Kapitel 14

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„Sein Name ist Alban", antwortete Fiona.

Das konnte nicht sein. Berat studierte Maschinenbau, nicht Alban. Hatte er einen falschen Namen genannt? Den Namen seines Bruders? Hatte er eine andere gefunden und war in den letzten Tage deshalb zu komisch zu mir gewesen? Hatte ich meinen Mann verloren?
Die allerschlimmste Frage war, wieso machte mir das so wenig aus? Nicht, dass es mich völlig kalt ließ. Der Gedanken daran, dass mir seine Geliebte gegenüber saß und ich mich mit ihr angefreundet hatte, ließ meinen Puls in die Höhe schellen.
Nervös rutschte ich auf meinem Stuhl herum, mein Hals fühlte sich an, als hätte ich eine Handvoll Sand geschluckt. Das Wasser, das ich herunterkippte, half nicht wirklich.

„Ich mag ihn sehr", fuhr Fiona fort.
„Wie schön", krächzte ich kaum hörbar.
„Er hat nur einen Bruder, der Elektrotechnik studiert."
„Elektrotechnik?"
„Oder war das umgekehrt? Er studiert das und sein Bruder Maschinenbau, keine Ahnung. Wegen seinen blauen Augen, konnte ich mich beim Gespräch nicht richtig konzentrieren."

Sie lachte. Meine Aufregung verwandelte sich in Verwirrung.

„Blaue Augen?", fragte ich.
„Oh ja, himmlische blaue Augen und schwarze Haare. Traumtyp!"

Ich konnte mir einen tiefen Seufzer nicht verkneifen. Die Beschreibung passte auf Alban, es bestand keine Zweifel. Meine Freude (war es überhaupt Freude?), dass mein Mann mich doch nicht betrog, hielt sich in Grenzen.
Alban war ein Frauenjäger! Es war schwer vorstellbar, dass er es mit Fiona ernst meinte. Ich brachte es aber vorerst nicht übers Herz ihr zu sagen, in was für einen ekelhaften Typen sie da geraten war, denn sie strahlte mit der Sonne um die Wette.
Nicht, dass die Sonne sich in absehbarer Zeit blicken lassen würde. Draußen goss es wie aus Kübeln, der Himmel war von dicken, grauen Wolken bedeckt. Der Wind peitschte den Regen fast waagrecht an die großen Fenster.

Wenn das so weiter geht, dann sitze ich noch bei Anbruch der Dunkelheit hier, dachte ich mir. Obwohl es jetzt nicht so war, als würde zu Hause jemand auf mich warten. Als würde überhaupt jemand auf mich warten. Ich hatte niemanden. Ich war allein.

Rebecca, okay. Aber die brauchte auch Zeit für ihre Beziehung. Berat zählte nicht. Ich mein - mal abgesehen davon, dass er in Berlin weilte -, er war mein Mann. Er war keine Freundin, die man eben mal anrufen konnte, um etwas mit ihr zu unternehmen. Keine Schwester, der man ihr Herz ausschütten konnte. Keine Mutter, die .. Nein, lass das!, rief ich mich zur Vernunft. Du darfst jetzt nicht in Selbstmitleid baden.

„Alles okay bei dir?"

Fiona riss mich aus meinen Gedanken. Ich schenkte ihr ein Lächeln und nickte. Dann winkte sie jemanden über meiner Schulter hinweg zu. Als ich mich umdrehte, sah ich Frau Berisha an der Eingangstür stehen. Sie hielt einen Regenschirm in der Hand und winkte uns zu sich.

„Hast du ihr geschrieben?", fragte ich Fiona verblüfft.
„Eine Whatsapp Nachricht und Mama ist zur Stelle", grinste sie mich an.

Nachdem ich die Rechnung beglichen hatte, begrüßte ich erst mal Frau Berisha.
Fiona zwinkerte mir zu, rannte zum schwarzen Audi und stieg hinten ein. Gleich darauf tippte sie auf ihrem Handy herum, und ich vermutete, dass sie mit Alban schrieb. Gute Idee von ihr sich nach hinten zu setzen, so würde ihre Mutter nämlich keine Gelegenheit haben auf ihr Handy zu schielen.

„Wo wohnst du?", wollte Frau Berisha wissen.
„Ich will nicht, dass Sie meinetwegen einen Umweg machen."
„Meinst du etwa, ich lasse dich bei dem Wetter laufen?"
„Ich könnte ja hier warten, bis -"
„Deine Adresse?", fiel sie mir ins Wort.

Sie lächelte freundlich, und ich hatte gar keine andere Wahl, als mich von ihr nach Hause fahren zu lassen. Es waren keine 5 Meter bis zum Wagen und trotz des Schirmes, den sie mir über den Kopf hielt, klatschte mir der Regen ins Gesicht. Nachdem wir eingestiegen waren, wischten wir uns beide die Gesichter trocken - mit unseren Ärmeln.

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