Gebrochen

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Zerbrochen, so fühlte ich mich seit Caleb den Raum verlassen hatte. Alles in meinem Kopf drehte sich und mein Herz lag nur noch leise pochend in dieser tiefen Leere meiner Brust. Erst, als mir plötzlich jemand seine Hand auf die Schulter legte, erwachte ich aus meiner Starre und zuckte zitternd zusammen.

"Alicia, keine Angst, ich bin's. Caleb meinte, es geht dir nicht gut." Killian hockte sich vor mich hin und schaute mir mitfühlend in die Augen, während er seine Hände schützend  auf meine legte.

Klar meinte Caleb sowas, aber dass er der Grund dafür war, hatte er anscheinend nicht erwähnt. Ohne seinen Blick von mir zu nehmen, hob Killian mich sanft hoch und trug mich auf seinen starken Armen heraus aus dem Büro. Ich verschränkte meine Hände hinter seinem Hals und zog seinen Geruch nach Zitronen tief in mich ein, während er mich immer wieder besorgt musterte und vorsichtig die Treppe herunterlief, um mich anschließend im Bad vor der Duschkabine abzustellen.

"Geh in Ruhe duschen. Ich warte drüben auf dich." Er streichelte mir liebevoll über meine Wange und als er seine Hand dann wegziehen wollte, hielt ich sie fest und gab ihm einen festen Händedruck. Ich wollte nicht alleine sein, erst Recht nicht mit der Aussicht darauf, bald eine Ausgestoßene zu sein und dazu verdammt, qualvoll zu vereinsamen. Sein Blick wurde traurig und nichtsahnend, was zwischen mir und seinem Vater geschehen war, dachte er bestimmt, ich würde die Situation vom Strand verarbeiten. Meine Lippen konnten kein Wort heraus bekommen, doch die Mateverbindung konnte direkte Gedanken übertragen und das war meine einzige Möglichkeit, mich ihm mitzuteilen.

Lass mich nicht alleine.

Er schaute mich wehmütig an und nahm mein Gesicht sanft in seine Hände.
"Du wirst nie wieder alleine sein. Ich verspreche es dir", flüsterte er und fing dann vorsichtig an, mir die nassen Klamotten ganz langsam und behutsam auszuziehen, als wollte er mich nicht mit zu schnellen Bewegungen verschrecken.

Nackt stand ich schließlich vor ihm und eigentlich wäre mir das total peinlich gewesen, doch nicht an diesem Tag, an dem sich alles verändert hatte. Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich zusammenriss, mir nur in die Augen zu schauen und sich dann von mir abwandte, um das Wasser der Dusche aufzudrehen. Erst als das Wasser schön warm herunterprasselte, gab er mir mit einem Nicken das Zeichen, dass ich reingehen könnte.

Vorsichtig tapste ich in die Kabine und ließ das Wasser seine Arbeit tun. Während er mir den Rücken einseifte und ich dem Dreck dabei zusah, wie er im Abfluss verschwand. Ich konnte nichts dagegen tun, dass ich plötzlich bitterlich anfing zu weinen, obwohl ich noch kurz versuchte, es zu unterdrücken.

Er bemerkte meinen Gefühlsausbruch sofort und kam trotz Kleidung in die Duschkabine rein, um mich schützend in seine Arme zu nehmen. Das warme Wasser floss an uns herunter, während ich mein Gesicht an seiner Brust versteckte und hier nie wieder weg wollte. Nie wieder wollte ich raus in diese beschissene Welt, die so ungerecht schien. Killian zog mich fester an sich heran und streichelte beruhigend über meinen Rücken, während ich weiter vor mich hinschluchzte und das Gefühl hatte,  zusammenzubrechen.  Nach einer Weile versuchte er sich zu lösen, um nach einem Handtuch zu greifen, doch ich ließ es nicht zu und zog ihn noch enger an mich heran.

"Alicia, du musst schlafen und das alles verarbeiten. Ich geh nicht weg, keine Angst." Er nahm mit einer Hand mein Kinn und schaute mir tief in die tränenden Augen, bis ich ihm zunickte und ihn zitternd los ließ.

Nachdem er den Wasserhahn zugedreht hatte, stieg er aus der Dusche und nahm das große Handtuch an sich, um es dann wärmend um meinen Körper zu legen und mich dann anschließend wieder auf die Arme zu heben. Ich schmiegte mich erschöpft an ihn und schloss die schwer gewordenen Lider. Im Halbschlaf bekam ich noch mit, dass er mich sanft auf dem Bett herunterließ und sich dann seiner Klamotten entledigte. Als ich dann von ihm an seine nackte Brust gezogen wurde und die gewohnte Geborgenheit mich ummantelte, schlief ich schnell ein. Das war definitiv zu viel Stress für einen so kurzen Tag.

Killian

Da lag sie nun, zerbrochen und das nur meinetwegen. Ich wollte sie doch nur beschützen und hatte nicht die Absicht, ihr damit zu schaden. Leise hörte ich ihren schwachen Herzschlag und machte mir schlimme Vorwürfe. Wieso sollte ihr jemand schaden wollen und wer waren diese Wölfe, dass sie so abscheuliche Gedanken über sie hatten? Wie konnte überhaupt jemand schlecht über sie denken, fragte ich mich, denn für mich war sie wie ein perfektes Gemälde, mit ihrer kleinen Nase, den leichten Wellen in ihren braunen Haaren und den außergewöhnlichen Farben ihrer Augen, die mich um den Verstand brachten. Ich könnte sie stundenlang betrachten und das waren keine Mategefühle, die dienten nur dem Verlangen und der Fortpflanzung und würden mich jetzt über sie herfallen lassen. Meine Gefühle waren rein, ohne Hintergedanken und auch wenn sie an diesem Abend nackt neben mir lag, wollte ich nur für sie da sein und verschwendete keinen einzigen Gedanken an Sex. Ich wollte nur einmal ihr Lachen hören und das Funkeln ihrer Augen sehen und müde schloss ich meine Augen, um mir das alles vorzustellen und schlief dann mit einem Lächeln neben meiner Kleinen ein.

***

Ein leises Klopfen weckte mich aus dem Schlaf. Alicia lag immer noch auf meiner Brust und atmete ruhig ein uns aus, was mir kurz ein Grinsen auf die Lippen zauberte. Als ich mich an sie herankuscheln wollte, ertönte ein erneutes Klopfen, dass lauter schien als das Erste.

"Ich komme gleich runter", flüsterte ich genervt und verdrehte die Augen. Ein letztes Mal warf ich der wunderschönen Frau auf meiner Brust einen verliebten Blick zu, um mich dann widerwillig aus ihrer Umarmung zu befreien. Vorsichtig und bemüht, sie nicht zu wecken, legte ich ihr ein Kissen in die Arme, genau dorthin, wo ich zuvor lag. Nachdem ich meine Kleidung angezogen hatte, verließ ich schleichend das Zimmer und stampfte wütend die Treppe herunter, wo Damiano, Resul und Caleb am Esstisch standen und mich besorgt anstarrten.

"Was ist los?", fragte ich sauer darüber, von Alicia weggeholt worden zu sein und zog finster eine Augenbraue hoch.

"Setz dich, Killian."
Caleb schob mir einen Stuhl entgegen und setze sich dann selbst an das Kopfende, um darauf zu warten, dass alle Platz nahmen, erst dann fing er an.
"Ihr Drei müsst heute noch aufbrechen. Es kam seit Jahren nicht mehr vor, dass Wilde unseren Alpha angegriffen haben. Das zeugt davon, dass sie keinen Respekt vor dir haben, Killian. Das liegt an diesem Mädchen. Du musst in den Norden fahren, vielleicht kannte jemand die weiße Wölfin, vielleicht wird sie sogar vermisst", sprach er ruhig und trotzdem lag ein Befehl in seinen Worten.

Ich hätte am Liebsten den Tisch durch das Fenster geschmissen. Wie konnte er Alicia die Schuld für meine Schwäche geben. Sie war an überhaupt nichts Schuld, ganz im Gegenteil. Sie brachte meine gute Seite zum Vorschein und durch sie hörte ich mehr auf mein Herz, als auf meinen Verstand, dem ein lebenlang nur eingetrichtert wurde, ein kalter, starker  Alpha zu sein. Ein lautes Knurren entfuhr meiner Kehle als ich mich wieder zu ihm wandte.

"Wenn du noch einmal meine Stärke anzweifelst, wirst du schon sehen, was für ein Alpha in mir steckt, Vater. Außerdem werde ich Alicia nicht alleine lassen, nicht eine Sekunde, nachdem, was passiert ist! Was soll es überhaupt bringen, zu wissen, wer diese Wölfin war?", zischte ich ihn von der Seite an, doch er stand nur zornig auf, anstatt mir normal zu antworten.

"Du wagst es nicht noch einmal, mich anzuknurren! Vergiss nicht, wo dein Platz ist, Killian! Du bist der Alpha eines Rudels und es ist deine Pflicht, herauszufinden, warum sie dich und Resul angegriffen haben! Ich dulde keine Widerworte mehr. In einer Woche erwarte ich eure Rückkehr und um Alicia kümmere ich mich."

Knurrend verließ er das Haus, gefolgt von Damiano und Resul, die ihre Sachen packen gingen. Ich blieb fassungslos zurück und machte mir Gedanken darüber, wie ich das alles der zerbrochenen Frau erklären sollte, die meine Nähe nach dem Angriff mehr brauchte, als alles Andere.

The Alphas Mate - Unter dem Schutz der Rosen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt