Kapitel 2 Februar

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Kalt. Dunkel. Nervig.

Seit ich das GP Final gewonnen habe ist einige Zeit verstrichen. Viktor ist mit dem Schweinchen zurück nach Russland gekommen, um wieder hier zu trainieren. Die Pause hat seinem Können echt nicht gut getan, aber seine Motivation und seine Energie sind immens besser seither.
Genervt beobachte ich, wie er wieder an seiner Sprungtechnik arbeiten muss, momentan springe ich nämlich besser als er! Es ist zudem ziemlich komisch, Viktor trainiert mit Yakov und uns anderen russischen Läufern, und er trainiert Katsudon. Auch wohnen die beiden nun zusammen, was mich ziemlich anpisst. Wieso schenkt Viktor mir jetzt nicht wieder mehr Beachtung? Irgendwie habe ich angenommen, dass, wenn er wieder in Russland ist, er auch mir etwas hilft. Schliesslich ist er immer noch der  Viktor Nikiforov, mit seinem Kurzprogramm habe ich sogar einen neuen Weltrekord aufgestellt.
Verflucht.
Aber ich lasse mich nicht unterkriegen, ich habe vor, mir auch im nächsten Jahr Gold zu holen! Die können mich alle mal. Wegen diesem Idioten lasse ich mir die Laune nicht vermiesen.
Mit Otabek habe ich ab und zu etwas E-Mail Kontakt, wenn mich die Leute hier wieder zu stark nerven, kann ich bei ihm etwas Dampf ablassen. Zusätzlich ist es für mich eine super Übung, meine Englisch Skills weiter zu verbessern. Manchmal kotzt es mich aber doch etwas an, dass er immer so stoisch und unparteiisch bleibt. Hallo? Er soll auf meiner Seite sein! Anderersseits ist es auch schön, mal mit jemandem über all das zu sprechen. Und er hat es echt drauf, mich wieder zu beruhigen. Ich muss leider immer noch bei der alten Schachtel wohnen. Die meckert immer noch nur rum, von wegen ich sei zu unbeweglich, zu steif, und ich soll mich schöner bewegen. Bin ich eine Frau oder was? Doch sie hat endlich kochen gelernt, nachdem mein Opa einige Tage zu Besuch war und ihr beigebracht hat, wie man Katsudon Pirozhkis macht. Nun muss ich wenigstens nicht täglich diesen Athletenfrass fressen, sondern kriege auch ab und zu mal was richtiges.
Apropos Katsudon, das Schweinchen findet Opas Pirozhkis auch super lecker, und daher bringe ich ihm auch ab und zu eines mit. Ich bin stolz auf meinen Opa, der so was leckeres erfunden hat!

>^.^<

Heute war mal wieder einer von diesen verdammt harten Tagen. Ich musste Sprünge üben, bis ich nicht mehr konnte. Yakov hat sich in den Kopf gesetzt, dass ich auch meinen vierfachen Toeloop mit erhobenen Armen springen soll, und das muss ich nun gefühlte 100 000 Mal machen. Hat der alte Sack das schon mal selber versucht?! Das ist echt verdammt schwer!
Nun sitze ich wieder in meinem Zimmer, und langweile mich. Zwar bin ich mich schon seit einiger Zeit intensiv am dehnen, doch so wirklich bin ich mit dem Kopf nicht bei der Sache. Auf m Laptop vor mir läuft irgendeine Serie, die laut Netflix ziemlich gut sein soll, doch ich kriege davon fast nichts mit. Mit den Gedanken bin ich wie fast meistens auch auf dem Eis.
*Bing*
Oh, eine Mail! Hoffnungsvoll konzentriere ich mich auf den Bildschirm. Tatsächlich, eine Mail von Otabek. Das passt perfekt, so kann ich mich etwas mit Ihm unterhalten.
O: Hey, ich habe gesehen, dass du auch auf der Teilnehmerliste stehst!
Y: Hä? Welche Liste?
O: Na die vom Camp!
Y: Ich verstehe gerade nur Bahnhof!
O: Schick mal deine Nummer, Mail ist mühsam. Dann kann ich es dir zeigen!
Y: Klar, hier hast du Sie
*Bing*
Otabek verliert keine Zeit und hat mir gleich per WA geschrieben.
O: Da schau *Bild*
Ich schaue mir das Bild an, das er mir geschickt hat. Es ist eine Teilnehmerliste für irgend ein Trainingscamp. Häää? Da steht tatsächlich mein Name!
Y: Tut mir leid, ich weiss nicht mal, was das ist!
O: Oh, Viktor hat am Bankett vorgeschlagen, dass wir im Frühling mal ein Trainingscamp veranstalten, bei dem Topläufer aus aller Welt teilnehmen können. Und am Schluss soll es sowas wie eine Galavorstellung geben, um unseren Sport bekannter werden zu lassen!
Y: Hääää? Und ich werde gar nicht gefragt?
O: Viktor hat dich doch dort gefragt, du fandest es eine super Idee! Ausserdem sind Yakov, Lilia, Celestino und Stephane die Haupttrainer dort.
Y: Diese Arschgesichter, und ich werde gar nicht gefragt?
O: Willst du denn jetzt nicht kommen?
Y: Kommst du denn?
O: Ja, ich habe mich angemeldet.
Y: Na schön, dann werde ich nach ner ordentlichen Szene auch kommen. Würde mich freuen, dich wieder zu sehen.
O: Das freut mich. Ich würde dich nämlich auch gerne wieder sehen.
Ich grinse. Wieso grinse ich? Freue ich mich so stark, dass mich Otabek auch sehen will? Also echt, Freunde zu haben ist anstrengend.
Y: Dann geh ich jetzt mal ein Hühnchen mit diesem ***** von Viktor rupfen! Der kann was erleben!
O: Wie kommt es, dass deine Eltern nicht einwilligen müssen?
Y: Yakov ist momentan mein Erziehungsberechtigter. Daher wurde ich wohl übergangen.
O: Na dann, sehen wir uns spätestens dort wieder!
Was soll ich nun zurück schreiben? Ratlos schaue ich aufs Handy, da sehe ich, dass Otabek nicht mehr online ist. Na schön, dann muss ich wohl nicht mehr antworten. Aber nun muss ich mal ein Wörtchen mit meinen Trainern reden. Ich stehe auf und verlasse mein Zimmer. Es wird eh gleich Abendessen geben, also sind die beiden da. Wütend knalle ich die Türe hinter mir zu und stampfe geräuschvoll die Treppe hinunter. Ich weiss, dass Lilia es hasst, wenn ich wie ein Elefant herumlaufe, jetzt mache ich es natürlich extra. Und auch als ich ihre Namen rufe, gebe ich mir keine Mühe leise zu sein oder meine Verärgerung zu verbergen: «LILIA! YAKOV!» Die alte Schrulle reagiert sofort: «Yura, ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass du nicht so durch das Haus gehen sollst! Und überhaupt, warum schreist du denn so? Wir sind nicht Taub!» «Was fällt euch ein, mich für dieses beschissene Camp einzuschreiben, ohne mich zu fragen!», fauche ich sie an. «Was soll das heissen, ohne zu fragen? Du und Viktor hattet doch diese Idee erst! Und da Lilia sowie ich als Trainer dort sein werden, dachten wir, dass du da sowieso hin willst! Ich habe es auch in die Rundmail vom Club geschrieben und dich informiert! Hast du das etwa nicht gelesen?», schaltet sich nun auch noch der Alte ein. «Wieso soll ich so eine beschissene Mail lesen? Du hättest es mir auch einfach sagen können! Und das war nicht meine Idee, sondern die von Viktor. Vielleicht meinte er Katsudon, aber nicht mich!» Lilia versucht mich zurecht zu weisen: «Jetzt reichts aber, du kommst mit, und damit basta. Wir werden dort zwei Wochen sein, also find dich damit ab!» «Und wenn ich nicht will?» Der Alte grinst gruselig: «Dann hast du Pech gehabt, denn du wirst mitkommen ob du willst oder nicht. Wir sind deine Erziehungsberechtigten, und somit entscheiden wir! Wir haben das Datum extra so festgelegt, dass es in deinen Schulferien ist, also sei dankbar!» Wütend schlage ich mit der Faust auf den Tisch. Ich werde einfach übergangen, und dann schieben sie auch noch mir die Schuld in die Schuhe! So fies! Manchmal könnte ich diese Erwachsenen echt auf den Mond schiessen.
Tz!
Meine Balettlehrerin wendet sich nun etwas freundlicher wieder mir zu: «Es gibt gleich Essen, würdest du also bitte den Tisch decken und aufhören, so zu trampeln? Das habe ich dir nicht beigebracht!» Ich knirsche laut mit den Zähnen, füge mich dann aber. Eigentlich freue ich mich ja auf das Camp. Naja, genau genommen auf Otabek. Aber egal, ich glaube ich habe meinen Standpunkt klargemacht. Nur eines interessiert mich noch: «Wo ist denn dieses Trainingscamp überhaupt?» Mein Trainer meint stolz: «Wir gehen in die Schweiz. Stephane hat uns dorthin eingeladen, also nehmen wir seine Einladung gerne an. Zudem ist es ein schönes Land, und soweit ich weiss, warst du noch nie dort.» Die Schweiz? Dann gehen wir zu diesem Gockel von Christophe. Ich weiss, dass Stephane Lambiel ein herrvorragender Eiskunstläufer sein soll, und ein noch besserer Choreograf. Zudem hat er eine Eiskunstlauf Show, die wohl ziemlich bekannt sein soll. Aber die Schweiz ist so furchtbar klein! Ich glaube allein St. Petersburg ist grösser als dieses Land! Ich atme tief durch und hole Teller und Besteck, um aufzutischen. Na schön. Wird sicher ganz spassig.

Otayuri Es begann im MärzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt