~~~23~~~

77 3 0
                                    

Mit aller Kraft reiße ich meinen Arm nach oben, strecke meine Finger und hoffe das kleine Glöckchen zu treffen. Doch ich schlage in die Luft und muss mich sogleich wieder an einem Stein festklammern. Ich hänge gute 30 Meter über dem Boden an einer Klettermauer und kratze bereits meine letzte Energie zusammen, um diese Kletterroute endlich abschließen zu können. Abgesichert werde ich von Berthold - ein wirklich schlanker und hochgewachsener Junge. Ich habe ihn zu Schulbeginn als meinen Partner ausgewählt, was ich mittlerweile etwas bereue. Berthold ist zwar ein netter Kerl, aber seine Augen sind andauernd auf jemand anderes gerichtet. Wie soll er in einer gefährlichen Situation richtig reagieren, wenn er sie erst gar nicht mitbekommt?

Schwer atmend und schweißgebadet kneife ich meinen Augen zusammen und schiebe dieses Thema zur Seite. Komm schon, Eren! Ein letzter Versuch noch! Während Shadis Schreie und die Gelächter anderer Kursteilnehmer durch die Halle wandern, aktiviere ich noch ein letztes Mal meine schmerzenden Glieder und drücke mich hoch, sodass ich kurz den Halt unter meinen Füßen verliere. Diese geringen Zentimeter machen mir es möglich mit meinen Fingerspitzen die kleine Klingel zu berühren und es läuten zu lassen. Das Ziel des Parcours erreicht zu haben verschafft mir ein Gefühl der Genugtuung. Bei entstandener Erleichterung vergesse ich eine Millisekunde meine Beine anzuspannen und sie geben beim Aufkommen auf den kleinen Steinen nach und ich beginne zu fallen. Auch wenn einem kurz das Herz in die Hose rutscht, weiß man, dass einem das Sicherheitsseil auffängt und man anschließend in seinem Klettergeschirr sitzt. Wie weit man fällt hängt hier von der Reaktionszeit des Kollegens ab, der mit seinen Gedanken jedoch ganz woanders ist. Durch seine Unaufmerksamkeit ist die Länge des Seiles, dass mir zur Verfügung stehen sollte, relativ lange. Ich falle gut die Hälfte der Kletterroute, bevor ich schwer in das Geschirr falle, was leichte Schmerzen auslöst. Als dies geschieht, hebt Berthold mit einem kurzen Ruck einige Zentimeter vom Boden ab, bevor er erschroken nach dem Sicherungsseil greift, das an seiner Ausrüstung angemacht ist. Sofort holt er sich seinen festen Stand zurück und hält mich auf der jetzigen Höhe. Das bekomme ich jedoch nur so nebenbei mit, denn der Schreck, so tief zu fallen und die anschließenden betäubenden Schmerzen, die blaue Flecken versprechen, lassen mich erstarren und ich kümmere mich nicht darum, dass ich nun gegen die Wand klatsche und zum Stillstand komme. Dabei drücken sich vereinzelte Steine an meinen Körper, sowie meinen Schädel, was nun leichte Kopfschmerzen auslöst. Um diese kümmere ich mich jedoch nicht großartig. Kaum habe ich meine Angst hinuntergeschluckt schießt das Adrenalin in meinen Körper und ich kann mein Herz klopfen hören. Aufgeregt stütze ich mich mit meinen Beinen an der Wand ab und sehe zu Berthold. Sobald ich das OK habe, gleite ich langsam nach unten. Dieser kleine Vorfall blieb den Mitschülern und vorallem dem Lehrer nicht unbemerkt und ich komme vor einer kleinen Menschentraube am Boden auf. Berthold beginnt sich tausendmal zu entschuldigen, während Shadis sich nach meinem Zustand erkundigt. Ich tue die ganze Besorgnis meiner Mitmenschen mit einer kurzen Handbewegung ab, bevor ich lächelnd Richtung Umkleide gehe. Shadis nimmt dies als genügend hin und wendet sich nun Berthold mit einer Standpauke zu.

In den Umkleiden schließe ich die Tür zur Halle und atme einige Male tief ein und aus. Noch rast mein Herz, aber dass wird sich schon noch beruhigen. Als ich nun vor dem Spiegel oberhalb des Waschbeckens stehe, erkenne ich mein kreidebleiches Gesicht. Leicht erschreckt es mich, woraufhin ich den Wasserhahn drehe und von ihm trinke. Mit dem Handrücken wische ich mir die nassen Lippen trocken und starre erneut in meine unnormal goßen Pupillen. Oder hatten sie immer schon diese Größe? Ich verliere mich ein bisschen in meinem Spiegelbild, stütze mich am Waschbecken ab und lehne mich nach vorne. Dabei hauche ich den Spiegel an, welcher anschlägt. Es stört mich etwas, aber nach kurzer Zeit wird das Ausmaß der angeschlagenen Stelle kleiner. Jedoch ist dies auf meinen immer flacher werdenden Atem zurückzuführen und ich schaffe es nicht meinen Herzschlag zu beruhigen. Mit jedem Mal Luftholen bekomme ich weniger Sauerstoff, was mich nur schneller danach schnappen lässt. Bleib ruhig Eren, alles wird gut. Nervöser, als ich zugeben möchte, greife ich nach meinem Herzen und spüre es in einer sehr abnormalen Geschwindigkeit pochen. Ich kann mich nur mehr darauf konzentrieren und drücke meine Handflächen fest an meine Brust. Das Blut rauscht in meinen Ohren und dummerweise vergesse ich auf meine Atmung zu achten, was zur Folge hat, dass sie komplett außer Kontrolle gerät. Was passiet hier schon wieder mit mir?! Was- ... Mir wird schwindlig und leicht schwarz vor Augen. Eren! Atme! Ich weiß, was ich tun muss, aber ich tue es nicht! Wieso atme ich nicht normal! ... Ich muss mich setzten. Langsam torkle ich von der Toilette in den Nebenraum, die Umkleide. Doch dieser Gedanke kam leider zu spät und beim verlassen meiner Kraft sinke ich langsam zu Boden.

Gebraucht (Eren x Levi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt