8 - Die erfundene Freundin

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Ein Monat Hausarrest, ein gebrochener Arm, drei gebrochene Rippen, ein verstauchtes Bein, eine verstauchte Nase und ein riesiger Bluterguss am Bauch sind die Konsequenzen meines nächtlichen Kampfes mit dem Knochenbrecher.

Eine weitere Auswirkung, die mit dem Hausarrest einhergeht, ist die Tatsache, dass ich Shay einen Monat lang nicht sehen kann.

Ganz schön verrückt, dass wir uns zwei Monate nicht begegnet sind, dann einen Tag Kontakt zueinander hatten und uns letztlich wieder einen Monat nicht sehen können.

Dieses Mal bin ich allerdings beruhigt, da ich weiß, dass die Brünette in Sicherheit ist. Ihr psychopathischer Vater kann ihr nichts mehr antun.

„Na, mein Junge, wie fühlt sich die Freiheit an?", neckt mich meine Mum, als ich nach einem Monat Hausarrest zum ersten Mal wieder einen Fuß vor die Haustür setze. Sofort empfängt mich die lauwarme Herbstluft, die mich automatisch lächeln lässt.

Der Herbst ist mit Abstand meine liebste Jahreszeit. Ich mag es, dabei zuzusehen, wie sich die Blätter bunt färben oder wie die Kinder aus unserer Nachbarschaft ihre Drachen steigen lassen.

„Die Freiheit ist ein Geschenk", murmele ich nach einer Weile lächelnd. „Am besten feiern wir das mit einem Eis."

„Oh ja!", stimmt mir Weya direkt begeistert zu.

In den vergangenen Wochen habe ich viel Zeit mit meiner kleinen Schwester verbracht, sodass sich unsere ohnehin schon innige Bindung noch mehr verfestigt hat.

Zwar habe ich gemerkt, wie es meinem Engel zwischenzeitlich immer schlechter ging, aber ihr zuliebe habe ich auf meine nächtlichen Ausflüge verzichtet und bin bei ihr im Bett geblieben. Außerdem wollte ich keine Verlängerung meines Hausarrestes riskieren.

„Na schön, ich muss aber noch ein paar Besorgungen machen. Ihr zwei könnt euch währenddessen ein leckeres Eis kaufen. Ich komme dann in einer halben Stunde zu Giovannis Eisdiele, einverstanden?" Mum wirft Weya und mir einen fragenden Blick zu, weshalb wir schnell nicken. Daraufhin verabschiedet sie sich lächelnd von uns und schlägt den Weg Richtung Drogeriemarkt ein.

Meine Schwester und ich hingegen schlendern in die Innenstadt und albern dabei herum.

„Du musst mich Huckepack tragen, Kylan", kichert die Blauäugige vergnügt. „Ansonsten glaube ich dir nämlich nicht, dass du so stark wie dieser grüne Hulk bist."

Ohne zu zögern gehe ich vor Weya in die Hocke und warte darauf, dass sie auf meinen Rücken klettert.

Die gebrochenen Rippen sind zum Glück schon verheilt und auch meinen Arm kann ich fast wieder normal bewegen.

„Halte dich gut fest, Prinzessin!" Im Einklang mit meinen Worten beschleunige ich mein Tempo, bis ich schließlich wie ein Irrer durch die Fußgängerzone sprinte. Zwar werfen mir die anderen Menschen schräge Blicke zu, doch das nehme ich für Weyas sorgloses und glückliches Lachen gerne in Kauf.

Ich wünschte, mein kleiner Sonnenschein könnte öfter so losgelöst sein.

Ein bitterer Beigeschmack breitet sich auf meiner Zunge aus, als ich meine Geschwindigkeit drossele und Weya wieder auf ihren eigenen Füßen abstelle.

Warum muss ausgerechnet sie von diesem dämlichen Krebs zerfressen werden? Ich weiß, dass meine Schwester die stärkste Person auf dieser Welt ist, doch irgendwann wird auch sie kraftlos zusammenbrechen. Vor diesem Tag graut es mir ehrlich gesagt jetzt schon.

„Kylan?"

Ich zucke zusammen, als mein Name wie ein Kanonenschuss durch die Luft hallt.

Einen kurzen Moment schaue ich mich orientierungslos um, bis mein Blick auf bernsteinfarbene Augen trifft.

Der Dieb der HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt