Kapitel 52

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Kapitel 52 (Finale):

Diese Szene spielte sich in weniger als fünf Sekunden ab, und doch kam es mir vor, als wären Stunden vergangen. Ich wollte weinen, schreien, sterben. Ja, sterben. Das war es, was ich mir in diesem Augenblick wünschte. Ich wollte von diesem Alptraum erlöst werden.

„Du verdammtes Miststück!", schrie Raif plötzlich.

Mein Herz hörte auf zu schlagen. Ich machte mich ganz klein, wollte im Erdboden versinken. Doch dann merkte ich, dass er gar nicht zu mir sprach. Raif wurde in den Raum geschubst. Erst jetzt sah ich, dass auch seine Hände gefesselt waren. Zwei große, breit gebaute, kahlköpfige Männer kamen hinein, gefolgt von ... von Lynn. Ich traute meinen Augen nicht. Was hatte das zu bedeuten?

„Na, schon erholt von dem kleinen Feuerschock, Liebes?"

Lynn ging vor mir in die Hocke und lächelte breit. In der Zwischenzeit wurde Raif von einen der Männer mit den Handschellen an eines der Wasserröhren gefesselt, während der andere mit einer Waffe auf ihn zielte. Mir war schwindelig. Ich musste träumen. Ich rechnete jeden Augenblick damit, schreiend und schweißgebadet aus meinem Bett zu fallen.

„Wie war er so?", fragte Lynn mich.

„Was .. wovon redest du?"

„Stell dich nicht so an!", schrie sie so plötzlich, dass ich zusammenzuckte. „Wie war er im Bett? Hat es dir gefallen? Hat es Spaß gemacht mit einem verheirateten Mann zu schlafen?"

„Das musst du doch am besten wissen, du dreckige Nutte!", brüllte Raif dazwischen.

Dafür bekam er einen Tritt in den Bauch, woraufhin er schmerzerfüllt aufstöhnte. Mein Mund fühlte sich staubtrocken an, das Schlucken schmerzte. Ich sah zu Raif, unsere Blicke trafen sich. Stumm formte er die Worte 'Es tut mir leid' mit seinen Lippen.

Lynn schien ungerührt, sie zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Ruhig sprach sie weiter, so, als hätten wir uns gerade zum Kaffeetrinken getroffen. Als würden wir über das Wetter sprechen.

„Adrenalinkick, nicht wahr? Etwas unmoralisches zu tun, hat schon seinen Reiz. Ich verstehe dich. Na ja, eigentlich verstehe ich dich überhaupt nicht. Du hattest eine gut bestückte Granate an deiner Seite, etwas naiv zwar, aber davon mal abgesehen .."

„Gut bestückte Granate?", wiederholte ich ungläubig.

Sie lächelte breit, als sie meinen schockierten Gesichtsausdruck bemerkte.

„Berat", sagte sie schließlich. „Er versteht es Frauen zu befriedigen."

Kurz war es still, sie wartete auf meine Reaktion. Und dann, ganz plötzlich, fing ich an zu lachen. Ich lachte und konnte gar nicht mehr damit aufhören. Oh Gott, ich hatte das Gefühl den Verstand zu verlieren. Das Ganze war so absurd. Absurd und doch so .. einleuchtend? Ja, mir ging ein Licht auf.

Ich dachte an Berats Verhalten zurück, fragte mich, wie ich so blind zu gewesen sein konnte und gab mir die Antwort auf meine Frage gleich selbst: Ich war zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen.

Lynn holte mich wieder ins Hier und Jetzt zurück.

„Eines muss man dir lassen. Du hast einen eigenartigen Sinn für Humor. Aber ob du in fünf Minuten noch immer lachst? Das wage ich zu bezweifeln, Liebes."

„Nenne mich nicht Liebes, du .. du .. mir fällt kein Wort ein, um so etwas wie dich zu beschreiben."

„Wie wäre es mit Phänomenal?"

Sie zwinkerte mir zu, stand dann auf und setzte sich auf eine der Waschmaschinen. Es kam mir alles so surreal vor, wie in einem schlechten Film. Lynn ließ die Füße baumeln, sah von mir zu Raif und hatte fast ununterbrochen dieses fast schon verrückte Grinsen im Gesicht.

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