Kapitel 47

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Ich saß eine gefühlte Ewigkeit im Wagen und sah den Schneeflocken beim Fallen zu. Natürlich hinterfragte ich diese Nachricht. Wieso wollte er, dass wir uns in einem Hotel trafen, genauer gesagt, in einem Hotelzimmer? Was hatte er vor? Beim Gedanken allein mit ihm in einem Raum zu sein, bekam ich es leicht mit der Panik zu tun. Und ja, Angst, die hatte ich auch. Nur zu gut erinnerte ich mich an der Aktion mit seinen Freunden im Wohnzimmer.

Aber wieso verdammt verspürte ich trotz allem das riesengroße Bedürfnis zu wissen, was er mir sagen wollte? Ruhig bleiben, murmelte ich vor mich hin. Ich schloss mögliche Gefahren aus. Wir würden zwar in einem Hotel sein, aber das hieß gleichzeitig auch, dass er mir nichts tun könnte, ohne entlarvt zu werden.

„Scheiße, Scheiße, Scheiße!", fluchte ich und schlug gegen das Lenkrad.

Ich war hin und hergerissen! Nachdem meine Mutter endlich wach war, dachte ich, dass es jetzt mit den guten Nachrichten weitergehen würde, aber nein, Alban musste ja meine Hoffnungen durchkreuzen. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Sie zeigte 19:43 Uhr an. Aufgebracht fuhr ich mir über das Gesicht und schlug mir leicht gegen die Wangen, bevor ich schließlich mit zitternden Fingern den Schlüssel im Zündschloss drehte und losfuhr ...


Ich parkte vor dem Hotel und stieg aus. Kahle Bäume, die schwer vom Schnee waren, säumten den Gehweg, ein paar Laternen strahlten auf den eisigen Asphalt. Es war bitterkalt und ich fror. Mit klappernden Zähne betrat ich das Hotel und ging auf die Rezeption zu.

„Wie kann ich ihnen helfen?", fragte mich eine blonde Mittdreißigerin.

„Zimmer 33, ich werde erwartet", antwortete ich mit leiser Stimme.

„Zweiter Stock."

Sie lächelte mich an und wandte sich dann wieder ihrem Computer zu. Es mag lächerlich klingen, aber ich warf einen flüchtigen Blick über meine Schulter, weil ich Angst hatte, dass mir jemand gefolgt war. Bei meinem Vater konnte man nie wissen.

Ich verzichtete auf den Aufzug und stieg die Treppen in den zweiten Stock hinauf. Meine Knie bebten, und das flaue Gefühl in meiner Magengegend wurde mit jedem Schritt stärker. Als ich schließlich die richtige Zimmertür erreichte, blieb ich einige Sekunden reglos davor stehen. Ich war über meine Entscheidung hierherzukommen plötzlich alles andere als überzeugt. Aber jetzt war es schon zu spät, ich stand vor dieser verdammten Tür und ein Rückzieher kam nicht in Frage. Ich hob die Hand und klopfte, bevor ich es mir anders überlegen konnte.

„Oho, wen haben wir denn da."

Alban lehnte sich gegen die Tür und sah mich überrascht an. Womöglich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich tatsächlich hier aufkreuzte. Er trat zur Seite, vollführte eine einladende Geste mit der Hand und grinste dabei breit.

Mein Mund fühlte sich staubtrocken an. Ich drückte meine Handtasche gegen die Brust und trat an ihn vorbei ins Zimmer. Unter keinen Umständen durfte ich mir meine Unsicherheit anmerken lassen.

Das Zimmer war klein. Ein Doppelbett füllte den Großteil des Raumes. Ein kleiner Schreibtisch und ein dazu passender Stuhl standen in einer Ecke. Ich blieb am Fußende des Bettes stehen, während Alban sich auf den Stuhl setzte. Er zündete sich eine Zigarette an, schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück. Einen Augenblick herrschte Schweigen.

„Komm zur Sache", begann ich schließlich. „Wieso hast du mich hergerufen?"

„Was bekomme ich von dir, wenn ich dir das sage?"

„Wie viel willst du?"

Er lachte auf, schüttelte den Kopf und machte plötzlich die Beine breit. Genüsslich zog er an seiner Zigarette und schien sichtlich Spaß an der Sache zu haben.

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