Hallo Wand

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Vier Tage waren vergangen, seit Noah mir die Geschichte seiner großen Liebe erzählt hatte. Vier Tage, in denen ich in diesem Zimmer lag und die weiße Wand anstarrte. Ich stand nur auf, um auf die Toilette zu gehen oder etwas Neues zu Trinken zu holen. Meinen Vater rief ich auch mehrmals an, um ihm zu erzählen, dass alles gut sei. Der Gedanke daran, dass er sich Sorgen machte, war mir unangenehm, deswegen war lügen der einfachere Weg.

Während ich so da lag, dachte ich über die letzten Tage nach, die mich durch das reinste Chaos tauchen ließen. War ich am Anfang einfach nur ein Mädchen aus dem Westen, letzte Woche noch die Mate eines Alphas, so war ich an jenem Tag nur noch eine leere Hülle. Ein Schatten meiner selbst.

Ich versuchte, nicht so viel über mich selbst nachzudenken, denn ich war sowieso schon immer ein Mensch, der sich eher um andere, als um mich selbst kümmerte. Mein Dad sollte ohne Sorgen friedlich weiter leben können, mit dem Gewissen, ich hätte die große Liebe gefunden und wäre glücklich. Ich wollte das Killian sich keine Gedanken um mich machen musste, so lange er unterwegs war. Und Noah, der gerade klopfte und mich damit aus den Gedanken riss, sollte nicht wegen mir in Schwierigkeiten geraten.

"Kann ich dir etwas bringen?", fragte er mich wieder, was er gefühlt jede halbe Stunde tat. Sein Blick zeigte mir seine Sorge, doch ich wollte einfach nur alleine sein, auch wenn er das nicht verstehen konnte. Vielleicht verstand er es auch, wusste nur nicht damit umzugehen. Er gab sich täglich Mühe, leckere Suppen zuzubereiten, doch ich ließ mich meist nur darauf ein, sie zu essen, weil ich ihm gegenüber nicht unfreundlich sein wollte und um ihn damit wenigstens ein bisschen zu beruhigen.

"Nein, ich hab alles. Und nein, ich möchte heute keine Suppe mehr, aber danke", wich ich seinem Blick aus, drehte mich in die andere Richtung und wartete nur darauf, dass sich die Tür schloss, denn ich war bereit dazu, wieder stundenlang die Wand zu betrachten.

Was anderes blieb mir auch nicht übrig. Ohne den Schutz der Rosen würde Caleb mich sofort finden, also musste ich wohl liegen bleiben, bis ich alt und grau den Geist aufgeben würde. Vielleicht dachte er auch, ich wäre seiner Anweisung gefolgt und abgehauen ohne zurückzublicken, doch was würde das alles in Killian auslösen, wenn er in einigen Tagen nach Hause kommen und von seiner Mate würde jede Spur fehlen. Es zerriss mir das Herz, darüber nachzudenken. Die Sehnsucht nach ihm war durch die Makierung stärker denn je und nicht zu wissen, wo er war, oder was er gerade machte, schmerzte in jeder Faser meines Körpers.

Vielleicht war er auch schon wieder zurück und suchte die Wälder nach mir ab, während er durch das Ausbleiben meines Geruchs verzweifelte. Ich musste den Gedanken abschütteln, sonst würde ich daran zerbrechen. Irgendwas wollte ich mir überlegen, um Caleb zu stoppen. Doch was hätte ich nur tun sollen, es war alles zu riskant. Egal ob ich es Killian erzählt hätte oder nicht, einer hätte sterben müssen. Seine Mate zu verlieren hätte ihn umgebracht und mich gleich mit.

Ich drehte mich auf den Bauch und schrie vor Schmerzen ins Kissen. Diese unbändige Wut auf Caleb zerstörte meinen Verstand, zerstörte alles in mir. Doch ich musste mich zusammenreißen und einen klaren Kopf bewahren, also drehte ich mein Gesicht wieder zur Seite.

Hallo Wand....

Killian

Auf dem Weg nach Hause war ich einfach nur froh, dass ich Alicia wieder in die Arme nehmen konnte. Über die weiße Wölfin wusste keiner etwas, also war dieser Ausflug sowieso völlig sinnlos. Ich vermisste sie so unglaublich. Ihren Geruch, ihre Augen und ihr Lächeln. All das ließ mein Herz höher schlagen und wie verrückt tanzen. Ich hoffte, sie wäre nicht sauer darüber, dass ich weg musste, aber sie hatte sich von mir markieren lassen, also würde sie sich sicher genauso freuen, wie ich mich.

Dass die letzten Tage niemand ans Telefon ging, beunruhigte mich nicht. Es stand oben im Büro und Alicia wäre viel zu schüchtern gewesen, um einfach an ein fremdes Telefon zu gehen. Lächelnd sagte ich ihren Namen gedanklich immer und immer wieder. Sie brachte mich um den Verstand und umso näher ich meinem Zuhause kam, umso ungeduldiger rutschte ich auf dem Ledersitz hin und her.

Damiano fuhr genauso schnell wie immer und das war mir zum ersten Mal sogar recht. Umso schneller, umso besser. Das Resul bei dem Tempo so friedlich schlafen konnte, wunderte mich nicht. Er war es von kleinauf gewohnt und vertraute seinem Bruder.

Als ich in der Ferne endlich unser Rudelhaus sah, schlug mein Herz doppelt so schnell wie sonst. Meine Hände wurden warm und ein angenehmes Kribbeln breitete sich in meinem ganzen Körper aus, während mein Atem sich beschleunigte. Gleich würde ich ihr endlich wieder nahe sein, sie behutsam auf meinen Arm legen und einfach mit ihr zusammen einschlafen. Das vermisste ich am meisten, und ich wusste damals nicht, dass meine Rückkehr alles andere als schön werden würde.

Ich sprang schon aus dem Auto ehe es angehalten hatte und rannte wie ein Wahnsinniger durch die Tür. Ich vernahm ihren Geruch nicht, was mich ziemlich nervös machte und rannte die Treppen hoch in unser Zimmer. Doch hier war auch nichts. Nicht einmal die kleinste Prise der Mischung aus unseren Gerüchen flog mir entgegen und langsam wurde ich panisch und fuhr mir nervös durch die Haare.

Flüchtig sah ich in den Spiegel, nahm mein verwirrtes Gesicht wahr und verließ daraufhin das Zimmer, um jeden Winkel des Hauses abzusuchen. Ich knurrte auf, bei dem Gedanken, sie wäre bei einem Anderen. Aber sowas würde sie nicht tun, denn so ein Mensch war sie nicht und sie würde mich niemals so verletzen.

Plötzlich hörte ich die Eingangstür und rannte die Treppe herunter. Um ein Haar hätte ich mich beinahe noch überschlagen, doch meine Freude verpuffte, als da nur Caleb stand und mich irritiert musterte.

"Du suchst Alicia, richtig?", fragte er mit einem Grinsen im Gesicht und schloss die Haustür hinter sich.
Wie konnte er mir so eine dumme Frage stellen und dann auch noch so dreist grinsen?

"Wo ist sie?!", wollte ich zähneknirschend von ihm wissen und lief ein paar Schritte auf ihn zu.

"Sie ist gegangen."
"In die Stadt?"
"Nein, Sohn. Sie ist gegangen."
"Gegangen? Was meinst du mit gegangen? Rede endlich Klartext!" Ich wurde lauter und ballte vor Wut meine Hände zu Fäusten.
"Ich meine es so, wie ich es sage und es tut mir sehr leid für dich. Sie kommt nicht wieder zurück. Sie ist schon Tage weg. Keine Spur hat sie hinterlassen. Sie hat mich ausgetrickst und ist gegangen, als ich schlief. Ich hatte keine Chance, sie zu verfolgen." Er trat an mich heran und legte mir beruhigend seine Hand auf die Schulter.

Seine Worte zerrissen mich von Innen nach Außen und ließen mich innerlich ersticken. Wie eine Kerze, der man den Sauerstoff entzog. Mein Vater nahm mich in den Arm und ich konnte nicht anders, als meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Meine Tränen fielen auf seine Schulter, während mein Herz drohte zu sterben und alles um mich herum verschwamm. Ich sackte auf die Knie und war bereit, mir eine Kugel zu verpassen. Es war mir nicht möglich, das alles zu realisieren. Ich wollte nur noch hier raus und sie suchen. Es musste eine Erklärung für alles geben. Vielleicht würden wir sie noch finden und entschlossen dazu, sie wieder zu mir zuholen, fand ich den Weg zurück auf meine wackligen Beine.

Ich nickte meinem Vater bestimmend zu und machte mich dann sofort auf den Weg zu Damiano. Er würde einen klaren Kopf behalten und mir zur Seite stehen und vielleicht würden Alicia und ich bald wieder vereint sein. Das dachte ich noch, als ich den Hügel herunterrannte und mir gleichzeitig die immer noch laufenden Tränen wegwischte.


The Alphas Mate - Unter dem Schutz der Rosen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt