Ich starrte auf den Brief.
Auf die geschwungenen blauen Linien, welche zusammengefügt meinen Namen ergaben.
Ich öffnete ihn und las:
Sehr geehrte Frau Kremer,
am 01.12 haben Sie mit uns einen Mietvertrag für die Räume/Wohnung in der Kantstraße Nr. 94d in Berlin abgeschlossen. In diesem Vertrag wurde eine Mietzahlung in Höhe von --- EUR vereinbart, die spätestens jeden 03. eines Monats zu entrichten ist. Die letzte Miete, die am 03.04 fällig war, wurde von Ihnen leider nicht gezahlt. Wir fordern Sie daher auf, den Mietrückstand unverzüglich auszugleichen. Sollten Sie weiterhin Ihrer Mietzahlungspflicht nicht nachkommen, fühlen wir uns leider gezwungen, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Schmidt
Mietservice GmbH
„Oh shit", platzte es mir heraus.
„Was ist denn? Irgendwas schlimmes?", fragte Ellery und setzte sich neben mich, um auch auf den Brief schauen zu können.
„Oh Mann!", sagte sie schließlich, als sie die Zeilen ebenso gelesen hatte.
Wiese habe ich das nur vergessen? Ich war sonst immer pünktlich mit der Miete gewesen.
Ich nahm schnell mein Handy, um die Überweisung eben fertig zu machen.
Ich öffnete meine Banking App.
„Warte WAS?", stieß ich hervor.
„Was ist denn Lie?"
Ich erschrak als ich die Zahlen sah.
Ich hatte kaum noch Geld auf meinem Konto.
Wie kann das sein?
Ich hatte vor der Uni mehr als ein halbes Jahr in einem Café gearbeitet, und dort so viel verdient, damit ich während meines Studiums keinen Nebenjob haben müsse.
damals hatte ich extra alles mit der Hilfe meines Vaters durchgerechnet. Wir hatten alles einberechnet. Nebenkosten, Lebensmittel usw.
„Ich- Ich habe kein Geld mehr"
„Warte was?"
„Ich weiß auch nicht, anscheinend hatten wir uns damals verrechnet, mein Dad und ich."
Ich schaute auf meine letzten Abbuchungen. Ja okay, ich hatte in Tokyo etwas mehr ausgegeben als sonst, aber auch nicht wirklich viel mehr.
„Ich schau mal eben was nach", sagte Ellery und ging aus dem Zimmer.
Was mach ich denn jetzt?
Jetzt verlier ich auch noch meine Wohnung.
Ich muss doch irgendwie Geld auftreiben können.
Warum eigentlich?
Warum muss man denn eigentlich dafür bezahlen, leben zu dürfen?
Jetzt mal wirklich, was gibt es da für einen Grund?
Und wie ist es dazu gekommen, dass man sich einfach mal so überlegt hat
...ach ja lasst uns doch mal so Papierscheine drucken, die unterschiedlich viel Wert haben, auch wenn sie sich kaum unterscheiden...
Hä?
Ich meine ja okay, es macht schon Sinn so etwas in der Art zu haben um von sich gegenseitig profitieren zu können, von seinen Mitmenschen,
aber wirklich so?
Auf diese Art und Weise?
Ich ärger mich darüber.
Darüber, dass ich jetzt darüber nachdenken muss, ob ich auf die Schnelle irgendwo einen Job finde, um verdammt nochmal irgendwo wohnen zu können.
Irgendwo leben zu können.
Ich habe schon oft darüber nachgedacht, und darüber nachgedacht, in was für einem System, in was für einer Welt wir eigentlich leben.
Wär Ellery nicht in diesem Moment zur Tür hereingekommen, wäre ich womöglich noch mehr, und vor allem tiefer, in dieses Gedanken versunken.
„Lieeee!", rief Ellery beim Eintreten. Sie trat etwas zu schnell über die Türschwelle, sodass der alte Laminatboden unter ihren Füßen knarzte.
„Was ist? Hast du zufälliger im Lotto gewonnen?", witzelte ich, ein wenig überrascht von mir selbst.
Ich hatte schon lange keine Witze mehr gemacht.
„Nein, aber ..."
„Nun sag schon!!"
„Ich habe noch etwas Geld übrig diesen Monat, und weil ich ja sowieso hier im Moment quasi mit wohne, könnte ich dir etwas leihen. Es reicht zwar nicht für alles aber wenigstens etwas."
„WIRKLICH? DANKE DANKE DANKE!", rief ich und fiel meiner besten Freundin um den Hals.
Es tat zwar immer noch etwas weh, mich so ruckartig zu bewegen, weil ich ja so lange nur so wenig gegessen hatte, und ich mein normales Gewicht auch irgendwie noch nicht erreicht hatte. Aber ehrlichgesagt waren mir diese leichten schmerzen in dem Moment egal.
Auch wenn mich der Gedanke, dass ich so glücklich darüber war Geld bekommen zu haben, um doch noch die Miete zahlen zu können, immer noch etwas störte, war ich in trotzdem froh.
Ich schaute eben auf mein Sparkonto, wo ich eigentlich nie Geld abhob, da es eben zum Sparen war, und rechnete alles durch.
Ellery überwies mir auch schon das Geld, und ich entschloss mich den Rest von meinem Sparkonto zu nehmen. Ich brauchte nämlich gar nicht mehr so viel.
Natürlich würde ich Ellery das Geld auch zurückzahlen, und somit suchte ich nach ein paar freien Stellen in Cafés oder Restaurants, wo ich Abends vielleicht für ein paar Tage aushelfen konnte. Ich fand so gut wie nichts, also schrieb ich meiner ehemaligen Chefin, bei der ich im Sommer vor meinem Studium gearbeitete hatte.
Mit keinerlei Erwartung legte ich mein Handy beiseite.
Ich dachte eher nicht, dass sie noch einen Job für mich haben würde. Aber wie das Leben nun mal so ist, ist alles unbestimmt und nicht vorhersehbar, denn sie antwortete keine fünf Minuten später.
Es war gerade eine Aushilfsstelle frei geworden, und für die nächsten 2 Wochen könnte ich bei ihr arbeiten.
Perfekt!
Dann ist doch alles gut, ich bekomme das schon hin!
-
Völlig konzentriert auf die sehr wichtig erscheinenden Dinge im Leben, vergaß Lie, dass T noch da war.
Unwissen darüber ob es ihm gut ging und was er tat.
Irgendwo in einem Zimmer im knapp 600 km entfernten Köln.
v e r g e s s e n
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What am I looking for? (Taddl ff)
FanfictionAmelie (von allen Lie genannt) studiert in Berlin und wohnt dort allein in einer kleinen Wohnung. Sie denkt in letzter Zeit viel übers Leben nach und sucht einen Sinn darin. Sie spricht viel über ihre Gedanken mit ihrer besten Freundin Ellery, welch...