6. Kapitel

38 5 1
                                    

Ich folgte den anderen in mein Zimmer und schmiss mich mit Schwung auf mein Bett. Es ächzte protestierend, aber das war mir egal. Wenn die Betten hier sowas nicht aushielten, würde ich freiwillig wieder gehen.

Erst als ich meinen Kopf bereits auf die Matratze legte, fiel mir ein, dass ich ja noch Schuhe anhatte. Seufzend stand ich wieder auf, um sie mir von den Füßen zu ziehen und vor dem Kleiderschrank neben die Tür zu stellen. Ich mochte es nicht, wenn man Schuhe im Bett anhatte. Es war unhygienisch und ich konnte es absolut nicht nachvollziehen. Mal ehrlich, wer tat sowas?

Als ich mich wieder umdrehte, saßen Kim und Jackson bereits auf Jassies Bett und Jassie lehnte am Kopfende ihres Bettes und hatte ihre Beine quer über die von ihrem Freund gelegt. Auch Lee hatte es sich bereits auf dem Boden vor meinem Bett bequem gemacht und Sam ließ sich genau in diesem Moment mit dem Rücken voran auf mein Bett fallen. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und sah mich an, wie ich wie angewurzelt im Zimmer stand.

"Gibts n Problem, oder wieso guckst du wie ein angeschossenes Reh?", wollte er wissen und zog die Augenbrauen hoch.

Ich wusste nicht, ob ich es gut finden sollte, dass er sich so selbstverständlich auf meinem Bett breitmachte. Einerseits war es schön zu sehen, weil es bedeutete, dass er mit mir klarkam und wir vielleicht sowas wie Freunde wurden – es könnte natürlich auch sein, dass er einfach keine Lust hatte auf dem harten Boden zu sitzen, anders als Lee, der damit überhaupt keine Probleme zu haben schien – andererseits bedeutete es, dass ich mich zu ihm aufs Bett würde setzen müssen. Etwas, dass ich eigentlich vermeiden wollte.

"Sei nicht so verdammt verklemmt.", regte sich die Stimme in meinem Kopf über mich auf. "Hast du schon verlernt, wie man sich mit Leuten anfreundet, oder was?"

Schon möglich. Daheim in Hawkshead hatte ich viele Freunde, aber nur eine Handvoll davon waren echt. Mit dem Rest pflegte ich eine eher zweckmäßige Bekanntschaft, die nicht über die Schulzeit und gelegentliche Partys am Wochenende hinaus ging. Man war nett zueinander, hing manchmal gemeinsam ab, unternahm in großer Gruppe mal etwas zusammen und kannte sich generell nur oberflächlich. Klar war es nicht das, was sich die meisten unter Freundschaft vorstellten, aber es war unkomplizierter, als sich gegenseitig ohne Grund runterzumachen und übereinander zu reden.

Zu meinen wirklichen Freunden zählten nur etwa 6 Leute, mit denen ich alles unternahm und die ich besser kannte, als ihre eigenen Eltern es taten. Und da Hawkshead nicht sonderlich groß und die Anzahl der Einwohner verschwinden gering war, hatte ich nie wirklich den Drang gehabt, weitere Freundschaften zu schließen.

Also erwiderte ich Sams Blick und sagte nur: "Du hast Schuhe an."

Sam sah an sich herunter und auf seine Füße, die auf meiner frisch bezogenen, hellgrauen Bettdecke lagen und seufzte.

"Sie hat Recht.", mischte sich Jassie ungefragt ein, "Das ist verdammt ekelhaft." Auch sie hatte ihre Schuhe beim Hereinkommen ausgezogen und sah Sam nun auffordernd an. Sam seufzte erneut, verdrehte die Augen und legte sich schräg auf mein Bett, sodass seine Füße genau wie die von Jackson und Kim über die Bettkante hingen.

"Besser?", wollte er schließlich wissen und ich wollte grade antworten, als Lee mich unterbrach: "Nein, nicht besser. Ich will deine stinkenden Schlappen nicht in meinem Gesicht haben." Er verzog das Gesicht und sah auf Sams Schuhe, die jetzt genau auf der Höhe seines Kinns neben ihm schwebten.

Sam stöhnte genervt und richtete sich auf. "Was sitzt du auch auf dem Boden? Setz dich doch zu uns, wie jeder normale Mensch auch!", beschwerte er sich.

Lee drehte seinen Oberkörper zu Sam, um ihn ansehen zu können. "Im Gegensatz zu dir, gehe ich nicht einfach davon aus, dass andere Menschen einfach ihren Besitz mit mir teilen. Du kennst Rose grade mal zwei Stunden, also was wäre, wenn sie nicht wollen würde, dass du dich mit deinen dreckigen Klamotten auf ihr Bett schmeißt?", fragte er und blieb dabei so ruhig, dass seine Worte umso mehr Eindruck machten.

Be QuietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt