Ach Leah!" Ich fiel ihr um den Hals, drückte sie so fest es ging an mich, und spürte ein kleines Beben, als sie begann leise in meine Schulter zu schluchzen. Mit einer vorsichtigen Bewegung schob ich sie ein Stück von mir, um ihr in die glänzenden Augen zu sehen. Sie sah aus, als wäre eben jemand gestorben, so unglaublich unglücklich glotzte sie mich an.
„Du musst doch nicht weinen", meinte ich leise und wischte vorsichtig die Tränen von ihren Wangen, aber sie weinte erbarmungslos weiter. „Du kannst mich so oft besuchen, wie du möchtest, hörst du? Und dann stopfen wir uns mit Pizza und Eiskrem voll und werden fett, damit uns keiner mehr haben will!"
Leah entfuhr ein Laut, der halb ein Schluchzen und halb ein Lachen war, und sah mich schniefend, aber immerhin grinsend an.
„Einverstanden", gab sie mit zitternder Stimme von sich und drückte mich nochmal an sich. „Aber nur, wenn es Schokoladeneiskrem ist."
„Was immer du möchtest. Meinetwegen kannst du auch Gurken mit Nutella haben."
Sie gab ein Grunzen von sich, das wohl ein Lachen war, das aber zwischen all den Tränen irgendwie unterging.
„Danke übrigens", flüsterte ich an ihrem Ohr. „Danke für alles, was du für mich getan hast."
„Du kannst jederzeit anrufen." Diesmal war sie es, die mich ein Stück wegdrückte. „Aber du solltest jetzt wirklich los. London wartet", sagte sie grinsend und wischte sich die letzten Tränen von den Wangen.
Ja. London wartet.
Ich grinste zurück, drückte ihr einen letzten Abschiedskuss auf die Wange und öffnete schließlich die Tür des Taxis, in dem der Fahrer geduldig auf mich wartete. Er hatte eine alte Zeitschrift vor sich und blätterte gelangweilt darin herum.
„Zum Flughafen, bitte", sagte ich zu ihm und schlug seufzend die Autotür zu.
Er nickte, legte die Zeitschrift beiseite und zögerte nicht lange, eher er vom Straßenrand abfuhr und sich zwischen den anderen Autos durch den Verkehr schlängelte. Ich traute mich nicht, einen Blick zurück zu werfen.
Bis dann, Leah.
Erneut löste sich ein kleines Seufzen meinen Lippen, als ich aus dem Fenster sah, die vorbeiziehenden Häuser und Leute beobachtete, und überlegte, was ich schon alles erledigt hatte.
Gestern hatte ich bereits das Gröbste abgeklärt. Nach einem stundenlangen Telefonat mit Leslie hatten wir uns irgendwann endlich geeinigt, dass ich sie nach meiner Ankunft anrufen sollte, damit sie und ihr Freund mich abholen konnten. Sie war vollkommen aus dem Häuschen, als ich ihr erzählte, dass ich bereits am nächsten Tag wieder in London sein würde. Immerhin hatten wir uns schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen, und der Gedanke, sie nun endlich wieder vollkommen bei mir zu haben, verursachte auch bei mir ein nervöses Kribbeln. Ein Schmunzeln huschte über mein Gesicht und ein kleines, vorfreudiges Ziehen durchzuckte meinen Körper, wurde aber gleich wieder ausgelöscht, als mir auffiel, wie viel ich eigentlich noch zu erledigen hatte.
Was meinen Job anging, würde ich in London noch weitere Informationen bekommen, aber immerhin hatte ich mir die Stelle erst einmal gesichert. Dann war da noch die Sache, dass ich nicht ewig bei meiner besten Freundin -und noch dazu ihrem festen Freund- leben konnte, weshalb ich dringend eine Wohnung suchen musste.
Tja, es war wirklich noch richtig viel zu besorgen und organisieren, aber ich wollte mich erst einmal nicht weiter damit beschäftigen. Momentan war es wichtig, dass ich einfach nur nach London kam und mein Gepäck in Leslies Auto passte.
Der Flughafen war relativ schnell erreicht. Auch hier hievte der arme Fahrer wieder alle Koffer nach draußen, wofür ich ihm auch extra Trinkgeld gab, und verabschiedete sich mit einem freundlichen Lächeln. Danach schleppte ich sie im Schneckentempo in Richtung des Eingangs, durch den bereits viele Leute rein und raus strömten, blieb jedoch stehen, bevor ich über die Schwelle trat.
Ich drehte mich ein letztes Mal um und betrachtete die ganzen Häuser, die Lichter, die Autos. New York war einfach unglaublich und nach all den schönen Jahren hier fiel es mir auch umso schwerer, einfach alles liegen und stehen zu lassen. Würde mich überhaupt irgendjemand vermissen? Kurzerhand hatte ich gestern beschlossen, keinem meiner Freunde von meiner Abreise zu erzählen. Es wäre nur unnötig traurig gewesen.
Sie würden es wahrscheinlich sowieso erst merken, wenn sie spätestens etwas von mir brauchten und ich nicht wie sonst immer da war, um es ihnen zu geben.
Eigentlich hätte ich noch die Möglichkeit, umzukehren. Ich könnte London vergessen und einfach wieder zu Leah zurückrennen, mir hier einen neuen Freund suchen, heiraten, Kinder bekommen und glücklich sterben. Dafür musste man nicht unbedingt nach London. Aber mein Herz wollte es nicht. Ich spürte bei dem Gedanken, einfach hier zu bleiben, sofort einen schmerzhaften Stich, da ich augenblicklich wieder an David denken musste. Dieser Ort würde wohl für immer mit ihm verbunden bleiben. Und genau deshalb konnte ich hier auch nicht von neu beginnen. Weil einfach alles was ich hier sah, wie eiskalte Hände an mir und meiner Vergangenheit rupfte.
„Bis dann, New York", flüsterte ich, drehte mich wieder dem Eingang zu und packte die Griffe meiner Koffer fester. Na dann. Auf in mein neues Leben.


Na ihr lieben,
Ist euch die Veränderung aufgefallen? Dieses Kapitel habe nicht ich, sondern meine Ex-Partnerautorin NeverLand geschrieben. Die Kapitel werden jetzt für einige Zeit immer abwechselnd geschrieben sein.
Ich hoffe, auch ihr Kapitel gefällt euch!
Alles liebe

Life hates herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt