Ein lauter Knall

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Im ersten Moment erstarrte ich kurz und überlegte, ob ich nach den anderen rufen sollte, doch machte mich dann alleine auf die Suche.

Das Geräusch hörte sich so an, als würde jemand mit geschlossenem Mund versuchen zu reden, was meinen Puls rasen ließ beim Durchsuchen der Räume. Killians und Calebs Büros waren leer, es kam von weiter hinten den Flur entlang. Vorsichtig öffnete ich eine dünne Tür, die anscheinend eine Art Abstellraum war, viel zu dunkel und nur Regale voller Ordner befanden sich darin. Beim Blick nach unten riss ich erschrocken die Augen auf, während blaue Augen mich hilflos zurück anstarrten.

"Oh mein Gott", flüsterte ich von einer Schockstarre eingenommen. Vor meinen Füßen saß Brando. Er war gefesselt und hatte viele blaue Flecken im Gesicht, durch die er kaum noch zu erkennen war.

Mit einem Ruck riss ich das Klebeband von seinem Mund ab und schaute ihm mitfühlend dabei zu, wie er hustete und keuchte. Er versuchte etwas zu sagen, doch ich verstand kein Wort von seiner gebrochenen leisen Stimme.

"Ich komme sofort wieder."
Wie in Trance rannte ich in Killians Büro und suchte nach einer Schere. Mit ihr in der Hand lief ich aufgeregt zur Treppe, schrie mehrmals nach Damiano und rannte dann zur Kammer zurück.
"Dreh dich um", wies ich ihn zitternd an und er drehte mir den Rücken zu, damit ich ihm vorsichtig die Fesseln lösen konnte, die an seinen Handgelenken offene Wunden hinterlassen hatten.

Damiano kam schnellen Schrittes angerannt und der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ohne zu zögern half er mir Brando auf die Beine zu stellen, der erschöpft versuchte mir etwas mitzuteilen, doch ich konnte immer noch nichts verstehen .
"Ich verstehe dich nicht. Du musst erstmal etwas trinken. Dein Hals muss ausgetrocknet sein."
Er kam nah an mein Ohr während Damiano ihn aufrecht hielt. Ohne die Hilfe des Großen wäre er wahrscheinlich direkt umgekippt.

Mein Herz pochte bei dem, was er mir ins Ohr flüsterte, meine Beine drohten zusammenzuklappen und mir wurde sofort bewusst, dass es der größte Fehler war, mit allen hier herzukommen. Ich ließ die Beiden stehen und rannte so schnell ich konnte die Treppe herunter, an Resul und Melina vorbei, die in der Tür standen und raus in die Sonne, die mich kurz blendete. Mein Herz überschlug sich und das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, ließ nur noch Schnappatmung zu. Ich rannte so schnell, dass ich mehrmals fast hingeflogen wäre, doch ich war trotzdem nicht schnell genug, denn nach einigen Minuten hörte ich einen lauten Knall und blieb wie erstarrt stehen.

Damiano

Umso länger ich unten im Wohnzimmer stand, umso mehr fing ich an meinen besten Freund zu vermissen. Er war schon viel zu lange weg. Ich lehnte mich an die Tür und schaute raus den Hügel herunter. Seit das mit Caleb passierte, war unsere kleine Stadt wie ausgestorben, was mich ziemlich traurig machte.

Melina und Resul kamen mit den Koffern herunter und setzten sich auf die Couch.
"Wo ist Alicia?", fragte ich und wandte mich ihnen zu.
"Sie kommt gleich. Hat wohl irgendwas vergessen", antwortete mir Melina während sie Resul anlächelte. Ich freute mich echt für meinen Bruder und unter anderen Umständen hätte ich ihm das auch gezeigt, aber die Sorgen lasteten schwer auf mir.

Mehrmals hörte ich plötzlich Alicia nach mir rufen, aber das war kein normales Rufen, eher ein panisches Schreien, das mir durch Mark und Bein ging.
"Stellt euch zur Tür. Ich komm gleich wieder", befahl ich den beiden bevor ich schnell die Treppe hochrannte.

Alicia stand vor dem Abstellraum und starrte hinein. Mir kam das ziemlich irritierend vor, doch als ich dann neben ihr stand, konnte ich erstmal nicht glauben, was ich da sah. Ich konnte kein Wort sagen, half dem Verletzten erstmal auf die Beine, doch er lehnte sich zu Alicia, um ihr etwas zu sagen und es brauchte viel Kraft meinerseits, ihn aufrechtzuhalten.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an und rannte plötzlich einfach weg. Erschrocken blickte ich Brando an, der aber halb ohnmächtig nichts mehr sagen oder machen konnte. Ich nahm ihn auf die Arme und trug ihn schnellen Schrittes die Treppe herunter. Resul ergriff mit Tränen in den Augen Melinas Hand, als er Brando sah.

"Wir müssen sofort ins Krankenhaus! Nimm den Schlüssel aus meiner Hosentasche", befahl ich ihm mit zitternder Stimme, doch er bewegte sich nicht mehr, starrte nur mit leerem Blick auf Brandos Körper.
"Resul!!!"

"Ich mach schon."
Melina holte die Schlüssel aus meiner Tasche und lief vor zum Wagen, öffnete ihn und hielt mir die Tür auf. Während ich Brando vorsichtig auf die Rückbank legte, zerrte Melina Resul zum Auto. Wir stiegen schnell ein und ich raste mit quietschenden Reifen los zum Krankenhaus. Dort angekommen rannte ich hinein um Kirsten zu holen, sie war zum Glück nicht bei einem Patienten.
"Komm mit zum Auto."
Sie lief mir hinterher und wies auf dem Weg noch zwei Pfleger an, eine Trage herauszuschieben.

"Ihr geht sofort rein, ihr bleibt dort bis-"
Ein lauter Knall ließ mich verstummen und wahnsinnig vor Angst drehte ich mich in alle Richtungen. Es war so laut, dass ich dachte, es hätte einen von uns getroffen, doch die Stadt war so klein, es konnte überall hergekommen sein. Plötzlich kam mir Alicia in den Kopf. Ich drehte mich zu Brando, der mittlerweile auf der Liege lag, um herauszufinden, was er Alicia gesagt hatte, doch er war nicht mehr ansprechbar.

Melina stand zitternd mit ihrem Gesicht an Resuls Schulter, er umarmte sie und blickte mich fragend an.
"Geht rein!", wies ich ihn an und stieg wieder in mein Auto. Kurz nachdem die beiden im Krankenhaus verschwunden waren, rief ich Killian an. Es dauerte eine Zeit, bis er ranging, was mich nur noch wahnsinniger machte.

"Damiano?"
"Du musst sofort zurückkommen, Killian."
"Wieso, was ist los?"
"Wir haben Brando verletzt im Rudelhaus gefunden und Alicia ist weggerannt. Ich weiß nicht, wo sie ist."
"Wie du weißt nicht, wo sie ist?!"

Er schrie so laut ins Telefon, dass ich es kurz von meinem Ohr weghalten musste. Danach hörte ich nichts mehr, bis das Zeichen kam, dass er aufgelegt hatte. Panisch schmiss ich das Handy auf den Beifahrersitz und drehte den Schlüssel um, um loszufahren und sie zu finden.

The Alphas Mate - Unter dem Schutz der Rosen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt