Dieser Bill war niemand anderes als der Typ mit den schwarzen Haaren in den ich gestern reingelaufen bin. Doch sein Gesichtsausdruck war nich wie meiner, er grinste als ob sich gleich die Queen hier hin setzten würde. Genervt verdrehte ich die Augen.
"Tony, würdest du dich dann bitte hinsetzen.", forderte der Lehrer mich auf.
So ließ ich mich neben Bill auf den freien Platz fallen. Moment, was ist das überhaupt für eine Schule, wo sich die Neuen Schüler nicht vorstellen sollen. Ok, ich habe das eh nie gerne gemacht, aber vorallem auf dieser Schule war mir das wichtig. Ich meine-Hallo-alle denken, ich sei ein Junge, nur wegen meinem Namen. Aus meinem Rucksack holte ich meinen Block und einen Kuli. Als ich wieder den Blick zur Tafel richtete, fiel mir fast die Kinnlade runter. Was ist das denn?
"Tony, würdest du bitte die Aufgabe lösen?" Der Lehrer schaute direkt mich an.
Sein Ernst, so weit waren wir in Mathe noch nicht mal. Entgeistern sah ich ihn an und er sah mich erwartungsvoll an. Verzweifelt schaute ich mich im Raum um. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Toller erster Tag! Plötzlich schob Bill mir unauffällig ein Zettel rüber. Schnell las ich was da stand. "Die Lösung ist: -25,411"
"Die Lösung ist -25,411", gab ich als Antwort.
"Das ist richtig, wieso meldest du dich nicht?"
Und schon hatte der Lehrer sich wieder zur Tafel gedreht. Schüchtern schaute ich zu Bill rüber. Genau in diesem Moment sah er mich ebenfalls an. Ich lächte und formte ein "Danke" mit meinen Lippen. Seine Mundwinkel zuckten kurz nach oben. Für einen kurzen Moment sahen wir uns nur in die Augen. Er hatte wunderschöne braune Augen. Wow, bitte lass diesen Moment niemals enden, bettelte ich in meinem Kopf.
"Bill, wenn du schon so faziniert von Tony bist, kannst du ihr auch die Schule zeigen.", meckerte der Lehrer plötzlich.
Erschrocken drehte ich mich wieder nach vorne. Der Lehrer hob eine Augenbraue. Eingeschüchtert senkte ich den Blick auf den Tisch.
"Klar, kann ich machen." Und ehe ich mich versah packte er mein Handgelenk und zog mich mit sich aus dem Klassenzimmer.
Er schloss die Tür hinter uns. Dann drehte er sich in meine Richtung und sah mich an. Keine Ahnung wie das passiert ist, aber plötzlich hatte ich ein ungutes Gefühl im Bauch. Ich sah ihm in die Augen und erschrack. Bilde ich mir das nur ein oder waren seine Augen wirklich auf einmal dunkelrot. Nein, kein Mensch hat rote Augen. Mein Kopf schrie, ich solle wieder in die Klasse gehen. Doch seine Ausstrahlung hielt mich davon ab.
"Du willst die Schule gar nicht sehen, oder?", durchbrach er die Stille.
Unsicher schüttelte ich den Kopf. Erst jetzt fiel mir auf wie kalt seine Hand war, die immer noch mein Handgelenk umklammerte. Vorischtig entzog ich mich aus seiner. Peinliche Stille, wie ich das hasse. Ich senkte den Blick auf meine Schuhe. Irgendetwas lief hier gerade deutlich schief. Wieso war ich so schüchtern? Das war ich sonst nie, wirklich nie.
"Und was sollen wir jetzt machen?", fragte deshalb.
Wieder sah ich ihm in die Augen. Hä, wie, ich glaube ich spinne! Jetzt sind sie wieder braun, so wie in der Klasse. Sollte ich ihn darauf ansprechen? Vielleicht war das auch einfach nur der Schatten den sein Augen dunkeler aussehen ließ? Ja, das wird es sein. Also huschte mein Blick über seinen Körper. Er war groß, ein ganzen Stück großer als ich. Heute trug er keine Lederjacke sondern ein dunkelrotes T-Shirt, aber immer noch diese dunkele Hose und die schwarzen Schuhe. Ich bin ganz ehrlich, ich liebe seinen Schmuck und diesen schwarzen Handschuh, welcher oben an den Fingern offen ist.
"Wir können einfach warten bis der Unterricht vorbei ist. Ich hasse eh Mathe.", meinte er lachend.
Ich nickte und zusammen setzten wir uns auf die Treppen. Ja, okay, er ist nett und so, aber ich will mir hier keine Freunde machen. Am Ende würde es zu weh tun, wieder weg ziehen zu müssen. Mir gefiel sein MakeUp ziemlich gut, obwohl ich noch nie jemanden an einer Schule gesehen habe der so aussah. Was antürlich gut war.
"Tut mir übringens Leid, dass ich dich gestern so angemotz habe.", sagte er irgendwann.
"Ach, ist schon wieder vergessen.", winkte ich ab.
Dann müssen die ja auch irgendwo in meiner nähe wohnen, oder? Muss ich nachher mal schauen...-warte, was!?! Nein, ich will doch nicht wissen wo "irgendein" Junge lebt. Was ist nur los mit mir heute...Andererseits wäre es echt cool wieder Freunde zu haben. Aber ich denke mal das kein Junge (ganz besonders er) nicht mit mir befreundet sein würde. Und-
"Tony?" Die Stimme von Bill ließ mich zusammenschrecken.
Ich habe geträumt. Mist, was wenn er irgendwas wichtiges gesagt hat, oder gefragt.
"Mhm...", gab ich nur von mir und drehte meinen Kopf in seine Richtung.
"Ich habe gefragt, warum du hier her gezogen bist.", wiederholte er schmunzelnt.
Gute Frage, wegen Papas Arbeit. Aber ich wusste, dass das nicht das einzige war, weshalb wir hier her gezogen sind. Selbst ich wusste das nicht. Wies soll ich ihm das denn sage?
"Wegen der Arbeit von meinem Vater."
"Ach so, ich dachte schon. Ich meine keiner zieht freiwillig auf's Dorf."
Wow, kann er Gedanken lesen oder so? Genau das dachte ich die ganze Zeit. Oder merkt man das einfach an meiner Art und Weise? Mach dir doch darüber keine Gedanken, ermahnte ich mich selber.
"Ja, du hast recht. Und du, lebst du schon immer hier?", stellte ich nun die Gegenfrage.
"Nein, mein Bruder und ich leben erst seit vier Jahren hier."
Er hat einen Bruder?
"Du hast einen Bruder?"
"Ja, Tom. Der neben mir saß. Und bitte, bevor du irgendetwas sagst. Wir sind Zwillinge und ich weiß, wir sehen uns kein Stück ähnlich.", antwortete er.
Okay, krass...Ich dachte vielleicht beste Freunde, aber Zwillinge. Na zum Glück sagte er sofort was vermutlich viele Leuten dachten, mich eingeschlossen. Ich weiß wie es ist, wenn einem ständig die gleichen dämlichen Fragen gestellt wurden.
Gerade als ich etwas erwidern wollte, öffnete sich die Tür vom Klassenzimmer und ein Junge kam raus. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete er aus. Er drehte sich um und ich erkannte, dass das wohl Bills Bruder sein müsste. Wirklich, die beiden sehen sich kein bisschen ähnlich.
"Du willst nich wissen, was ich veranstallten musste, um rauszufliegen.", meinte er etwas genervt und streckte sich dann.
"Hättest du ja nicht machen müssen.", entgegnete Bill und stand von der Treppe auf.
"Wenn wir heute nur zwei Stunden haben, will ich doch wissen wer diese Tony ist.", sagte der andere, jetzt mich einem Grinsen auf den Lippen.
Also nett sind sie beide, das muss man ihnen lassen. Mich wundert es nur, dass mich hier kein Mädchen sondern Jungs angesprochen haben. Aber mir kann es egal sein. Ich war froh, dass mich überhaupt jemand ansprach. Obwohl ich damit mein eigenes versprechen gebrochen habe. "Keine Freunde und keine Feinde" Vielleicht bildete ich mir auch einfach viel zu viel drauf ein und die beiden wollten nur nett sein.
"Ich bin Tom, Bills-", fing Tom an doch ich unterbrach ihn grinsend.
"Bills Zwillingsbruder, ich weiß."
Er war sehr überrascht, doch lächelte mich weiterhin an. Es war wirklich ein schönes Gefühl, wieder mit jemanden zu reden, auch wenn es meistens Oberflächliche Sachen waren. Wir redeten bis es klingelte und wir wieder zurück in die Klasse mussten. Danach hatten wir eine "Verabschiedungsstunde in die Sommerferien" mit der Klassenlehrerin meiner neuen Klasse.
Diesmal dürfte ich mich sogar vorstellen und mir konnten Fragen gestellt werden. Ich fand es lustig, jede einzelne Frage zu beantworten, egal wie überflüssig sie war. Am Ende der Stunde bekamen alle ihre Zeugnisse. Außer ich natürlich, ich hatte meins schon bekommen.
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Schwarzer Engel
Mistero / ThrillerTony ist es gewohnt, keine Freunde mehr zu haben. Doch als sie mit ihrem Vater auf's Dorf zieht, ändert sich das schlagartig. Sie lernt die Zwillinge Bill und Tom kennen. Doch die beiden haben ein Geheimnis. Es fällt ihnen schwer sich von Tony fernz...