4 - Weinende Herzen

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Als ich meine schweren Augenlider öffne, werde ich sofort von grellen Sonnenstrahlen geblendet.

Intuitiv möchte ich mir die Hand vor das Gesicht halten, um mich von dem Licht abzuschirmen, doch diesen Part übernimmt überraschenderweise eine andere Person für mich.

Weya.

Mit tränenüberströmten Wangen stellt sie sich vor mich und schluchzt leise.

„Prinzessin", wispere ich besorgt. „Was ist denn los?" Anstatt mir zu antworten, krabbelt meine kleine Schwester zu mir ins Bett und schmiegt sich vorsichtig an meine Brust.

Seit wann ist mein Bett so eng, dass kaum noch ein Blatt Papier zwischen Weya und mich passen würde?

Erst jetzt realisiere ich, dass das hier gar nicht mein Zimmer ist.

Wo zum Teufel bin ich?

Der Raum, in dem ich mich derzeit befinde, ist komplett weiß gehalten. Neben einem Schrank und dem Bett, in dem ich mit meiner Schwester liege, befindet sich nur noch ein Stuhl in dem Zimmer.

Auf diesem besagten Stuhl sitzt meine Mutter.

Tiefe Schatten liegen unter ihren Augen, wohingegen ihre Stirn von Sorgenfalten geziert wird. Ebenso wie bei Weya sind auch ihre Wangen tränenüberströmt.

Was ist bloß passiert? Ist jemand gestorben? Hat sich Weyas Gesundheitszustand verschlechtert?

„Mum." Da ich nicht weiß, wie ich das Chaos in meinem Kopf bändigen kann, belasse ich es bei diesem einen Wort. Es reicht allerdings aus, damit sich meine Mutter die Hand vor den Mund hält und weitere Tränen des Kummers vergießt.

Ich wünschte, ich könnte sie von ihrer Trauer erlösen, aber dafür müsste ich zunächst einmal wissen, warum sie überhaupt so aufgelöst ist.

Ob ihr Zustand wohl mit mir und diesem sterilen Zimmer zusammenhängt? Oder ist eventuell doch meine kleine Schwester der Auslöser für all die Tränen?

„Wir hatten ganz große Angst um dich", lenkt schließlich Weya meine Aufmerksamkeit auf sich. Noch immer schmiegt sie sich an meine Brust und wimmert leise. „Ganz ganz große Angst, Kylan."

Um mich? Wieso haben sich Weya und Mum um mich gesorgt?

Ich verstehe gar nichts mehr.

„Wie-Wie meinst du das?", möchte ich unsicher wissen.

Weder Weya noch Mum antworten mir.

„Sagt mir jetzt sofort, was hier los ist!", erhebe ich verzweifelt meine Stimme. Während ich das sage, durchzuckt ein feuriger Schmerz meinen Körper, der mich qualvoll aufschreien lässt.

„Kylan!" Dieses Mal ist es meine Mutter, die schreit – aber nicht vor Schmerz, sondern vor Sorge. „Bleib gefälligst ruhig liegen und beweg dich nicht! Die Ärzte haben gesagt, dass du Ruhe brauchst!"

Die Ärzte?

Es dauert ein paar Sekunden, bis mir bewusstwird, dass dieses sterile Zimmer ein Krankenhauszimmer ist.

Verdammt!

Was ist mit mir passiert?

So sehr ich mich auch bemühe die vergangenen Stunden Revue passieren zu lassen, außer einem schwarzen Schleier sehe ich nichts. Jede einzige Erinnerung scheint in düsteren Nebel gehüllt worden zu sein.

„Beruhige dich bitte, Kylan!" Meine Mutter steht mittlerweile neben mir am Bett und hält meine Hand. „Du hattest sehr viel Glück, mein Schatz."

Ich habe absolut keine Ahnung, wovon sie redet.

Der Dieb der HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt