Als ich am nächsten Tag nach Hause fuhr, wollte ich nichts anderes tun, als mich in meinem Zimmer zu verbarikadieren und stumm an die Decke zu starren. Nachdem Alec gestern so plötzlich aufgelegt hatte, hatte ich noch mindestens viermal versucht ihn zurückzurufen. Irgendwann hatte ich einsehen müssen, dass es keinen Zweck mehr hatte. Die Ernüchterung, die folgte, überwog sogar die Wut, die während der Zeit, die zwischen den Anrufen verging, in mir aufgestiegen war. Wie konnte Alec glauben, dass irgendjemand besser küssen konnte als er? Das war absoluter Bullshit. Ich war so sauer auf ihn. Aber noch viel saurer war ich auf mich selbst. Nach wie vor dachte ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Doch zugleich schämte ich mich. Auf der anderen Seite hatte er schließlich recht – ich hatte ihn im Stich gelassen. Allerdings war der Druck einfach zu groß geworden. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen.
Mit dem Bild meines weichen, verheißungsvollen Bettes vor Augen, bog ich in die Straße meiner Eltern ein, als ich ihn sah: den Krankenwagen. Er parkte direkt in unserer Einfahrt, die blauen Lichter angeschaltet, wenn auch tonlos. Eine eisige Kälte ergriff von mir Besitz, mein Körper erstarrte und ich betätigte unbewusst die Bremse meines Autos.
Nein. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein.
Doch so sehr ich es mir auch wünschte, ich konnte das, was sich vor meinen Augen abspielte, nicht ändern. Wie in Trance beobachtete ich Sanitäter, die aus unserem Haus kamen, eine Trage in ihren Händen. Ihnen folgte meine Mutter, sie stürzte aus der Haustür, das Gesicht verzerrt und voller Tränen. Den klagenden Schrei, den sie ausstieß, als die Sanitäter die Trage in den Krankenwagen verfrachteten, hörte ich sogar durch die Scheiben des Autos. Er brachte meine Ohren zum Klingeln und holte mich gleichzeitig aus meiner Bewegungslosigkeit. Panisch riss ich die Tür auf und rannte, so schnell ich konnte, auf das weiß lackierte Haus zu, das von nun an immer mit diesem Ereignis in Verbindung stehen würde.
In dem Moment, in dem die Türen des Krankenwagens mit einem lauten Knall schlossen, kam ich keuchend neben Mom zum Stehen. Erst jetzt bemerkte ich meine Schwester, die sich an den Zipfel ihres Nachthemdes klammerte. Sie weinte lauthals und fragte immer wieder nach unserem Vater. Ich nahm sie auf den einen Arm, bevor ich mich um Mom kümmerte und ihr meinen anderen Arm um die Schultern schlang. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob sie meine Anwesenheit überhaupt bemerkte, da sie in keinster Weise auf meine Berührung reagierte. Stattdessen stand sie regungslos da, die Augen weit aufgerissen. Noch für lange starrten wir drei den Lichtern des Krankenwagens nach, auch als er schon längst um die nächste Ecke gebogen war.
Wie sich herausstellte war das Warten das Schlimmste. Nachdem die Sanitäter Dad weggebracht hatten, hatte eine Nachbarin angeboten, uns ebenfalls ins Krankenhaus zu fahren. Ich hatte das Angebot dankbar angenommen. Mom und ich waren beide nicht in dem Zustand gewesen, uns hinters Steuer zu setzten. Zudem die Fahrkünste meiner Mutter wirklich zu wünschen übrigließen und ich alle Hände voll damit hatte, Liz zu beruhigen.
DU LIEST GERADE
The World Against Us
RomanceWATTYS GEWINNER 21 »Ich wusste nicht, wann es passiert war. Ich wusste nur, dass es passiert war. Ich, Joshua Collins, war in meinen besten Freund Alec verliebt.« Joshua und Alec - Freunde seit Kindestagen. Nichts und niemand kann sie auseinander br...