5 - Schüsse der Vergeltung

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Noch nie in meinem Leben sind mir zwei Monate wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen – noch nie, außer jetzt.

Zwei verdammte Monate dauert es, bis die Wunde an meinem Bauch verheilt und ich mich wieder normal bewegen kann.

Zwei verdammte Monate ertrinken meine Mum und Weya beinahe täglich in einem Strudel aus Kummer und Sorgen.

Zwei verdammte Monate sitzt mir die Polizei im Nacken, damit ich meine Aussagen zu jener Nacht tätige.

Doch das alles ist gar nicht das Schlimmste an diesen zwei Monaten.

Das Schlimmste ist, dass ich Shay zwei verdammte Monate nicht sehe.

Ich traue mich nicht, sie in ihrer Villa zu besuchen, wenn ich körperlich immer noch einem verwundeten Soldaten Konkurrenz mache. Um sie zu beschützen, muss ich fit und konzentriert sein, schließlich ist ihr Vater gefährlicher, als ich dachte.

„Wo willst du hin, junger Mann?", fängt mich meine Mutter mit verschränkten Armen vor der Haustür ab. Obwohl es mir schon seit einigen Wochen wieder gut geht und der Arzt meine Genesung bestätigt hat, ist sie immer noch besorgt um mich und bewacht mich wenn möglich auf Schritt und Tritt.

Ich weiß natürlich, dass sie es nicht böse meint, aber ihre Überfürsorglichkeit nervt mich so langsam ein bisschen.

„Ich gehe ins Boxstudio", antworte ich nach kurzer Überlegung wahrheitsgemäß.

„Ins Boxstudio?", wiederholt Mum ungläubig. „Du lagst noch vor zwei Monaten schwerverletzt im Krankenhaus, Kylan. Denkst du wirklich, dass es eine gute Idee ist, jetzt mit dem Boxen anzufangen?"

„Ja!"

Ich muss endlich lernen, wie ich mich verteidigen und andere Menschen beschützen kann. Hätte ich das nämlich schon vor zwei Monaten gewusst, hätte ich den Messerangriff von Shays Vater eventuell abwehren können.

Zwar kann ich meine Fehler aus der Vergangenheit nicht mehr revidieren, aber dafür liegt es in meiner Hand, wie ich die Zukunft gestalten werde.

„Na schön", seufzt Mum glücklicherweise nach einer Weile. „Pass aber bitte auf dich auf und mute dir nicht zu viel zu, okay?" Ihr Blick ist so ängstlich und flehend, dass es mir eiskalt den Rücken hinabläuft. „Ich möchte nicht in der Angst leben müssen, jede Sekunde meine beiden Kinder an den Tod verlieren zu können."

Die Worte meiner Mutter sind wie ein Schlag ins Gesicht – nur härter und mitten ins Herz.

„Mir passiert nichts, Mum", versichere ich ihr mit einem Kloß im Hals. „Versprochen!" Um die Aufrichtigkeit meines Schwurs zu unterstreichen, hauche ich ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, ehe ich meine Sporttasche schultere und mich dann auf den Weg zum FIGHT mache.

Die heiße Sommersonne scheint erbarmungslos auf mich nieder, als ich durch die verwinkelten Gassen schlendere und mal wieder schockiert feststelle, in welch einer heruntergekommenen Gegend meine Familie und ich leben.

Weya sollte in einem sicheren Umfeld aufwachsen und nicht in der Drogenszene höchstpersönlich.

Die Gedanken daran, dass ich meiner Schwester und meiner Mutter aktuell keine bessere Wohnmöglichkeit bieten kann, verfolgen mich bis ins Boxstudio. Erst als ich mich umgezogen habe und die Trainingsfläche betrete, richtet sich meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes – besser gesagt auf eine andere Person.

Ein Mädchen, das ihre Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden hat und kurze Sportsachen trägt, schlägt wie verrückt auf einen Boxsack ein.

In allen anderen Boxstudios wäre das vermutlich nichts Ungewöhnliches, aber in dieser Gegend sollten sich Mädchen lieber vom FIGHT fernhalten.

Der Dieb der HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt