Kapitel 23 Gefühle

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Heiss. Aufgeregt. Unsicher.

Sein Haus ist schlicht, aber schön eingerichtet. Er lässt meine Hand los, stellt die Tasche ab und zieht seine Schuhe aus. Ich mache es ihm nach. Was ist da gerade geschehen? Ich habe mich einfach Küssen lassen von ihm. Und habe mich nicht gewehrt, im Gegenteil! Ich habe es genossen! Ich würde es gerne wieder tun! Otabek geht ins Wohnzimmer, das ebenso wie der Eingangsbereich eingerichtet ist, und alles ist Piek sauber. Da ist gar nichts, das irgendwo rumsteht. Seine Mutter muss wohl einen Putzfimmel haben. Ich setze mich auf das gigantische Sofa. «Fühl dich hier wie zu Hause. Möchtest du was zu trinken?» «Ähm, j-ja gerne.» Otabek geht in die Küche und holt uns was zu trinken, Wasser mit Kohlensäure. «Tut mir leid, ich trinke nur das, Süssgetränke sind nichts für mich...», meint er entschuldigend. «Ach, geht schon. Wasser ist perfekt.» «Hätte ich gewusst, dass du kommst, hätte ich noch dein Lieblingsgetränk geholt.» Energisch schüttle ich den Kopf: «Neinneinnein, schon gut, ich habe dich mit meinem Besuch ja auch etwas überrascht...» «Ja, das hast du allerdings. Jetzt weiss ich wenigstens auch, wieso mich mein Coach zurückgepfiffen hat. Ich wollte eigentlich frei machen heute.» «Oh... du meinst er hat mich bemerkt?» «Jep, hat er. Er hat mich rausgeschickt. Ich habe dich natürlich sofort erkannt auf dem Eis.» «Du... du hast mich auf dem Eis gesehen?» «Hab ich... ich wollte eigentlich schon abhauen, da hast du mein Motorrad gesehen und ich konnte nicht mehr.» Er hat mich beobachtet... und wollte schon wieder abhauen? Wieso verhält er sich wie ein Kind? Ach so, ja stimmt... wahrscheinlich wegen mir... ich habe mich wirklich nicht gerade von meiner besten Seite gezeigt am Telefon und Ihn nur angeschrien. Und wieso? Wegen nichts... Er kann ja nichts dafür, dass ich mich selbst wie ein Kind verhalten habe. Aber da gibt es etwas, das muss nun einmal geklärt werden. Traue ich mich, es anzusprechen? «Yuri, das mit dem Kuss, tut mir leid, das hätte ich nicht tun dürfen...» «Ehm, schon gut... ich habe es schliesslich auch provoziert. Ich hätte mehr auf dich Rücksicht nehmen sollen.» Er legt seinen Kopf leicht schief: «Wie meinst du das?» «Als ich zu dir unter die Dusche gekommen bin, habe ich das im vollen Bewusstsein getan. Ich hatte diese Gefühle für dich, die ich nicht einordnen konnte, und irgendwie habe ich mir eingeredet, dass es dir genauso geht... Ich habe es genossen, dich in Verlegenheit zu bringen...» «...» «Und, als du mich dann so abgewiesen hast, habe ich das persönlich genommen, ohne dabei auf deine Gefühle Rücksicht zu nehmen. Ich war egoistisch, ich wollte mir unbedingt meiner sicher werden und habe dich in diese Situation gezwungen.» Otabek schaut mich einfach wortlos an. Bitte sag doch auch was dazu! «Otabek ich...» «Yuri, ich dachte du und Ana seid am anbandeln! Sie hat so offen mit dir geflirtet, und du bist auf sie eingegangen! Ich dachte wirklich, dass ihr zusammenkommen werdet in den nächsten paar Wochen! Ich dachte du bist straight!» «Was, Ana hat mit mir geflirtet? Blödsinn... Wir gehen lediglich in dieselbe Schule!» «Du bist so naiv, du merkst nicht mal, wenn dir jemand schöne Augen macht... Ich war so eifersüchtig! Und dann bist du so selbstverständlich zu mir gekommen, als wäre ich einfach nur ein Freund, mit dem du herumalbern willst, und wenn ich nicht so in dich verknallt gewesen wäre, dann wäre das einfach eine Wasserschlacht unter Freunden geworden.» Nun ist es an mir, Wortlos zu sein. Ich weiss wieder einmal nicht, was ich sagen will. Das ist eine Situation, mit der ich nicht klarkomme, ich war noch nie in so einer Situation und bin überfordert. Normalerweise kann ich alles mit einem Wutanfall lösen, hier geht das aber nicht. Verfluchte Gefühle, am liebsten würde ich euch alle auslöschen! Wenn Beka bloss ein Mädchen wäre, dann wäre alles viel einfacher! Vielleicht... Vielleicht auch nicht... «Beka... kannst du mich nochmals küssen?»
Häääää? Habe ich das etwa laut gesagt!? Otabeks überraschtem Gesichtsausdruck nach schon. Ich schlage mir erschrocken die Hände vor den Mund, meine Augen weit aufgerissen. Otabek setzt sich neben mich hin, seine Gesichtszüge sind nun ganz weich geworden. Er umfasst eine Handgelenke und zieht meine Hände sanft von meinem Mund weg. Dann kommt er näher und flüstert ganz leise: «Wenn du deinen Mund versteckst, kann ich dich nicht nochmals küssen.» Und dann ist er auch schon bei mir. Einige Millimeter vor meinem Gesicht bleibt er aber stehen, so als wäre er unsicher, ob er das wirklich tun darf. Na schön, dann muss ich wohl oder übel diese Distanz selbst überwinden, ehe ich es mir nochmals anders überlege! Ich presse meine Lippen auf seine. Er lässt meine Handgelenke los, ich umarme ihn und ziehe ihn näher, während ich meine Krallen in seinen Rücken grabe. Glückselige Schauer laufen meinen Rücken hinunter, und ich werde mutiger. Es fühlt sich so unglaublich richtig an! Beka erholt sich von dem Schock, dass nun doch ich kurzerhand die Initiative übernommen habe, und packt meinen Körper. Mit Leichtigkeit zieht er mich auf seinen Schoss, ohne dass wir unsere Lippen voneinander trennen. Ich will mehr von ihm! Langsam beginne ich an seiner Unterlippe zu knabbern, woraufhin er breitwillig seinen Mund öffnet, und ich mit meiner Zunge in seinen Mund vorstossen kann. Wow, ich bin selbst von mir überrascht, so habe ich noch nie jemanden geküsst! Diese Leidenschaft, dieses Verlangen, das ich gerade spüre. Das ist es, was ich schon immer wollte. Mir scheissegal, dass er ein Mann ist, mir scheissegal, was die anderen denken, ich will nur ihn!

Otayuri Es begann im MärzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt