Zurück in meinem neuen Zimmer hatte ich, wenn auch widerwillig, begonnen, meine Kleidung von meinem Koffer in den Schrank zu befördern. Das hatte mehr Zeit in Anspruch genommen als gedacht, sodass die anderen um 19 Uhr bereits vorgegangen waren, um sich den Platz an ihrem Lieblingstisch zu sichern. Sobald die Tür hinter ihnen zugegangen war, hatte ich mich mit dem Gesicht voran auf mein frisch bezogenes Bett geschmissen.
Im Kopf war ich meine Möglichkeiten durchgegangen. Ich war mir sicher, dass die anderen bei meiner Ankunft bemerkt hatten, wie wenig Lust ich auf all das hatte und auch beim Auspacken hatte ich kaum geredet. Ich wollte hier nicht sein. Ich wollte zurück zu meinen Freunden und zusammen mit ihnen meinen Abschluss machen. Ich konnte also weiterhin rumlaufen und alle vergraulen, oder mich damit abfinden und das Beste draus machen. Seufzend war ich aufgestanden, hatte meine letzte Hose in den Schrank geräumt und beschlossen, dem Internat noch eine Chance zu geben.
Als ich nun gegen 19:15 Uhr erneut die Cafeteria betrat, war es bereits merklich dunkler und der Raum wurde in ein leicht orange-rotes Licht getaucht. Die Tische waren bereits gut gefüllt und ich hielt über die Köpfe hinweg Ausschau nach dem großen Rotschopf, den ich bereits kannte. Ich entdeckte ihn an einem Tisch am anderen Ende des Raumes, der an einem Fenster in der Nähe der Essensausgabe stand. Zielstrebig durchquerte ich den Raum und bemerkte dabei die neugierigen Blicke, die mir einige andere Schüler zuwarfen. Ich verdrehte innerlich die Augen, aber solange sie nicht anfingen über mich zu reden, war es mir egal.
Als ich am Tisch ankam, bemerkten die anderen mich und ihre Gespräche verstummten. Jassie lächelte mir einladend zu, als ich mich zögerlich auf den letzten freien Platz neben Sam niederließ, auf dessen anderer Seite Kim saß.
Als ich hochblickte, sah ich direkt in das dunkle blau-grau der Augen von Lee, der mir gegenübersaß und mich musterte. Mir war es unangenehm, dass er mich so offen anschaute und ich ließ meinen Blick zu den anderen wandern. Eine seltsame Stille legte sich über uns, in der Jassie und Jackson, die schräg gegenüber von mir saßen, einander anschauten und offensichtlich stumm miteinander kommunizierten, Sam seinen Blick über die Schüler gleiten ließ, Kim gedankenverloren vor sich hinstarrte und Lee schließlich seinen Blick zum Fenster lenkte.
Es verletzte mich, dass sie so offensichtlich nicht mit mir reden wollten, bis ich begriff, dass die ganze Situation für sie sicherlich genauso seltsam war, wie für mich. Sie kannten mich nicht und ich kannte sie nicht. Ich konnte schlecht von ihnen verlangen, dass sie mich direkt in ihre Freundesgruppe aufnahmen, sobald ich das Zimmer betrat.
"Also... Was genau ist an diesem Tisch so besonders, dass er euer Lieblingstisch geworden ist?", durchbrach ich schließlich die Stille, die wahrscheinlich keine 10 Sekunden gedauert hatte.
Als hätte ich den Schalter dazu getätigt, normalisierte sich die Lage und die merkwürdige Pause schien vergessen.
"Das solltest du am besten Sam fragen.", antwortete Jassie grinsend. "Er kann nie schnell genug zu seinem geheiligten Essen kommen, stimmt's Sammy?", zog sie ihn auf.
Sam verdrehte die Augen und sah zu mir. "Es ist schöner am Rand zu sitzen. Wenn du an einem Tisch in der Mitte sitzt, hast du nie deine Ruhe. Und man kann ungestört die anderen beobachten."
"Jaja.", mischte sich jetzt auch Kim ein, "Erzähl ruhig wieder Lügen. Wir glauben dir aufs Wort."
"Boah jetzt hört doch mal auf mich darzustellen, als würde ich nur ans Essen denken!"
"Tust du nicht?", fragte Jackson verschmitzt.
Sam sah ihn strafend an und Jacksons Lächeln wurde breiter. Sam wandte sich erneut an mich.
"Wir haben mit dem Essen auf dich gewartet. Als wir hier reinkamen, war die Schlange schon zu groß", er deutete mit dem Kopf hinter sich zum Buffet, "und da haben wir gedacht, können wir gleich auf dich warten." Ich nickte und lächelte. Ich hatte schon befürchtet, die anderen wären schon fertig und würden mir dann die ganze Zeit beim Essen zusehen.
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Be Quiet
Teen FictionNachdem sie beinahe im Krankenhaus gelandet wäre, wird Rose auf ein Internat in England geschickt. Sie hofft, dass alles ausgestanden ist, wird aber eines besseren belehrt...