Jonas #39

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Man sah sogar noch unter den Haaren, die ihm verstrubbelt in die Stirn fielen, dass er rot geworden war. Ich fand es unglaublich süß und musste dem Drang widerstehen ihn zu umarmen. Stattdessen beobachtete ich ihn, über den Rand der Karte hinweg und versuchte gleichzeitig mir etwas zum Frühstück auszusuchen. Ich hatte fürchterlichen Hunger. Dylan und ich waren gestern Abend so ins Gespräch versunken, dass ich nichts gegessen und er mich noch nach Hause gefahren hatte und ich totmüde ins Bett gefallen war. Die Verabschiedung war merkwürdig gewesen. Er hatte auf die von den Scheinwerfern in gelblich weißes Licht getauchte feuchte Straße durch die von unserem Atem beschlagenen Frontscheibe gesehen, während ich an einem Faden meines Pullovers rumgespielt hatte und nicht genau wusste, was ich sagen sollte. Sein Truck hatte nach Holz und Harz gerochen. Schlussendlich hatte es in einem "Ciao" geendet. Wir hatten uns weder wirklich angesehen noch berührt. Bloß die Worte "Hoffentlich sehen wir uns bald wieder." waren hinter mir aus dem Wagen geweht, als ich schon die Türe zugeschlagen hatte. Ich hätte mir ein schöneres Ende für einen Abend vorstellen können, dessen einziger Makel ein unangenehmes Geständnis gewesen war. "Jonas?" Corbin schreckte mich aus meinen Gedanken und lächelte mich an, als ich endlich wieder bei ihm war. "Hast du dir schon etwas ausgesucht?" Ich fand es taktvoll, dass er nicht die Frage stellte, wo ich gerade mit meinen Kopf gewesen war. Ich nickte bloß knapp. "Wie viel hast du eigentlich geschlafen?", fragte ich und zog eine Augenbraue hoch. Er zuckte mit den Schultern. "Weiß ich nicht. Auf jeden Fall zu wenig." Ich musste lächeln. "So siehst du auch aus." "Tut mir Leid..." "Du musst dich nicht dafür entschuldigen. wirlöich nicht." Ich lächelte und Wäre stieg in meiner Brust auf. Er erwiderte meinen Blick. Ohne die Spur eines Lächelns auf seinen Lippen und mit einem Ernst in den Augen, dass ich mir vollkommen albern vorkam mit dem schrägen Lächeln, das immer noch an meinen Lippen hing. Ich senkte wieder meinen Kopf und diese unbehaglich Situation wurde von der Bedienung unterbrochen, die sich neben den Tisch stellte, uns unsere Tassen unter die Nase schon und den Notizblock, samt Kugelschreiber zückte. "Was hätten die Herren gerne?" Ein neckisches Lächeln spielte um ihre Lippen und mir entging nicht, dass Corbin leicht nervös war als er bestellte. Ob es wohl an der Bedienung lag? Oder an dem, was er bestellte? Nachdem sie wieder mit unserem Bestellungen verschwunden war und an einen anderen Tisch hetzte, langsam füllte sich das Café, betrachtete ich Corbin. Auch wenn er es versuchte zu überspielen, sah man ihm an wie müde er war, über sein Kinn zog sich ein leichter Schatten, seine Unterlippe hatte die Zeichen von unzähligen Malen, wo sie von seinen Zähnen zerkaut worden waren, der Anzahl der Pflaster an seinen Fingern zu urteilen, waren sie total zerschnitten und seine Haare hatten auch schon einmal besser gesessen. Natürlich sah er immer noch umwerfend aus, aber er könnte besser aussehen. Und trotzdem zog er die Blicke von beinahe jedem weiblichen Wesen auf sich, das eintrat, ohne dass er es auch nur bemerkte. Er starrte auf seine noch unangetastete Tasse und war vollkommen gedankenverloren. Der Blick war zum einen so traurig, das ich ihn schütteln und ihm zeigen wollte wie schön das Leben sein konnte und zum anderen verlieh er seinem Gesicht eine solch intensive Schönheit, dass ich sie nicht aus seinen Zügen wischen wollte, weil ich nicht wusste, wann oder ob überhaupt ich sie je wieder sehen würde. Ich hätte so viel dafür gegeben zu wissen, was durch seinen Kopf ging, wenn er so aussah. Och wollte mehr über ihn erfahren, ihn verstehen und ihm so viel näher sein, als ich es war. Er hatte mir über sich erzählt, doch da war immer diese kleine Ahnung in meinem Hinterkopf gewesen, dass er mir etwas verschwieg oder zumindest alles so herunter spielte, dass es harmlos klang und so, als würde es ihm nichts ausmachen. Er zuckte zusammen als ich ihm eine Hand auf den Arm legte und sah mich einen Augenblick an, als müsse er überlegen, wer ich, wer er und wo er war. "Beschäftigt dich etwas?" Meine Stimme klang sanft und ich hatte Angst, dass er mich wieder anfuhr, dass er kein Mitleid wollte. Doch er seufzte bloß, fuhr sich mit einer Hand über die Augen und lächelte leicht. Es überraschte mich, dass ich in seinen Augen wirklich einen Funken Freude erkannte. Ohne es wirklich wahrzunehmen stand ich auf, stützte mich auf den Tisch und beugte mich zu ihm herüber, ohne den Augenkontakt abzubrechen. Ich wollte, dass dieser Funken niemals wieder erlosch und noch besser wäre es, wenn ich für immer der Grund dafür sein könnte. Meine Lippen legten sich auf seine und er schob mich nicht von sich, sah nicht betroffen oder betreten aus und auch nicht beschämt. Wir hatten uns noch nie in der Öffentlichkeit geküsst, mit so vielen Blicken, die ich auf mir spürte und ohne, dass er aussah, als wolle er im Boden versinken und ganz weit weg wieder auftauchen, ohne mich. Seine Hand glitt zu meinem Nacken und ich spürte die Tränen meine Kehle aufsteigen. Wie konnte so ein Idiot mich nur so glücklich machen? Es war der erste Kuss, während dem wir die ganze Zeit Augenkontakt hielten. Ich löste langsam meine Lippen von seinen, immer noch in seine fantastischen blauen Augen sehend. Ich wurde aus der ganzen Szene gerissen, als jemand anfing zu klatschen. Und plötzlich war das ganze Café von Applaus erfüllt. Corbin lief wieder rot an und ich spürte die Blicke aller Leute auf uns. Ich ließ mich meinen Platz fallen und grinste. Und schon ging wieder das Geplapper los, als sei gar nichts passiert. Die Bedienung stellte die Teller vor uns hin, zwinkerte mir zu, formte mit den Lippen "Ihr seid süß" und verschwand wieder. Ich wollte diesen Moment nie wieder enden lassen und noch ganz viele andere erleben. Und zwar bloß mit einer einzigen Person an meiner Seite.

Oh, my life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt