Kapitel 3 Geburtstag

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Ungeduldig. Vorfreudig. Angepisst.

Endlich ist dieser scheiss Februar vorbei. Selten habe ich mich auf meinen Geburtstag so gefreut, wie auf diesen. Ich weiss auch nicht wieso, aber der 16 Geburtstag ist irgendwie was besonderes. Dachte ich zumindest. Doch es stellte sich heraus, dass es ein ganz normaler Mittwoch war, wie jeder andere auch. Mein Wecker klingelt, ich gehe Joggen, schlinge mein Morgenessen herunter (Okay, es gab immerhin Speck zu meinen Eiern), und in die Schule.
Und wie immer, fast wieder zu spät. Anastasia hat mir wieder einen Platz neben sich freigehalten, und ich verfluche sie innerlich. Wann checkt sie es endlich? Ich will nichts von ihr!
Die erste Stunde geht ereignislos vorbei, ich langweile mich beinahe zu tode, und endlich klingelt es zur Pause. Da dreht sich meine Sitznachbarin mit einem strahlenden Lächeln zu mir um und schaut mich erwartungsvoll mit funkelnden Augen an. «Was denn?» «Ich habe da was für dich!» Sie zieht hinter dem Rücken ein Stück Torte hervor. Eine kleine Kerze ist darauf, doch sie brennt nicht. «С днем ​​рождения (Alles gute zum Geburtstag)» Ich kann meine Überraschung nicht verbergen und schaue sie mit grossen Augen an. Sie hat an meinen Geburtstag gedacht? Das Mädchen setzt einen leicht traurigen Ausdruck aufs Gesicht und meint dann: «Tut mir leid, dass die Kerze nicht brennt, aber die darf ich hier nicht anzünden...» «Wow, geil... ist das Erdbeertorte?» «Ja, ich weiss doch, dass du die liebst! War gar nicht so einfach, an die zu kommen!» Das glaub ich ihr sofort, es ist nicht Erdbeerzeit: «Das weiss ich sehr zu schätzen... dann... darf ich sie jetzt essen?» «Natürlich nicht, du Idiot! Die ist nur zum Anschauen!» Sie setzt einen Schmollmund auf und reicht mir das Stück Torte und eine kleine Gabel. Glücklich schaue ich die Erdbeertorte an, und beginne sie genüsslich zu essen. Bis ein Miesepeter mit einem Lehrerberuf mir meine Laune wieder verderben will: «Yuri! Im Klassenzimmer wird nichts gegessen! Das weisst du genau!» Ich spüre den Ärger in mir hochkommen, doch ehe ich ausflippen kann steht Anastasia auf und bietet dem Lehrer die Stirn. Diplomatisch meint sie: «Tut mir leid, ich habe ihn dazu verleitet. Aber heute ist doch Yuris Geburtstag, und ich wollte ihm eine Freude machen!» Der Lehrer zieht eine Augenbraue hoch: «Hä? Heute ist sein Geburtstag? Stimmt das Yuri?» Ich nicke nur, während ich mir ein weiteres Stück Torte in den Mund schiebe. «Dann wirst du heute endlich 16? Na, in dem Fall mache ich eine Ausnahme, aber nur diese eine! Wenn ich dich nochmals hier essen sehe...» Er sagt nicht, was dann passieren wird, doch das ist mir eh egal. Ich will nur meine Torte geniessen. Irgendwie beschleicht mich ein warmes Gefühl, ich bin dankbar, dass Anastasia an meinen Geburtstag gedacht hat, denn alle anderen scheinen ihn vergessen zu haben. Natürlich nicht meine Fans, auf Insta häufen sich jetzt schon die Gratulationen, doch auf die habe ich keinen Bock.
Blöde Yuri- Angels.
Die Schule geht weiter, und ich versuche mich wieder wenigstens ein kleines bisschen zu konzentrieren. Und dann endlich geht auch die letzte Stunde vorbei. Mathe. Nicht meine grosse Leidernschaft. Und ich kann aufs Eis! Anastasia hat sich natürlich an mich gehängt, und geht mit mir in Richtung Eishalle, auch wenn wir nicht zusammen trainieren, begleitet sie mich. Und bequatscht mich ununterbrochen. Ich bin schon wieder ziemlich genervt, doch sie hält einfach nicht die Klappe. Und weil sie mir heute meine Lieblingstorte gebracht hat, lasse ich es ausnahmsweise über mich ergehen.
*Ring*
Nanu? Wer ruft mich denn jetzt an? Bestimmt wieder irgend ein Nervtöter, der mir gratulieren will. Ich nehme das Handy in die Hand und möchte gerade wegdrücken, als ich sehe, wer anruft.
Blitzschnell ändere ich meine Meinung und hebe ab: «Otabek! Wieso rufst du mich denn an?» «Na, was wäre ich denn wohl für ein Freund, wenn ich dir nicht zu deinem 16ten Geburtstag gratulieren würde?» Auch wenn wir ab und zu schreiben, angerufen hat er mich noch nie. Das Lächeln ist wieder auf mein Gesicht zurückgekehrt. Ich sehe im Augenwinkel, dass mich Anastasia seltsam anguckt. Stimmt ja, sie kann kein Englisch. «Und deshalb rufst du extra an?» Otakeks Stimme ist klar und dunkel, als er meint; «Klar! Ich hoffe, du hattest bisher einen tollen Tag, und ich rufe nicht gerade zu einem ungünstigen Zeitpunkt an?» «Naja, es ist ein recht normaler Tag bisher, aber Anastasia hat mir Torte mitgebracht. Jetzt bin ich mit ihr auf dem Weg zur Eishalle.» «Anastasia? Ist das deine Freundin?» Ich schüttle energisch den, Kopf, ehe mir einfällt dass er mich ja nicht sehen kann. «Hä? Nein nein, eine Klassenkollegin. Sie ist mit mir in der selben Klasse, und fährt ebenfalls Eiskunstlauf. Sie kommt übrigens auch ins Camp.» «Oh.. ich habe aber keine Anastasia auf der Teilnehmerliste gesehen?» «Ja, ist wohl wer verletzt und sie kann einspringen.» «Dann lerne ich sie ja kennen. Aber ich rufe ja nicht deswegen an! Wie gesagt, ich will dir gratulieren und wünsche dir alles gute zum Geburtstag!»
«Vielen Dank! Hat mich sehr gefreut, dass du angerufen hast!» Ich bin mir sicher, der grössere Eiskunstläufer lacht jetzt: «Hab ich doch gerne. Ich freu mich jetzt schon mega aufs Camp, und dich endlich wieder zu sehen. Es soll in der Schweiz mega coole Strecken zum fahren geben, wenn ich ein Motorrad miete, würdest du mitkommen?» «Ich darf noch nicht selbst Motorrad fahren, aber wenn du mich hinten mitnimmst, dann sehr gerne!» «Super, dann werde ich mich darum kümmern! Ich möchte diesen einen See besuchen, der soll so schön sein!» Auch wenn Mitte März wahrscheinlich noch relativ kalt ist, freue ich mich jetzt schon auf die Fahrt mit Otabek. Die Fahrt hinten auf seinem Motorrad war so cool! «Also dann, ich muss weiter! Wünsche dir noch einen tollen Tag! Lass dich feiern!» «Werd ich machen! Dann bis dann...»
Nun bin ich wieder einmal froh, haben mich Viktor und Yakov schon früh gezwungen, Englisch zu lernen. Sie haben gesagt, das sei sehr wichtig wenn man international mit den Menschen auf dem Eis kommunizieren will. Wieso die nicht einfach alle Russisch lernen? Egal.
Doch zurück zum hier und jetzt, denn von der Seite werde ich wieder angequatscht: «Wer war denn das? Deine Freundin?» «Häää? Wie kommst du denn auf den Quatsch?» «Naja, du hast so glücklich gelächelt...», meint sie. «Blödsinn, das ist nur ein Freund vom Grand Prix.» «Ach so...»
Was läuft denn nun mit der falsch? Echt jetzt. Meine Laune ist schon wieder gesunken. Den Rest vom Weg gehen wir schweigsam nebeneinander her, auf den letzten 200 Metern machen wir noch ein kleines Wettrennen. Sie hat gewonnen, was mich echt anpisst. Dieses Mädchen ist verdammt schnell. Dann betreten wir zusammen die Halle. Es ist so wie immer, laut, nervig, und kalt. Ich ziehe meine Trainingsklamotten an und binde mir die Schuhe. Ein kritischer Blick zu den Kufen, ich brauche wohl bald neue, diese hier kann man bald nicht mehr retten. Ich gehe an die Bande, nehme die Schoner weg und betrete das Eis. Um mich aufzuwärmen laufe ich erst mal einige lockere Runden, bis das Training beginnt habe ich noch 10 Minuten Zeit. Entspannt nehme ich meine Ohrstöpsel aus der Hosentasche und schalte die Musik ein. Zum Warmlaufen höre ich immer das selbe Musikstück, das lässt mich sofort meinen Alltag vergessen und legt meinen Fokus vollkommen auf das Eis. Es ist für mich die beste Art, um abzuschalten. Nach 10 Minuten nehme ich die Stöpsel raus, gerade rechtzeitig, um Yakov alle versammeln zu hören: «Also, Willkommen Leute. Ihr wisst, es geht nicht mehr lange zum Camp, und von euch kommen alle mit. Denkt bitte daran, dass ihr zwei bis drei von euren Wettkampfoutfits mitnehmen sollt, damit wir dann an der Show auch was ordentliches anzuziehen haben. Und denkt daran, es ist eine Show, kein Wettkampf! Aber, wir wollen trotzdem die Besten sein, also legen wir uns auch heute ins Zeug!» Jay. Ein ganz normales Training. Keiner hat an meinen Geburtstag gedacht. Na schön, dann laufen wir halt. Der Trainer fährt fort: «Okay, ich möchte heute, dass ihr mal wieder eure Programme lauft. Ich will sehen, ob ihr überhaupt noch die Kondition habt, um eine ganze Kür zu laufen. Yuri, du beginnst, mach dich warm!» Natürlich, immer muss ich beginnen. Immer auf die Kleinen. Ich mache mich fertig warm, übe einige Sprünge, und dann beginne ich mein Programm zu laufen. Die Musik dröhnt durch die Halle, ich konzentriere mich voll und ganz auf meine Schritte. Endlich fertig. Ich merke schon, ausdauertechnisch hab ich ein wenig abgegeben, doch ich stehe alle Sprünge und es unterlaufen mir auch keine Fehler. Die Musik hört auf zu spielen. Ich schaue zu den anderen. Moment... Häää?
Die anderen beginnen nun lauthals Happy Birthday zu singen, und Lilia kommt mit einer riesen Torte und vielen brennenden Kerzen hinter den anderen hervor. Gelähmt stehe ich mitten auf dem Eis, während nach und nach alle anderen singend aufs Eis kommen. Sie... haben es doch nicht vergessen! Nun kann ich mir ein Lächeln doch nicht verkneifen. Schnell beisse ich mir auf die Lippen, sie sollen nicht merken, wie sehr ich mich darüber freue! Endlich ist das Lied zu Ende, und ich darf die Kerzen ausblasen. Die Stimme vom alten Yakov dröhnt durch die Halle: «Und somit ist das offizielle Training für heute beendet! Nun lasst uns diese Torte vernichten!» Alle jubeln, und Lilia verteilt grosszügig Tortenstücke, Gabeln und Servietten. Wir geniessen plappernd den Nachmittag, und ich bemerke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Auch die anderen Läufer kommen zu uns feiern, und auf einmal sind sehr viele Leute bei uns und lassen mir keine Ruhe. Es dämmert bereits, als Yakov plötzlich seine Stimme erhebt und uns laut zur Ruhe bringt: «So, und nun mein lieber Yuri, hier noch ein Geschenk von deinem Grossvater. Er kann leider nicht persönlich vorbei kommen, da es ihm gesundheitlich wieder nicht so gut geht, aber dennoch will er dich sprechen! Bitte macht Platz!» Damit nimmt er einen Laptop hinter dem Rücken hervor, auf dem gross mein geliebter Grossvater zu sehen ist. Skype ist schon eine grossartige Sache! «Hallo mein lieber Enkel! Wie geht es dir!» «Nikolai! Grossvater! Schön dich zu sehen!» «Mein lieber Yurochka! Leider macht mein Rücken wieder einmal ziemliche Scherereien, deswegen kann ich die lange Autofahrt zu dir nicht machen! Aber ich habe dir ein kleines Geschenk! Yakov, würdest du bitte...?» Angesprochener nimmt eine Schachtel hinter den Bänken hervor und gibt sie mir. Langsam öffne ich das Paket. Okay, das ist gelogen, ich reisse das Paket ungeduldig auf. Was ich darin erblicke, lässt mein Herz höher schlagen.
Neue Schuhe! Neue Schlitschuhe!
Das Aussenleder ist tiefschwarz, die Kufen ebenfalls. Und das Innenfutter hat mein geliebtes Leopardenmuster. Ich starre die Schuhe ungläubig an. «Du sagtest doch, dass du neue Kufen brauchst!», wendet sich mein Opa wieder zu Wort. «Aber Opa, das ist doch viel zu teuer? Und woher wusstest du...?» «Ach, Lilia und Yakov haben auch ihren Teil dazu beigetragen! Bitte probiere sie an! Ich will dich darin laufen sehen!» Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen, schnell ziehe ich meine alten Schuhe aus und schlüpfe in meine neuen. Unglaublich, wie bequem sie sind! Ich gehe aufs Eis, etwas zittrig erst noch. Neue Schuhe sind immer so komisch, schon wenn ich nur die Kufen wechsle, fühlt es sich anfangs falsch an. Aber komplett neue Schuhe hatte ich schon lange nicht mehr. Sie fühlen sich so gut, und dennoch so fremd an. Ich beginne einige Runden zu laufen, und merke, dass sie wirklich für mich zugeschnitten worden sind. Daher werde ich etwas mutiger, und springe auch schon bald einige kleine Sprünge. Nichts Weltbewegendes, nur einige Doppeldrehungen. Ich will es nicht übertreiben und mir erst Zeit geben, um mich an die neuen Schuhe zu gewöhnen, ausserdem bin ich nicht mehr warm, und verletzen will ich mich erst recht nicht. Überglücklich fahre ich wieder an die Bande, und sehe in das glückliche Gesicht von meinem Grossvater. Ich vermisse ihn so sehr, doch mein Grossvater weigert sich, zu mir zu ziehen. «Vielen Dank, Grossvater!» «Gern geschehen! Ich freu mich, deine Show dann zu sehen!»
Wir verabschieden uns von ihm, und nach kurzer Zeit auch von den anderen Läufern.
Nun ist es doch noch ein ganz cooler Tag geworden.

***Bild gehört nicht mir, gezeichnet von einem grossartigen Artisten, Gearous
https://www.instagram.com/official_gearous/?hl=de ***

Otayuri Es begann im MärzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt