Corbin #7

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Ich zitterte am ganzen Körper. Ich wollte eine rauchen. Den Rauch in meiner Lunge spüren. Mich mit dem Rauch frei fühlen. Den Stress rausatmen und mich ein wenig entspannen. Aber ich wusste, dass ich das nicht durfte. Zu meinen Neujahrsvorsätzen gehörte mit dem Rauchen aufhören und das schon seit dem Jahr in dem ich angefangen hatte. Und dieses Jahr, würde das Jahr sein, in dem ich diesen Vorsatz in die Tat umsetzen würde. Gestern hatte ich schon in einem Anflug von Euphorie meine Letzte geraucht und die angebrochene Packung in den Mülleimer geworfen. Jetzt bereute ich es. Aber ich würde es später mehr bereuen, hätte ich eine geraucht. Ich musste dran bleiben, egal wie tief meine Motivation sank. Die ganzen neunzig Minuten neben ihm hatten mir echt den Rest gegeben, nach der Nacht, in der ich erst so spät ins Bett gekommen war, dann auch noch so lange gebraucht habe, um überhaupt einzuschlafen und dann auch noch so unruhig geschlafen hatte. Ich würde mich wahrscheinlich sogar jetzt besser fühlen, wenn ich gar nicht geschlafen hätte. Mein Kopf füllte sich mit der Musik, die aus meinen Kopfhörern herieinschalte. Ich hatte "3Oh!3" eingestellt. Ich konnte gerade wirklich keine anspruchsvollen Texte gebrauchen. Und da waren sie perfekt. Party, Sex und Drogen.

Ich sah wie der Junge, der mir diese ganze Scheiße eingebrockt hatte, über den Schulhof auf mich zu kam. Sein Name konnte doch verdammt nochmal nicht so schwer sein. Also wieso fiel er mir nicht ein? Er krustelte nach irgendetwas in seinem Rucksack herum. Er kam auf mich zu. Kein Zweifel. Schnell senkte ich meinen Kopf und tat so als habe ich ihn nicht gesehen. Was wollte er jetzt schon wieder?

Ich hatte Chris und den anderen Deppen, die sich für meine Freunde hielten (Genau. Freunde, die sich vor meiner Nase verabreden, während ich daneben stehe und lächele.)  gesagt, dass ich meine Ruhe brauchte. Er hatte bloß seine Augenbraue hochgezogen, mit den Schultern gezuckt und einen Fade Away geworfen. Zwar hatte er verfehlt, aber es hatte cool gewirkt. Ich wollte das mit dem Jungen schnell hinter mich bringen. Das Problem war nur, dass er nicht kam. Ich hob meinen Kopf. Wahrscheinlich hatte ich mir bloß etwas darauf ei gebildet. Wahrscheinlich war das gestern gar nicht ernst gemeint gewesen und er hatte sich einen Spaß daraus gemacht, mich das zu fragen. Wegen einer Mutprobe oder einer Wette. Wieso machte ich mir eigentlich so einen Kopf? Wahrscheinlich war alles gar nicht ernst gemeint gewesen und ich ließ mich hier total aus der Bahn hauen und zerbrach mir meinen Kopf darüber. Und weshalb das alles? Wegen eines Jungen, dessen Namen mir nicht einfiel und der sowieso bloß seinen Spaß daran fand, Leute zu verarschen. Und ich ließ mich auch noch verarschen. Hatte ich aus den paar Jahren nichts gelernt, wo noch niemand meinen richtigen Namen gekannt hatte, sondern bloß die Spitznamen, die mir alle gaben? Menschen waren allesamt grausame Sadisten, die liebten nach dem Prinzip "Fressen oder gefressen werden." zu spielten. Alle auf die Schwächsten. Ich würde nie wieder zu den Schwächsten gehören. Nie wieder. Das war ich schon zu lange gewesen.

Aber er hatte sich nicht bloß auf die freie Bank neben mir gesetzt, wie ich es erwartet hatte. Ich sah ihn gar nicht mehr. Vielleicht hatte er mich ja doch ansprechen wollen, hatte es sich aber nicht getraut? Ich scannte alle Leute auf dem Schulhof. Ich sah ihn nirgends. Mein Blick blieb an Chris hängen, der etwas hochielt, das aussah wie der Pacman Rucksack von ihm. Ich stand auf und verstaute meine Kopfhörer in meiner Hosentasche. "Hast du schon mal das Wort Respekt gehört? Man läuft nicht in jemand rein und entschuldigt sich nicht. Außerdem geht man nicht einfach auf jemand wie Corbin zu und spricht ihn an. Das geht nicht. Verstehst du das du Zwerg?", hörte ich Chris sagen. Sein Ton klang wütend.Es war wirklich der Rucksack von dem Jungen mit den gesprungenen Augen. Und er stand in der Mitte und sah ihn an. Er sah aus, wie jemand, der nach einem langen Kampf eingesehen hatte, dass es aussichtslos war. Ich drängte mich mithilfe meiner Ellenbogen durch die Menge, die sich um Chris, seine Basketball-Kumpel und ihn gebildet hatte. Chris sprach weiter, aber ich hörte nicht mehr zu. Ich ging zwischen Ian und Aiden durch und stellte mich vor den Jungen. "Chris!" Ich hörte selbst, wie wütend ich klang. "Lass die scheiße! Er hat keinen Fehler gemacht! Er kann mich jeder Zeit ansprechen. Und gegen jemand zu laufen ist kein Grund dazu, jemand fertig zu machen!"

Chris blitzte mich wütend an. "Was mischst du dich ein? Halt dich aus den Angelegenheiten von anderen raus! Das hier ist eine Sache zwischen mir und dem Zwerg!"

"Nenne ihn verdammt nochmal nicht 'Zwerg'!!" Meine Stimme zitterte. Ich wusste, dass meine Wut nicht ausschließlich daher kam, dass er Leute, die anscheinend gegen ihn gerannt waren, dumm anmachte. Zum größten Teil, war es eine Auseinandersetzung, bei der schon lange klar war, dass sie irgendwann ausbrechen würde. Ich hatte mich bloß zurückgehalten, weil ich keinen Bock hatte mich mit Chris anzulegen und auch noch das Risiko einzugehen, am Ende alleine dazustehen. Sie würden sich alle für ihn entscheiden, wenn man sie vor  die Wahl stellen würde. Seine Stimme wurde ruhig. Aber wer ihn kannte, wusste, dass es bloß die Ruhe vor dem Sturm war. "Was genau ist dein Problem? Wieso mischst du dich hier überhaupt ein und gehst nicht nach Hause, um dir dein nicht vorhandenes Hirn wegzusaufen?" Er senkte seine Stimme weiter. So dass bloß ich hörte was er sagte. "Corbin. Leg dich nicht mit mir an. Die Folgen willst du nicht ertragen müssen."

Ich machte einen Schritt auf ihn zu und sah ihn direkt in die Augen, wir waren gleich groß. Doch bevor ich irgendetwas sagen konnte ging er an mir vorbei, sagte "Klären wir das in einem Spiel. Heute Nachmittag." und scheuerte dafür ihm so stark eine, dass er auf den Boden fiel. "Lass dir das eine Lehre sein.", sagte er überheblich und warf ihm seinen Rucksack auf den Schoß.

Ich blieb stehen wo ich war und er spielte an einem der Gurte von seinem Rucksack, als die Schulglocke läutete und die Menge sich auflöste und den Schulhof wie leergefegt zurückließ. Ich drehte mich um und kniete mich vor ihm hin.

Was hatte ich mir hier nur eingebrockt?

Oh, my life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt