Chapter 20

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Das Krankenhaus ragte wie ein riesiges, Unheil bringendes Monster vor mir auf. Alec und ich waren zweieinhalb Stunden gefahren, nur um jetzt seit weiteren zehn Minuten still schweigend im Auto zu sitzen. Ich war ihm dankbar dafür, dass er nicht versuchte, die Stille mit leeren Worten zu füllen. Wir wussten beide nicht, was uns hinter den Türen des Krankenhauses erwartete, doch dass die Situation nicht angenehm werden würde, das war klar.

„Ich bin bereit, wenn du es bist", sagte Alec nun doch. Ich nickte. Aber die Wahrheit war: Hierfür wäre ich wohl niemals bereit. Egal, ob wir noch drei Minuten mehr in diesem Auto verbrachten oder drei Stunden. Ich musste mich meinen Eltern stellen. Ich musste meinen sonst so unnahbaren Vater in einem Krankenhausbett liegen sehen. Ohne es also weiter hinauszuzögern stieß ich schwungvoll die Tür des Beifahrerplatzes auf.

Als wir die Eingangshalle des Krankenhauses betraten, stieg mir sofort der unangenehm stechende Geruch des Desinfektionsmittels in die Nase und mein Magen verkrampfte sich. Alec, der meine Unruhe spürte, nahm meine Hand in seine und verschränkte unsere Finger miteinander, bevor er mich zur Rezeption zog. Unwillkürlich glitt mein Blick einmal durch den großen Raum, wie um zu prüfen, ob es jemandem auffiel. Dann jedoch konzentrierte ich mich auf die junge, ziemlich müde dreinblickende Frau in weiße Kleidung vor mir.

„Edward Collins. Ich möchte bitte zu Edward Collins. Er ... Er hatte einen Herzinfarkt. Ich muss ihn sehen." Obwohl meine Stimme ein wenig stockte, brachte ich die Worte hervor ohne nochmal in Tränen auszubrechen. Die Frau klickte ein paar mal mit ihrer Maus, tippte etwas in ihren Computer ein und begann schließlich zu reden, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen.

„Ich bin nicht befugt, irgendwelche Personen zu Mr. Collins zu lassen. Mrs. Collins hat uns da strikte Anweisungen gegeben. Tut mir Leid."

Ich blinzelte und brachte für ein paar Sekunden kein Wort heraus.

„Ich bin sein Sohn. Joshua Collins", meinte ich schließlich. Jetzt schaute die Rezeptionistin doch auf. Auf ihrem Gesicht erschien ein verkniffenes, mitleidiges Lächeln, das so gar nicht zu ihrem sonst so jungen Gesicht passte.

„Tut mir Leid", wiederholte sie und wandte sich erneut ihrem Computer zu. Ich war wie erstarrt. Meine Mutter – sie hatte dafür gesorgt, dass ich meinen Vater nicht sehen konnte.

„Aber ... Aber ich muss zu ihm. Ich bin ein Familienmitglied! Sagen Sie mir einfach die Zimmernummer und Sie sind uns ganz schnell los", bettelte ich. Diese Frau verstand es einfach nicht. Ich musste meinen Dad sehen.

„Wie schon gesagt: Es gab strikte Anweisungen. Ich muss Sie nun bitten zu gehen."

Ich war sprachlos. Und stinkwütend. Sie wollte mich, mir nichts dir nichts, aus dem Krankenhaus werfen!

„Und ich dachte immer, die Schwestern in Krankenhäusern würden sich um die Anliegen ihrer Patienten und deren Angehörigen sorgen! Aber das stimmt ganz offensichtlich nicht, sie kaltes, herzloses Mists -"

Mein Ausbruch wurde mit einem besänftigenden ‚Schsch' von Alec unterbrochen. Ehe ich noch mehr sagen konnte, das die Rezeptionistin dazu bewegen könnte, uns tatsächlich rauszuwerfen, zog er mich in Richtung des Warteraums, der durch eine Glaswand von der Eingangshalle abgetrennt war. Auch wenn ich gerade nichts weiter wollte, als diese Frau zur Schnecke zu machen, folgte ich ihm widerwillig. Einen bösen Blick über die Schulter konnte ich mir dennoch nicht verkneifen.

Im Wartebereich ließ ich mich auf einen der roten Plastikstühle fallen. Obgleich mich die Wut momentan beherrschte, so war sie doch nur dazu da, mich aufrecht zu halten. Sie diente der Verdrängung der Leere und Unsicherheit, die ich vorhin gefühlt hatte und die auch jetzt wieder darauf lauerten, sich in mir breit zu machen. Ich wusste nicht, wie lange ich mich an die Wut klammern konnte.

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