- Prolog -

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4 Jahre zuvor

„Kylan!" Seine Mutter schaute ihn aus tränenverquollenen Augen an. Ihr Körper zitterte und ihre Unterlippe bebte.

Sofort wusste er, dass etwas Grausames passiert sein musste.

„Mum." Das war das einzige Wort, das er über die Lippen brachte. Der aufgelöste Zustand seiner Mutter setzte ihn zu sehr unter Schock, als dass er noch etwas hinzufügen konnte.

„Weya, sie-" Die Frau mit den traurigen Augen brach mitten im Satz ab und sackte kraftlos zu Boden. Direkt rannte er zu ihr, um sich neben sie zu knien und sie in seine Arme zu schließen.

Er wusste, dass er in jenem Moment für sie beide stark sein musste.

„Die Ärzte-" Wieder schaffte es seine Mutter nicht, ihren Satz zu Ende zu führen.

So langsam wurde auch er selbst unruhig. Er wollte endlich wissen, warum es seiner Schwester in den vergangenen Wochen so schlecht erging.

„Leukämie."

Es war ein einziges Wort, das ihm die Kehle zuschnürte.

Ein einziges Wort, das sein Herz zersplittern ließ.

Ein einziges Wort, das seinem Leben den Sinn raubte.

Weya konnte nicht an Leukämie erkrankt sein – nicht sein kleiner Engel! Es musste einen anderen Grund für das Fieber, die Gelenkschmerzen und die Appetitlosigkeit geben.

„Nein", wisperte er deshalb leise, während die ersten Tränen über seine Wangen kullerten. Er würde seine Schwester nicht an den Krebs verlieren! Niemals!

„Die Ärzte..." Seine Mum schluckte einmal schwer. „Sie geben ihr nicht mehr viel Zeit. Weyas einzige Chance ist eine Chemotherapie, doch dazu fehlt uns das Geld. Seit dein Vater gegangen ist, kommen wir nur noch ganz knapp über die Runden, Kylan."

Es schockierte ihn, wie ernst und gefasst seine Mutter plötzlich sprach.

Und da wurde ihm erst so richtig bewusst, dass er seine kleine Schwester eventuell schon längst an den Blutkrebs verloren hatte.

Was, wenn es bereits zu spät war? Hatte Weya überhaupt noch eine Chance?

„Was kann ich tun, um unserem kleinen Engel zu helfen?"

Seine Mum brach erneut in Tränen aus. Wie eine Ertrinkende, die nach Halt suchte, klammerte sie sich an seinen Schultern fest. „Du kannst nichts tun, Kylan", schluchzte sie leise. „Ohne Geld können wir deiner Schwester nicht helfen."

Geld...

Wie konnte er in möglichst kurzer Zeit an möglichst viel Geld gelangen?

„Ich habe eine Idee!"

Begleitet von einem Hoffnungsschimmer wischte er sich die Tränen von den Wangen, ehe er in seine Sneaker schlüpfte und sich die schwarze Kapuze seines Hoodies tiefer in die Stirn zog.

Es gab nur einen einzigen Ausweg, um Weya zu helfen.

„Was hast du vor, Kylan?"

„Ich rette meine Schwester!" Und mit diesen Worten tauchte er zum ersten Mal in der Dunkelheit der Nacht unter.

Der Dieb der HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt