19. Kapitel

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Die nächste Woche verging wie im Fluge. Ich war erleichtert, mit Gideon gesprochen zu haben und froh darüber, dass er mir etwas Zeit geben wollte, damit ich meine Gedanken sammeln konnte. In der ganzen Woche war ich ihm nicht einmal begegnet. Den gemeinsamen Balkon hatte ich nicht betreten, aber auch im Flur war er mir nicht einmal über den Weg gelaufen. Es war ein beruhigendes Gefühl.
Ich verbrachte meine Zeit mit Arbeiten, Einkaufen und hatte mit Caroline ein paar Dekorationen für meine Wohnung besorgt. Es sah mittlerweile immer gemütlicher und wohnlicher aus. Auch heute wollte ich mit Leslie, welche mir einen zweiten Frauenarzt Termin für diesen Tag besorgt hatte, noch ein paar Kleinigkeiten kaufen. Zum Glück hatte mir mein Chef für den Arzttermin den Tag frei gegeben. Woher Leslie schon wieder einen freien Tag für mich auftreiben konnte verstand sie wahrscheinlich selbst nicht.
Ich stand aus meinem eindeutig zu gemütlichen Bett auf und ging ins Bad um zu duschen. Als ich fertig war zog ich mich noch schnell um, schminkte mich und frühstückte. Ich konnte es kaum abwarten, dass Leslie mich in nur wenigen Minuten abholen würde. Jedoch hatte ich auch ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, zur Kontrolluntersuchung zu gehen. Ganz zu Anfang meiner Schwangerschaft war ich vollkommen betrunken gewesen. Ich hatte von dem Baby, falls es denn Davids sein sollte, nichts gewusst. Anderenfalls hätte ich auf Sams Party vor knapp zwei Monaten eindeutig anders gehandelt. Doch wenn ich in dieser Nacht schwanger geworden sein sollte, hatte mein Baby trotzdem bleibende Schäden?
In meinen üblichen, nicht Gideon-bezogenen, Gedanken versunken bemerkte ich kaum, dass Leslie die Wohnung betreten hatte. Denn so wie ich sofort nach meiner Ankunft in London einen Schlüssel zu ihrer Wohnung erhalten hatte, hatte sie auch einen zu meiner.
"Guten Morgen, Süße!", grüßte sie mich und zog mich von der Couch, auf welche ich mich nach dem Frühstück gesetzt hatte, hoch und umarmte mich. "Wie geht's euch beiden?"
"Ganz gut, hoffe ich", antwortete ich leicht besorgt. "Ich hab einfach nur immer noch unvorstellbare Angst, dass mit dem Baby etwas nicht okay sein könnte. Nur weil beim ersten Termin alles okay war, muss das ja noch lange nicht heißen, dass es das noch immer ist, oder?"
"Weshalb sollte denn nicht alles in Ordnung sein", fragte Leslie. Während wir uns gemeinsam auf dem Weg zu ihrem Auto machten antwortete ich ihr.
"Auf der Party, als ich noch in New York war. Was, wenn ich da schon schwanger war?" Leslie antwortete nicht. Wahrscheinlich ging ihr genau der selbe Gedanke durch den Kopf. "Was, wenn mein Kleines bleibende Schäden durch den Alkohol hat und bei der ersten Untersuchung nichts gefunden wurde?" Ich fing dieses Gespräch bestimmt schon zum hundertsten Mal in den letzten Wochen an.
"Es wird schon nichts passiert sein, ganz bestimmt", antwortete mir Leslie ruhig.
Erst, als wir in ihrem Auto angekommen waren, bemerkte ich, dass mir Tränen die Wangen herunterliefen. Als Leslie dies kurz darauf bemerkte hatte sie vor Schreck fast eine Vollbremsung auf der dicht befahrenen Straße gemacht. Kaum war ihr Auto zurück aus der Werkstatt wollte sie anscheinend schon wieder mit ihm dorthin. "Alles okay, süße?", fragte sie mich besorgt.
"Ich weiß nicht", fing ich an. "Ich habe Angst wegen des Babys, bin verwirrt und überfordert wegen Gideon und habe noch mehr Angst, dass David nicht der Vater des Kleinen ist. Wie soll ich denn jemals unseren Mister X finden können?"
"Wir schaffen das schon, keine Sorge! Und jetzt denk an etwas Schöneres. Bestimmt kannst du gleich den Herzschlag des Kleinen hören und dann vergisst du eh alles andere. Ich bin ja so aufgeregt!", den letzten Satz quietschte Leslie fast. Und so hatte sie es geschafft. Ich musste tatsächlich Lächeln.
Eine gefühlte halbe Ewigkeit später bog Leslie ein letztes Mal ab und parkte unter einem Baum. Dank ihres schrecklichen Fahrstils war mir kotzübel. Wir stiegen gemeinsam aus und liefen auf die andere Straßenseite. Dort stieß mir sofort ein riesiges Schild ins Auge. »Praxis für Allgemeinmedizin, Gideon deVilliers«.
"Du hast mir nicht ernsthaft einen Termin bei Gideon gemacht, oder?", fragte ich meine beste Freundin entsetzt. "Er ist nicht mal Frauenarzt. Und ihm begeben möchte ich derzeit so oder so nicht."
"Meine Liebe, wenn du einmal deine Augen öffnen würdest, sähest du auch das Schild von Jeanne Harper, meiner Frauenärztin. Außerdem würdest du auch erkennen, dass du bei deinem ersten Termin schon einmal hier warst. Ich bezweifle mal sehr stark, dass wir Gideon im Flur begegnen werden." Wie konnte ich nur schon wieder so unaufmerksam sein?
Mit klopfendem Herzen folgte ich Leslie in den zweiten Stock des Gebäudes. Wie mir ein Blick verriet, lag Gideons Praxis genau auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Na Hallelujah!
"Gwendolyn Shepherd, wir haben einen Termin um elf Uhr", stellte Leslie uns vor, während ich meine Krankenkassenkarte an die Sprechstundenhilfe weitergab.
"Nehmen sie dann bitte noch einen kurzen Augenblick im Wartezimmer Platz", antwortete diese lächelnd und gab mir meine Karte zurück.
"Musst du mich eigentlich immer vorstellen, wenn wir zusammen beim Arzt sind?", fragte ich Leslie.
"Warum nicht? So langsam wie du auf der Treppe warst, dachte ich, du kommst nie an. Und ich wollte nicht erst hier warten, bis Gideon Feierabend hat. Dann treffen wir ihn nämlich ganz bestimmt." Ich musste Lächeln.
Nach einer weile steckte die Sprechstundenhilfe ihren Kopf ins Wartezimmer. "Gwendolyn Shepherd bitte!"
Bei unserem Termin lief alles gut. Das Baby hatte einen guten Herzschlag und war bisher auch sehr gut entwickelt. Auch als ich nach möglichen Folgen wegen des Alkohols fragte, konnte mich Dr Harper beruhigen. "Bisher kann ich keinerlei Schäden feststellen. Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass sich im weiteren Verlauf der Schwangerschaft noch etwas verändert, jedoch bezweifle ich dies stark." Mir viel ein Stein vom Herzen. Glücklich verabschiedeten Leslie und ich uns.
Als Leslie mir die Tür aufhielt, konnte ich mir ein leichtes Lachen nicht unterdrücken. Wir hatten beide vor Freude angefangen zu weinen, als wir den Herzschlag des Kleinen gehört hatten. Bestimmt sah nicht nur sie aus wie ein Panda, sondern auch ich. Wie um meine Theorie zu bestätigen lachte auch Leslie bei meinem Anblick.
Fröhlich verließen wir die Praxis, als auch schon, bevor wir die Treppe erreicht hatten, eine mir nur zu bekannte Stimme ertönte. "Gwendolyn?", fragte diese.

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