Die Ruhe vor dem Sturm

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Die Sonne kitzelte mein Gesicht und blendete mich trotz geschlossener Augen. Das Gewitter hatte sich verzogen. Langsam stand ich auf und machte mich auf den Weg ins Badezimmer, um mein blasses Gesicht zu mustern. Während ich jeden Winkel meines Spiegelbilds begutachtete, dachte ich  über Brando nach. Die Gewissheit seines Todes machte mich völlig fertig und brachte mir erneut Tränen in die leeren Augen. Ich kannte ihn kaum, aber dafür war unser letztes Treffen entscheidend über mein Leben. Weinend setzte ich mich auf die Toilette und vergrub mein Gesicht in meinen Händen, erinnerte mich daran, wie ich damals genauso auf der Treppe saß, wo die zwei Typen kamen. Damals war ich noch der Überzeugung, mir würde nie etwas schlimmeres passieren, doch mittlerweile wusste ich es besser.

Das Geräusch schwerer  Schritte ließ mich neugierig aufschauen. Mein Alpha blickte mir besorgt in die Augen und  kam dann vorsichtig auf mich zu, um sich vor mir in die Hocke zu setzen.

"Ich danke dir.", flüsterte er mir entgegen und strich eine Strähne meiner Haare aus meinem verheulten Gesicht. Verwundert schaute ich in seine warmen Augen und konnte überhaupt nicht verstehen, was er für einem Grund hatte mir zu danken.

"Für was dankst du mir, Killi? Seid ich hier bin, ist alles schiefgelaufen und wegen mir sind Menschen gestorben. Sogar jemand, der dir vorher nahe stand.", meinte ich mit bebender Stimme und nahm mir ein Stück des Toilettenpapiers, um mir die Nase zu putzen und die Tränen wegzuwischen. Nachdem ich es in den kleinen Mülleimer neben mir geschmissen hatte, nahm er meine Hände in seine und streichelte mit dem Daumen sanft über meinen Handrücken.

"Du hast mir meine Mutter wiedergebracht, das ist mehr, als je jemand anders für mich getan hat oder je tun könnte. Dazu hast du mich verändert und das zum Guten. Mein Leben lang wollte ich nur Alpha sein, genauso stark wie mein Vater und habe viele Menschen ausgenutzt, um an Macht zu kommen. Du hast mir gezeigt, was wahre Liebe bedeutet und zu was man fähig ist, wenn man seine Liebsten beschützen möchte."
Sanft streichelte er meine Wange und lächelte mir traurig entgegen. Ich wusste gar nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich war berührt von seinen Worten und das Wort Liebe hinterließ mir ein warmes Gefühl im Magen, während meine ganze Haut von einer Gänsehaut überzogen wurde.

"Und ich hätte nie gedacht, dass ich mich in einen Alpha verlieben könnte, erst recht nicht, in einen aus dem Süden. Du machst mich komplett, akzeptierst meine Unvollkommenheit-"
Mit einem Ruck stand er auf, schaute in meine erschrockenen Augen und unterbrach mich.
"Du bist nicht unvollkommen.", lächelte er und zog mich mit seinen Händen zu sich hoch, um mir sanfte Küsse auf  seiner Markierung zu verteilen.
"Du bist perfekt.", hauchte er mir ins Ohr und sofort legte ich meine Arme fest um seinen Körper. Mein ganzes Leben wollte ich jemanden finden, dem ich blind vertrauen konnte und nun hatte ich ihn gefunden. Egal was ich war, ob Mischling oder nicht, mein Mate akzeptierte mich ohne Einschränkungen, und nicht nur das, er liebte mich sogar so wie ich war, ohne etwas an mir verändern zu wollen.

In seinen Armen stehend beruhigte ich mich und die Tränen trockneten, während ich seine Wärme auf meinem Körper spürte, die mir ein vertrautes Gefühl von Zusammengehörigkeit gab und das machte mein Leben, trotz allen Schwierigkeiten, lebenswert.

Ein lautes Klopfen, das von unten ertönte, riss uns aus diesem wunderbaren Moment. Einerseits war ich sauer, dass uns jemand störte,  andererseits neugierig, wer es wohl sein könnte und ob es etwas Neues zu berichten gab. Mein Alpha löste sich mit einem Kuss auf die Stirn und ging schon einmal herunter, während ich ins Zimmer zurück lief, um mich umzuziehen.

Als ich dann meine Schlafsachen gegen Jeans und T-Shirt getauscht hatte, nahm ich auch die Treppenstufen nach unten und sofort kam mir ein Lächeln ins Gesicht, als ich Linda und Noah glücklich am Tisch sitzen sah. Bevor ich auf sie zuging, schaute ich noch kurz herüber zu Killian, der in der Küche Kaffee aufsetzte und so glücklich, wie er strahlte, hatte ich ihn noch nie gesehen und das machte mich auch unheimlich glücklich.

"Ich bin so froh, dich jetzt zum ersten Mal in aller Ruhe begrüßen zu können", kam Linda mit offenen Armen auf mich zu und drückte mich  herzlich. Bei ihr fühlte ich mich sofort willkommen.
"Das empfinde ich genauso", gab ich ihr lächelnd zurück und betrachtete sie von oben bis unten.

Mein Mate stellte den Kaffee auf den Tisch und rückte mir einen Stuhl neben sich zurecht, den ich dankend annahm. Ich schaute neugierig in Noahs Gesicht, der mir gegenüber saß. Er sah so zufrieden aus und war nicht mehr der alte Mann, für den man Mitleid empfunden hatte.

Wir unterhielten uns über die schönen Dinge des Lebens und tranken dabei genüsslich den warmen Kaffee, während die Sonne den Raum in einem angenehmen Licht erscheinen ließ und damit auch eine wohltuende Wärme entstand.

Erst als ein weiteres Klopfen ertönte, hörten wir auf zu sprechen und schauten neugierig zur Tür, durch die Resul und Damiano traten, von denen Letzterer Killian ein Zeichen gab, ihm nach draußen zu folgen. Während mein Mate mir einen Wangenkuss gab und schnellen Schrittes dem Beta nach draußen folgte, nahm Resul neben mir Platz und grinste uns alle zufrieden an.

"Na ihr, geht's euch gut?", fragte er mit einem lockeren Lächeln auf den Lippen und schenkte sich dann eine Tasse ein, um einen kräftigen Schluck davon zu nehmen.
"Ja. Und dir scheint es wie immer hervorragend zu gehen.", warf ich ihm grinsend entgegen und beobachtete ihn, wie er seine Locken aus dem Gesicht pustete. Es tat gut, seine Nähe wieder bei mir zu haben, denn seine Art alles locker zu sehen und das Leben nicht so ernst zu nehmen, brachte auch mir eine innere Ruhe.

"Was ist denn draußen los?", fragte Noah ihn besorgt, immer noch zur Tür blickend, wo die zwei Männer eben noch standen.
"Nichts allzu Schlimmes. Macht euch keine Sorgen. Wir haben im Wald ein paar fremde Gerüche aufgenommen, aber kein Zeichen von Caleb", gab Resul zu Noah schauend von sich und machte mit den Händen eine beruhigende Geste.

Noah blickte nun beunruhigt  zu Linda, bis Resul weiter sprach.
"Deiner Liebsten wird nichts mehr passieren. An mir kommt so schnell keiner vorbei", zeigte er lachend mit den Daumen auf sich und diese Geste erinnerte mich an das erste Mal, als ich ihn oben in meinem Zimmer gesehen hatte.

Ich schaute belustigt herüber zu Noah, dem man ansehen konnte, dass er sich immer noch große Sorgen machte. Ich konnte ihn verstehen und wollte ihm einen kleinen Teil seiner Sorgem wegnehmen.
"Ihr könnt doch auch hier schlafen, solange die Lage noch so beunruhigend ist. Oben gibt es ein Gästezimmer." Ich nahm Noahs Hand, der zu seiner Liebsten herüberschaute.

Sie lächelte mir dankend zu.
"Das ist wirklich lieb von dir, aber ich möchte keine Nacht mehr ohne den Geruch seiner Rosen schlafen", gab sie von sich und streichelte dabei zärtlich über Noahs Wange, der ihr verliebt in die Augen schaute.
Irgendwie wusste ich schon vor meinem Angebot, dass sie ablehnen würde, aber ich wollte es wenigstens versuchen.

"Wir gehen jetzt auch mal wieder zurück. Wir wollten nur kurz zum Kaffee vorbeikommen um Neuigkeiten auszutauschen." Linda stand auf und streckte ihre Hand Noah entgegen, der diese freudig annahm und sich auch erhob. Sie verabschiedeten sich von uns und liefen händchenhaltend raus aus dem Haus. Zurück blieben nur ich und der immer noch strahlende Lockenkopf.

"Die haben genug Jahre nachzuholen und wollen dabei sicher nicht gestört werden", meinte er und schenkte sich eine neue Tasse ein.
"Da hast du wohl Recht", gab ich ihm zurück und schaute dabei auf seine zitternden Hände.
"Sag mal, Resul. Wie viele Tassen Kaffee hast du heute schon getrunken?"

"Ich hab aufgehört zu zählen", antwortete er mir schulterzuckend und trank die Tasse in einem Zug aus, was mir ein leises Lachen entlockte und auch er musste darüber lachen, dass er anscheinend schon Koffeinsüchtig war. Doch schnell verging uns das Lachen als Killian durch die Tür rein kam und uns besorgt ansah.

The Alphas Mate - Unter dem Schutz der Rosen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt