Die Turmuhr schlägt Mitternacht, als ich das FIGHT erreiche.
Mein Herz rast, mein Magen schlägt Salti und ich zittere. Alles in mir schreit danach, auf dem Absatz kehrt zu machen und so schnell wie möglich von diesem Ort zu verschwinden, doch letztendlich ignoriere ich dieses Gefühl und betrete auf wackeligen Beinen das Boxstudio.
Im Inneren der Halle herrscht reges Treiben.
Überall stehen Menschen, die sich entweder miteinander unterhalten oder mit ihren Bierflaschen anstoßen. Im Hintergrund läuft laute Musik, sodass ein Chaos aus Tönen erklingt.
Die Kombination aus Alkohol, Musik und schummrigen Lichtern macht mich zugegeben ganz verrückt.
Ich möchte nicht hier sein.
Auch wenn meine Wunde am Bauch nach den heutigen Strapazen nicht aufgeplatzt ist, fühle ich mich wie ein verwundeter Soldat. Ich kann kaum auf meinen eigenen Beinen stehen und ständig dreht sich alles in meinem Kopf.
Warum zum Teufel war ich bloß so dämlich und habe Snake heute Nachmittag um Hilfe gebeten? Ich hätte wissen müssen, dass er dafür eine Gegenleistung verlangen würde.
So läuft das nun einmal in dieser Gegend ab – die eine Hand wäscht die andere.
„Ah, da bist du ja endlich", ertönt wie aufs Stichwort die Stimme des Grünhaarigen. „Und wie ich sehe, keine Minute zu spät." Als wären wir die besten Freunde klopft mir Snake brüderlich auf die Schulter, ehe er mich durch die Menschenmenge zu den Umkleidekabinen führt.
Tatsächlich reguliert sich mein rasender Herzschlag ein wenig, sobald ich von dem tosenden Lärm abgeschirmt bin.
„Hör mir jetzt gut zu, Alter." Snake geht vor mir in die Hocke, um mir bedrohlich in die Augen schauen zu können. „Es sind eine Menge Leute hier, die sehr viel Geld auf den Knochenbrecher gesetzt haben. Denk also bloß nicht daran, da draußen deine eigene Show abzuziehen, klar?"
Ohne es verhindern zu können, entflieht mir ein spöttischer Laut.
Hat Snake ernsthaft Angst, dass ich einen amtierenden Boxchampion besiegen könnte? Das ist lächerlich. Vermutlich wird es nicht mal drei Minuten dauern, bis mich der Knochenbrecher k.o. geschlagen hat.
„Klar", murmele ich schließlich leise. „Nach diesem Kampf sind wir aber quitt, oder?"
„Natürlich, Mann", erwidert Snake grinsend. „Ich habe dir einen Gefallen getan und jetzt tust du mir einen Gefallen. Zieh dich um und komm dann in zehn Minuten hinter den Boxclub." Mit diesen Worten stürmt der Grünhaarige aus der Umkleidekabine und lässt mich allein mit meinen kreisenden Gedanken zurück.
Noch hätte ich die Chance, von hier zu verschwinden.
Für einen kurzen Moment ziehe ich es sogar tatsächlich in Betracht, das Weite zu suchen, doch dann erinnere ich mich an Snakes Drohung.
„Solltest du nicht erscheinen, wird deine kleine Freundin die Konsequenzen tragen müssen."
Automatisch breitet sich eine unangenehme Gänsehaut auf meinem Körper aus. Mir ist bewusst, dass es verrückt klingt, aber um Shay zu schützen, würde ich mich jederzeit freiwillig von dem Knochenbrecher verprügeln lassen.
Alles ist gut, solange Shay in Sicherheit ist.
Die Gedanken an die brünette Schönheit verfolgen mich noch die nächsten zehn Minuten. Erst als ich die Boxhalle verlasse und mir die kalte Nachtluft entgegenschlägt, verschwindet sie aus meinem Kopf.
Mehrere hundert Menschen haben sich in einem Kreis hinter dem FIGHT versammelt und grölen lautstark. Wie es scheint, jubeln sie einer Person in ihrer Mitte zu.
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Der Dieb der Herzen
ActionKylan Jones bricht seit mehreren Jahren in Häuser ein, um Wertgegenstände zu entwenden. Während ihn die Polizisten als „kriminellen Verbrecher" bezeichnen, ist er in Wahrheit bloß ein verzweifelter Bruder, der Geld für seine krebskranke Schwester au...