Die Rosen des Südens

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Schweißgebadet wachte ich in einem kleinem Zimmer auf, das außer einem Bett und einem kleinen Nachttisch nicht viel zu bieten hatte. Die Sonne knallte gegen das Fenster, das sich auf der Schräge über mir befand und brachte mir damit eine unerträgliche Hitze. Als ich die Decke dann von meinem Körper herunterschob, kam mir die Erinnerung des letzten Abends in den Sinn und damit auch wieder die Panik darüber, was eigentlich los war.

Da ich schnell abhauen wollte, bevor Noah mich Caleb ausliefern konnte, beachtete ich die Schräge über mir nicht mehr und knallte mit dem Kopf so fest dagegen, dass ich sofort wieder zurückfiel und mir fluchend an die Stelle des Schmerzes fasste. Es tat höllisch weh und ich musste mich zusammenreißen, vor Wut über meine Dummheit, nicht loszuschreien.

Du Idiotin...

Ein leises Klopfen lenkte mich von den Schmerzen ab und ich fühlte das starke Herzrasen, das schon eintrat, bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, wer wohl vor der Tür stehen würde. Ich versuchte irgendeinen Geruch zu erkennen, doch der beißende Geruch von Rosen trat mir tief in die Nase und brachte mich mehrmals zum niesen.

Die Tür öffnete sich langsam und Noah trat lächelnd mit einem Glas Wasser in der Hand ein, das er mir vorsichtig reichte, nachdem er ein paar Schritte auf mich zugemacht hatte. Ich setzte mich auf die Kante des Bettes, diese Mal bedachter und schaute ihm mit hochgezogener Augenbraue entgegen, während ich das Glas zögernd annahm.

"Ich will nicht respektlos klingen, aber woher soll ich wissen, dass ich nach dem Glas nicht wieder umkippe?"
"Es tut mir leid, Alicia. Ich wollte nur, dass du dich ein wenig ausruhst und wieder zu Kräften kommst. Du musst trotzdem immer noch völlig erschöpft sein und viele Fragen haben. Komm runter, wenn du bereit bist. Ich habe uns Frühstück gemacht", sprach er sanft und einfühlsam und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ich nippte kurz an dem Glas und er verließ daraufhin das Zimmer. Während ich das Glas dann auf dem verstaubten Nachttisch abstellte, dachte ich darüber nach, dass Noah einer der Guten sein musste. Hätte er irgendwas mit Caleb zutun gehabt, hätte ich sicher nicht mehr hier gesessen und mir den immer noch schmerzenden Kopf festgehalten.

Neugierig und hungrig fand ich dann schnell den Weg zur Tür und lief vorsichtig die schmalen Treppen herunter, um ihn anschließend im Wohnzimmer zu erwarten. Doch da war er nicht, aber als ich dann die offene Tür sah, die zum Garten führte, ging ich hindurch und wurde sofort von der grellen Sonne geblendet.

Erst als ich mir dann schützend die Hände über die Augen hielt, erkannte ich Noah, der an einem kleinen, gedeckten Tisch saß,  der umgeben von Rosen war.

Daher der Geruch.

Ich setzte mich ihm gegenüber und machte mir ein Bild von den leckeren Speisen und Getränken. Es gab Kaffee, Tee, Brötchen und Allerlei zum Belegen. Mein Blick fiel wieder auf Noah, der die Kanne mit Kaffe hochhielt und dankend reichte ich ihm meine Tasse und schmierte mir anschließend ein Brötchen mit Marmelade. Als wir dann schweigend vor uns hin kauten, konnte ich nicht anders, als die Stille zu unterbrechen, auch wenn es eine angenehm beruhigende Stille war.

"Woher weißt du, dass ich ein Mischling bin?", fragte ich ihn und legte mein Brötchen erstmal beiseite.
Er nahm einen Schluck Kaffee und schaute mich nur flüchtig an, um dann wieder ins Leere zu blicken.
"Ich kenne deinen Geruch, oder zumindest einen sehr ähnlichen. Schon sehr oft war ich in dem Vergnügen, ihm ausgesetzt zu sein. Die Frau, von der ich dir erzählt hatte, sie roch genau wie du", erklärte er und nahm sich erneut einen großen Schluck seines heißen Getränks.

Das erklärte zwar einiges, doch nicht alles. Ich war mir nie im Klaren darüber, dass wir alle einen ähnlichen Geruch hatten. Mir war immer nur klar, dass wir uns untereinander erkennen konnten. Das alles war mir neu und irgenwie fand ich es gruselig zu wissen, dass Caleb anscheinend schon anderen Mischlingen begegnet war. Wer wusste schon, was er ihnen angetan hatte. Bevor ich ihm weitere Fragen stellen konnte, musste ich bei diesem Gedanken erstmal tief durchatmen und ihn abschütteln.

"Wieso hilfst du mir, Noah? Du weißt ja anscheinend, dass Caleb es auf mich abgesehen hat und trotzdem holst du mich in dein Haus. Du bringst dich für mich in Gefahr", versuchte ich ihm in die Augen zu schauen, doch er sah nur in die leere Tasse, mit der er zwischen seinen Händen herumspielte.

"Ich kann nicht nochmal zulassen, dass er eine Frau aufgrund ihrer Gene hinrichtet." Er wurde plötzlich ernst und schaute hoch zu mir. Ich sah Wut und Trauer in seinen Augen, das hielt mich aber nicht zurück, weiter nachzuhaken.
"Was meinst du mit nochmal?"
"Er hat mir die Liebe meines Lebens genommen und das nur, weil sie anders war", flüsterte er und wich sofort meinem Blick aus. Langsam wurde mir klar, warum alle Welt so schlecht über Caleb sprach. Mein Puls beschleunigte sich bei dem Gedanken daran, dass ich die Nächste sein würde und panisch nahm ich Noahs Hand. Ich wollte unbedingt von ihm hören, was geschehen war und zwar die ganze Geschichte.

"Erzähl mir bitte alles, Noah. Ich muss wissen, was passiert ist."

In seinen von Trauer übzogenen Augen sammelten sich Tränen, während er meine Hand los ließ, um seine Hände in seinem Schoß zu falten.

"Ich habe mich damals in eine wunderschöne Frau verliebt und zu meinem Erstaunen, galt ihre Liebe auch mir. Wir hatten einige wunderschöne Jahre und es war perfekt. Uns interessierte weder Reichtum, noch Macht. Wir wollten einfach nur glücklich sein. Eines Tages kam Caleb hierher, um hier als Oberalpha Fuß zufassen. Davor lebte er in einer anderen Stadt hier im Süden. Der Tag kam, wo meine Linda ihm begegnete und er sie als Mate erkannte. Sie wehrte sich gegen die Verbindung, denn sie wollte ihr Leben mit mir verbringen. Doch er drohte ihr, mich zu töten, sollte sie ihn ablehnen. Sie kamen also zusammen und einige Jahre später war sie schwanger. Killian kam auf die Welt. Sie wirkten eine Zeit lang wirklich glücklich. Ihr Sohn hatte ihr ihr Strahlen zurückgegeben. Sie war so eine tolle Mutter."
Er machte eine kurze Pause um sich die einzelnen Tränen wegzuwischen.

"Wir haben uns trotzdem immer wieder getroffen, denn das Feuer zwischen uns war jedesmal wie neu entfacht,  auch wenn es nur ihr Lächeln war, das sie mir beim Vorbeigehen herüberschmiss. Ich fand durch einen Freund heraus, dass Rosen jeglichen Geruch überdecken und fing an, sie in meinem Garten zu züchten.  Wir trafen uns wieder heimlich und jedes Treffen war einzigartig.  Sie erzählte mir auch davon, dass sie anders sei, dass sie ein Mischling sei. Mir machte das aber nichts aus. Nie hätte ich sie dafür verurteilt oder von mir weggestoßen. Irgendwann  bekam ich einen Anruf von ihr, es war das letzte Mal, dass ich ihre Stimme hörte.  Sie erklärte das sie abhauen müsse, Caleb hätte herausgefunden, dass sie ein Mischling sei. Er wolle sie und Killian töten. Ich rannte nach dem Telefonat sofort los zum Rudelhaus, doch sie war nicht mehr da. Tagelang rannte ich durch den Wald und hoffte ihren Geruch aufzunehmen, doch es war hoffnungslos.  Als ich aus dem Wald zurück in die Stadt kam, standen viele Menschen aufgeregt vor dem Rudelhaus. Caleb hielt Killian an der Hand und erklärte, dass Linda von einem Wolf im Wald erwischt und getötet worden sei. Ich wollte ihn des Mordes beschuldigen, doch keiner hätte mir geglaubt, im Gegenteil.  Er hetzte alle auf mich auf und da ich tagelang verschwunden war, glaubten es die Meisten sogar und meiden mich noch heute. "

Geschockt starrte ich ihn an, während er sich die Nase putzte und erneute Tränen unterdrücken musste. Deswegen warnte Killian mich vor ihm. Er war der Meinung, Noah hätte seine Mutter getötet. Ich stand auf und nahm Noah fest in meine Arme. Seine Geschichte war genauso schlimm wie die meines Vaters, wenn nicht sogar schlimmer. Als ich mit ihm in diesem schönen Garten stand und ihn liebevoll an mich drückte, dachte ich darüber nach, dass guten Menschen immer schlechte Dinge widerfahren. Das Leben war so ungerecht und wütend atmete ich aus, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten.

Er nickte mir kurz zu und setzte sich  dann wieder an den Tisch, während ich stehen blieb, um auf einen der vielen Rosenbüsche zuzulaufen. Ich roch vorsichtig daran und schloss kurz die Augen. Der einzige Trost, den es für mich gab, war der, dass mich diese roten Schönheiten davor bewahren würden, dass mich jemand hier findet.

The Alphas Mate - Unter dem Schutz der Rosen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt