Kapitel 13 Morgenmuffel und Morgenmensch

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Trainieren. Chillen. Nervös.

Jetzt ist Freitag Abend, und morgen habe ich noch einiges los. Ich muss ins Motorradgeschäft, noch die letzten Vorbereitungen treffen. Am liebsten würde ich noch etwas feiern gehen, doch in den meisten Clubs darf man erst ab 18 rein, und Leah sowie Chris raten ab, in einen Club zu gehen, in den man schon mit 16 kann. Und ohne Yuri will ich nicht gehen. Er ist wieder einmal unter der Dusche, und man kann nichts erkennen. Wie kann man nur so heiss duschen, verbrüht der sich nicht die Haut so? Für Yuri ist es ganz normal, dass er halbnackt oder gar ganz nackt herumläuft, doch ich muss mich immer extrem zusammenreissen, um mir nichts anmerken zu lassen. Ich könnte seinen Körper stundenlang bestaunen, wie gerne würde ich über seine glatte Haut fahren, seine Muskeln unter meiner Hand fühlen, seinen Körper mit meinem Mund erforschen.
Verdammt, Otabek Altin! Reiss dich zusammen, das ist nicht der richtige Moment, um zu träumen. Um mich abzulenken schalte ich die Switch ein, und beginne etwas zu zocken. Endlich ist auch unser Warmduscher fertig und kommt aus dem Bad. Das Handtuch mal wieder nur auf dem Kopf. Anfangs habe ich noch gesagt, er soll es um die Hüfte wickeln, aber das habe ich schnell wieder aufgegeben. Abgesehen davon schau ich ihn gerne an. Yuri sieht müde aus. Er setzt sich neben mich aufs Bett. Yuri, zu nah! Ich kann die Hitze von seinem Körper spüren, sie strahlt bis zu mir. Ich starre hochkonzentriert auf die Glotze. Auf einmal kippt Yuri zur Seite, und legt seinen Kopf auf meine Schultern. Mein Herz hört auf zu schlagen, mein Atem stockt, und mein Hirn schaltet ab. «Ich bin müde, Beka. Ich will nicht nach Hause. Wieso kann ich nicht hier bei dir bleiben. Es ist so leicht mit dir, ich bin so ausgeglichen...» Er... hat mich Beka genannt! So nennt mich nur meine kleine Schwester! Und er sagt, er will nicht weg von mir! Mein Hirn verweigert immer noch den Dienst, mein Auto ist gegen eine Mauer gefahren. Ich kann nicht mehr weiter spielen. Langsam drehe ich meinen Kopf in seine Richtung. Das Handtuch ist immer noch nur über seinen Kopf gelegt, er hat die Augen halb geschlossen, seine Arme hängen einfach nur an seinem Körper herunter. Was... läuft hier gerade? Yuri hebt den Blick und schaut mich direkt an. Traurigkeit spiegelt sich darin wieder. Mein Mund ist staubtrocken, ich versuche, nicht zu krächzen: «Was... ist denn los?» «Beka, du bist mein erster Freund. Dank dir habe ich neue Freunde kennen gelernt, gemerkt, dass Mädels nicht nur einfach doof sind, sondern auch echte Kolleginnen sein können, und ich habe so viel gelernt mit dir auf dem Eis. Und ich liebe das Motorradfahren. Und morgen laufen wir das letzte Mal zusammen, danach ist alles wieder weg. Futsch. Und der graue Alltag holt mich wieder ein. Ich werde wieder von der alten Schrulle aus dem Bett geholt, und Vitya und das Schweinchen nerven mich wieder den ganzen Tag!» Was macht man als Freund in so einer Situation? Am liebsten würde ich ihn zu mir ziehen und zärtlich küssen. Doch das geht nicht. Er sieht gerade so zerbrechlich aus. Stimmt, seine Wutausbrüche sind in den letzten zwei Wochen immer weniger geworden. Er konnte sogar einige Male richtig lachen! Aber es zieht mir auch das Herz zusammen, als er die Mädchen erwähnt hat. Langsam lege ich meinen Arm um seine nassen Schultern. «Yuri, was soll das? Wir können ja wieder mal zusammen trainieren! Und wenn wir täglich schreiben oder telefonieren kannst du dich auch abregen. Und dann hast du ja noch Ana! Sie bleibt ja bei dir!» Ana. Anastasia. Kein Zweifel, sie ist ziemlich verschossen in Yuri. Doch der merkt es nicht mal. «Ja, Ana ist noch da. Aber du bist mein Anker, nicht sie.» Ich umarme ihn stumm. Seine Haut fühlt sich so weich an. Ich schliesse die Augen und atme tief seinen Duft ein. Versuche, das alles in mich aufzusaugen, in mein Gehirn einzubrennen. Die Gefühle für Yuri, die ich schon so lange habe, sind in diesen zwei Wochen unglaublich stark geworden. Ich nehme einen letzten Atemzug, dann packe ich meine Gefühle und schliesse sie in eine Truhe. Ich muss endlich darüber hinweg kommen! Sie haben hier nichts verloren und verletzen mich nur. Langsam löse ich meine Umarmung. «Tut mir leid, ich hab wohl ein bisschen zu heiss geduscht. Es geht nun wieder, vergiss einfach, was ich gesagt habe.», murmelt er nun leise. «Okay.»
Was Okay? Nichts ist Okay! Ich könnte heulen, so nah und doch so fern vom Mann meiner Träume zu sein zerreisst mich fast. Doch das Lächeln ist wieder in Yuris Gesicht zurück gekehrt. «Gehen wir pennen?», frage ich. «Jup.» «Joggen morgen? Oder auspennen?» «Das zweite. Wir haben jeden Morgen gejoggt, einen Tag können wir auslassen.» Ich grinse, schalte die Konsole aus, und wir legen uns ins Bett.

Die Sonne kitzelt meine Nase, und ich öffne langsam die Augen. Yuri liegt quer über das Bett, ein Bein über mir. Noch nicht lange her, da hat er sich lautstark darüber beschwert, dass das Georgi gemacht hat! Süss. Das ist das erste Mal, dass er nicht unter der Decke schläft, und er sieht so liebenswert aus. Leise nehme ich mein Handy vom Nachttisch und schiesse ein Foto. *Klick* Fuuuuu*****! Ton ist ein! Yuri bewegt sich und öffnet die Augen. Da sieht er mich mit dem verräterischen Handy in der Hand. Sofort setzt er sich auf und beginnt rumzustänkern. Liebenswert wie jeden morgen, dabei sieht er im Schlaf wie ein Engel aus. «Verfickter Otabek, machst du Fotos von mir wenn ich schlafe?!» Ich grinse, öffne die Galerie und zeige ihm das Foto: «Oh Yuri, du siehst so süss und lieb aus, wenn du schläft, nicht wie der Drache, der du wach bist!» «Du scheiss Spanner, lösch das! UND ICH BIN NICHT SÜSS!!!» Damit packt er sein Kissen und wirft es nach mir. Ich weiche aus und lache laut los. «Wer hat denn heimlich Fotos von mir gemacht, als ich versuchte, mich in dein Kleid zu zwängen? Da darf ich doch wohl auch eines von dir, das dir peinlich ist!» «Warum weisst du das, du scheiss Nerd!» Offensichtlich ist seine Laune morgens nicht besser, wenn er ausgeschlafen ist. Normalerweise wird er nach dem Laufen wieder umgänglicher, doch jetzt muss ich aufs Frühstück hoffen: «Komm schon, es ist bereits neun gewesen. Raus aus den Federn, sonst gibt es nichts mehr zu essen!» Yuri dreht sich wieder um, wickelt sich in die Decke und murmelt unzufrieden: "Ich penn weiter, weck mich wenn es Mittagessen gibt! Ich muss heute nichts mehr machen!» «Na schön, dann geh ich alleine aufs Motorrad. Ich könnte Leah mitnehmen, sie könnte mich noch zu diesem See bringen!» «Machst du nicht, das sind über 3.5 Stunden Fahrt...pro Weg.», grummelt er. «Wer ist denn hier der Nerd! Ich wusste nicht mal, dass das so weit weg ist!» «Wie gesagt, weck mich vor dem Mittagessen...» Echt, manchmal ist er wirklich mühsam! Ich gehe runter zum Essen. Die anderen Athleten sind zum Teil auch erst jetzt aufgestanden. Ich setze mich alleine an einen Tisch, und geniesse einen Kaffee. Leah kommt mit zerzausten Haaren zu mir an den Tisch. Sie sagt nichts. Sie ist mit Chris und den anderen gestern aus gewesen, sie haben ein wenig Party gemacht. Sie war ziemlich enttäuscht, dass ich nicht mitkommen wollte, doch hatte Verständnis dafür, dass ich Yuri nicht alleine lassen wollte. Ana wollte eh nicht mit, da sie am Abend vor einem Wettkampf- oder hier einer Show- immer so nervös ist, dass sie kaum schlafen kann. Deswegen hat das Mädchen ein kleines Ritual entwickelt, und sich an diesem Abend daher dem verschrieben. Sie behauptet, die Party mache sie eh nur nervös, und sie braucht dann Zeit für sich. Sie war ganz froh, dass sie alleine im Zimmer war an diesem Abend. Ganz ehrlich, ich habe mir gestern Abend überlegt, ob ich nachgehen soll, nachdem Yuri eingepennt ist. Doch ich wollte die letzte Zeit noch mit Ihm verbringen. «Otabek! Leah! Wo sind denn die anderen beiden? Ungewohnt, euch alleine zu sehen!», der russische Trainer kommt zu uns. «Die pennen noch. Kannst ja gerne versuchen, den Typen aus dem Bett zu kriegen, ich hab das jetzt täglich gemacht, heute kann er mich mal...» «Wooow, streit im Paradies?», war klar, dass das Viktor wieder hören musste. Georgi stellt sich aber auf meine Seite, er ist ebenfalls mit den Russen unterwegs: «Viktor, tu nicht so! Du hast den kleinen Dämon auch schon aus dem Bett holen müssen!» «Oh, hallo Georgi... stimmt, keine schöne Aufgabe...» Die drei gehen ebenfalls zum Buffet, und dem Essen nach, das Viktor nimmt, oder eben nicht nimmt, glaube ich, er hat mal wieder ordentlich einen über den Durst getrunken. «Sag mal Leah, wann seid ihr denn nach Hause gekommen?» «Lass mich mal überlegen, irgendwann zwischen eins und zwei. Wir wollten nicht zu lange weg sein, wir haben heute Abend eine Show.» «Hmmm...», gedankenverloren kaue ich auf meinem Brot herum, dann habe ich eine spontane Idee: «Lust noch eine letzte Runde fahren zu gehen?» Leah lächelt: «Klar, wieso nicht. Aber ich fahre Sozius. Hab keinen Bock selbst zu fahren!» «Passt. Wohin?» «Hmmm, wir könnten nach Murten fahren. Dort hat es auch einen See, und ne Spezialität, den Nidelkuchen. Den musst du unbedingt mal probieren.» «Okay. Wie weit ist das ungefähr weg von hier?» «Hmmm, wenn wir überland fahren etwa drei Stunden, auf der Autobahn die Hälfte.» «Klingt gut...» Wir beenden unser Frühstück, und satteln meine Kawasaki. Die Fahrt dorthin ist angenehm, doch auch wenn sie eine super Beifahrerim ist, es fühlt sich anders an, als wenn Yuri hinten drauf ist.



***Bild nicht von mir, Künstler diesmal wieder (leider) unbekannt, wer Ihn oder Sie kennt, darf mir gerne schreiben***

Otayuri Es begann im MärzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt