„Egi, lass uns Spaß haben“, gluckste Alban.
„Geh mir aus dem Weg, sonst wirst du das bereuen.“Meine Stimme klang relativ gefasst, obwohl ein wahres Gefühlschaos in mir wütete. Ich dürfte mir jetzt unter keinen Umständen etwas anmerken lassen. Alban lachte und breitete seine Arme aus.
„Nur ein bisschen."
Seine Freude standen wie Junkies im Zimmer und sagten nichts.
„Alban, lass mich durch“, warnte ich ihn.
Als er keine Anstalten machte sich zu rühren, griff ich nach dem erst besten Gegenstand – ein voller Aschenbecher – und schleuderte es ihm ins Gesicht. Ich hatte ihn mit der Aktion überrumpelt. Der Alkohol sorgte dafür, dass er blinzelnd nach hinten taumelte und schließlich auf den Hintern fiel. Seine Freunde glotzten verdutzt aus der Wäsche.
„Du Schlampe!“, rief Alban.
Es war eine Mischung aus Fluchen und Lachen. So ein Idiot! Ich reagierte schnell, flitzte, trotz der Schmerzen in meiner Rippe, an ihn vorbei und war überaus erleichtert, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Gerade noch so aus der Hölle entkommen...
Ich brauchte ein ganze Weile, um das Alles zu verarbeiten. Mittlerweile waren sage und schreibe zwei Wochen vergangen. Von Berat kam nichts. Absolut nichts. Ihr könnt euch vorstellen, was für ein mieses Gefühl das war.
Auf Dauer konnte es nicht so weiter gehen. Obwohl Rebecca mir versicherte, ich könne so lange bleiben, wie ich wolle, war es an der Zeit mir eine eigene Bleibe zu suchen. Mein Leben musste weiter gehen, auch ohne Berat.
Ich besaß ein eigenes Auto, einen Job und eine Wohnung würde es komplettieren - das Leben einer selbständigen Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht.
„Wie geht es der Rippe?“, fragte Rebecca mich.
Wir saßen auf dem Dach eines kleinen Cafes und aßen Eis, während die strahlend heiße Augustsonne unserer blassen Haut ein wenig Farbe verlieh. Meine Hustenanfälle wurden seltener, aber wenn sie mal kamen, zerrissen sie mich innerlich. Sogar die ein oder andere Träne hatte ich wegen der Schmerzen vergossen. Der Heilungsprozess meiner Rippe verlief jedoch ohne Probleme und das war das Wichtigste.
„Tut noch weh, aber passt schon“, antwortete ich.
Meine Antwort passte übrigens sowohl zu meiner Rippe, als auch zu Berat.
„Meinst du, dass du bei den Schmerzen mit den Kindern fertig wirst? Die meisten von denen sind so hyperaktiv.“
„Bis zum neuen Kindergartenjahr sind es noch zwei Wochen. Das ist genug Zeit, um fit zu werden. Außerdem sind die meisten echte Engel. Sie lieben ihre Egi und machen mir keinen Ärger.“Ich liebte meinen Job als Erzieherin! Viele meinten, ich hätte mich für diesen Beruf entschieden, weil ich mein Abi verhauen hatte, was aber nicht der Wahrheit entsprach. Schon immer hatte ich eine Schwäche für kleine Kinder gehabt, ich war wie dafür geschaffen. Meine Wahl stand bei mir nie zur Debatte. Selbst wenn ich mein Abi geschafft hätte – ich wollte nie studieren.
„Ich bin ja noch immer dafür, dass wir eine Woche Strandurlaub machen“, sagte Rebecca.
„Ich glaube nicht, dass das bei der momentanen Situation eine gute Idee ist.“
„Spielverderber.“Sie klang beleidigt.
„Auf Wohnungssuche könntest du gehen, wenn wir zurück sind“, sprach sie weiter.
„Ich überlege es mir.“
„Als ob.“
DU LIEST GERADE
Seelensplitter
General FictionVerlust. Ein starkes Wort. Es gibt so viele verschiedene Arten davon, aber keine schmerzt so sehr, wie der Verlust des eigenes Kindes - ob ungeboren oder nicht. Die Seele zerbricht und die Splitter bringen die Wunde immer wieder von Neuem zu bluten...