20. Kapitel

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Wie ein kleiner Wirbelwind fegte Ms. Leech in den Klassenraum hinein. Sie hatte keinerlei Tasche oder Rucksack dabei. Das Einzige, was sie bei sich trug, war ein Apfel und eine Tasse mit Kaffee. Erstaunlicherweise schaffte sie es, trotz ihrer Hektik, das Getränk nicht zu verschütten.

"Ich bin zu spät! Entschuldigt mich. Aber der blöde Kaffeeautomat hat mal wieder nicht das getan, was er sollte. Und ohne Kaffee wollte ich nicht gehen."

Mit Schwung kickte sie die Tür hinter sich zu und drehte sich dann lächelnd zur Klasse, während sie einen Schluck von ihrem Kaffee nahm.

Ich musterte die Frau von oben bis unten. In meiner gesamten Schulzeit war ich noch nie einem Lehrer begegnet, der mir auf Anhieb so sympathisch war, wie Ms. Leech.

Sie trug schwere, schwarze Boots, ein schwarzes, kurzes, jeansähnliches Kleid und darunter eine ebenso schwarze, feine Netzstrumpfhose. Unter ihrem Kleid hatte sie ein ziemlich großes, weißes Oberteil an, das an den Ärmeln wieder enger wurde, sodass es aussah, wie ein Hemd. Dazu trug sie ein paar silberne, lange Ketten und so viele Ringe, dass ich mich wunderte, ob sie überhaupt einen Stift halten konnte.

Ihre schwarzen Locken hatte sie vorne stark durchgestuft, sodass sie ihr immer wieder ins Gesicht fielen und dass sie Eyeliner trug, wunderte mich kaum.

Diese Lehrerin hat Style. Aber sowas von.

Während meiner Musterung hatte sich Ms. Leech auf die Kante ihres Pults fallen lassen und blickte durch den Raum.

"Gebt mir ein paar Minuten", bat sie, "das ist erst mein dritter Kaffee heute und generell haben mich heute schon wieder mindestens fünf Leute aufgeregt. Mach dies, mach jenes... Und das um sieben Uhr morgens, obwohl die gesamte Schule weiß, dass ich ohne Kaffee wirklich zu GAR NICHTS zu gebrauchen bin." Sie atmete einmal tief ein und trank einen Schluck.

Ihr Blick blieb an der Blüte hängen, die nun langsam vor sich hin trocknete.

"Gute Arbeit, Joanne.", wandte sie sich an das Mädchen mit dem unordentlichen Dutt, das nun bei ihren Freunden auf der Bank saß und die Farbe von ihren Händen rieb.

"Du bist schon sehr weit gekommen. Achte nur darauf, die Tiefe nicht zu sehr zu betonen, sonst wirkt es unecht.", urteilte sie und Joanne nickte.

"Gut.", nickte auch Ms. Leech, während ihr Blick an mir hängen blieb. "Wie ich sehe, haben wir eine neue Schülerin...", sie stockte kurz und überlegte. "Rose...?", zog sie meinen Namen fragend in die Länge und sah mich an. "Rose war doch richtig, oder? Oder willst du bei deinem vollen Namen genannt werden?"

Ich schüttelte den Kopf. "Rose reicht.", erhob ich die Stimme.

Erleichtert seufzte Ms. Leech auf. "Super. Ich bin unfassbar schlecht im Namen merken, also verzeih mir bitte, wenn ich den immer mal wieder vergesse.", meinte Ms. Leech entschuldigend.

Dann sah sie wieder zur ganzen Klasse. "Dann erklärt Rose doch bitte einmal, was es mit dem Konzept des Raumes hier auf sich hat. Ich frühstücke währenddessen, also lasst euch nicht stören."

Fünf Minuten später wusste ich, dass der Raum in jeder Freistunde zugänglich war und es den Schülern gestattet war, die Wände zu bemalen. Immer vor den Weihnachtsferien wurde der Raum dann weiß überstrichen, sodass für das neue Jahr wieder Platz für Zeichnungen war.

"Und wenn man sich anstrengt", mischte sich Ms. Leech ein, die jetzt entspannt auf ihrem Pult saß und ihren halb gegessenen Apfel in der Hand hielt, "dann wird die Zeichnung auch im Unterricht besprochen. Manche haben echt einen schönen Interpretationsspielraum."

Damit schwang sie sich vom Pult und stellte sich gerade hin.

"So. Fangen wir an.", verkündete sie und hielt ihren angebissenen Apfel in die Höhe.

Be QuietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt