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"... Dankeschön für Ihre Auskunft! Ich werde mich ein weiteres Mal melden, sobald ich mich entschieden habe. Wiederhören!" - "Wiederhören!" Ein Piepsen ist zu hören und ich sehe den Anruf auf meinem Bildschrim verschwinden. Wenn das nun geklappt hat, habe ich soeben einen neuen Finanzierer an Land gezogen. Zufrieden zücke ich eine Zigarette und zünde sie mir an. Ich mache einen tiefen Atemzug und genieße den rauchigen Geschmack des Tabaks. Es ist überraschend beruhigend und lässt mich gleich daran denken anschließend noch eine zu rauchen. Ich schüttle den Kopf. Reiß dich mal am Riemen, Levi! In letzter Zeit konsumiere ich auffällig viel von dem Zeug. Ich möchte doch nicht abhängig werden. Nach meinem letzten Zug werfe ich den Zigarettenstummel weg und schlendere zu der Glastüre. Als ich das Gebäude betrete und Eren einige Meter vor mir am Boden sitzen sehe werde ich stutzig. Seine Knie hat er ganz zu sich gezogen und hält die Ohren mit seinen Händen zu. Jetzt, da ich ihm näher bin verstehe ich, was er in Dauerschleife von sich gibt: "Sei still." Vorsichtig nähere ich mich ihm, sehe, wie verotzt und verheult er ist und fange an Panik zu bekommen. Was ist los mit ihm? Zuerst spreche ich ihn in einer normalen Lautstärke an, aber es wirkt, als hätte er alles um sich ausgeblendet. Also agiere ich nun anders: "Eren!", dabei packe ich ihn an beiden Schultern und versuche ihn ruhig zu halten, weil er wie wild hin und her wippt. Kurz habe ich gedacht, es wäre gelungen, da der Braunhaarige kurz inne gehalten hat und leise geworden ist. Aber im nächsten Augenblick reißt er seinen Kopf hoch und man hört ein dumpfes Geräusch, als sein Schädel an der Wand aufkommt, an der er sich angelehnt hat. Geschockt starre ich in seine Augen die gerade dabei sind zuzufallen während sein Körper auf den Boden kippt. Das war so unerwartet, dass ich gar nicht reagieren konnte. Was soll ich jetzt tun?! "Oh Gott! Eren!", rutscht mir heraus. Total überfordert schüttle ich den Liegenden an seiner Schulter und rufe verzweifelt seinen Namen. "Scheiße." Als mir bewusst wird, dass das nichts hilft und er nicht so schnell zu sich kommen wird fällt mir auf, dass sich eine kleine Lacke Blut um seinen Kopf gebildet hat. Das Erste, was mir durch meinen Kopf schießt ist "Tod", aber diesen lächerlichen Gedanken verdränge ich sofort und hole mein Handy heraus und fange an einen Notruf abzusetzen. Diese gesamte Aufregung bringt mich komplett durcheinander und die Dame am Telefon versucht mich zu beruhigen. Nach einigen Minuten treffen auch schon die Sanitäter ein, die ich zu uns winke. Sie scheinen total gehetzt aber kontrolliert zu uns zu laufen, aber es scheint, als würden sie aufatmen, als sie den Ohnmächtigen- mit meinem total unprofessionellen Kopfverband - sehen. Ich verstehe nicht ganz was es da zum Aufatmen gibt, aber ich bin einfach nur froh, dass jemand hier ist und Eren versogrt. Ich halte den ersten zwei die Tür auf, die mit ihren riesengroßen Erstehilfe-Rucksack hineinstampfen. Die dritte Person, eine junge Erwachsene, nimmt sich anschließend mir an und beginnt mit mir zu sprechen: "Hallo, ich bin Nanaba. Sind Sie die Person die angerufen hat?" Ich nicke bloß, "Sehr gut. Wir tun alles in unserer Macht stehende, damit es ihrem Freund schnell wieder besser geht. Er ist in guten Händen." Obwohl ich das natürlich weiß, ist es eine unglaubliche Erleichterung das von einem Profi zu hören. Ich atme schwer aus und versuche einen Blick von Eren zu erhaschen, der gerade von einem der Sanitäter verdeckt wird. Zeitgleich bittet mich die Dritte die Tür loszulassen und sie fällt zu. Das Gespräch wird weiter geführt: "Sind Sie auch verletzt?" Ich verneine, "Übelkeit? Schwindel? Sonstiges Unwohlsein?" Trotz meines erneuten Verneinens bittet mich die Frau mich zu setzten. Nun hocke ich auf einer Parkbank neben dem Eingang und kann zusehen wie die Blonde die Tragbare aus dem Rettungsauto zieht und in das Gebäude bringt. Dennoch spüre ich ihre Blicke auf mir. Wenn das nicht ihr Job wäre, würde ich das als gruselig bezeichnen. Nanaba hält nun die Tür auf und ihre Kollegen schieben Eren auf der Bare hinaus. Er ist mit unzähligen Gurten festgeschnallt und sein Kopf ist nun viel besser in Bondagen eingepackt, als zuvor. Meine Augenlider fühlen sich momentan wirklich schwer an. Das gesamte Szenario verfolge ich mit einem faden Blick und bemerke gar nicht, wie meine Hände leicht zittern. Das alles hat mir eben mehr zugesetzt als ich zugeben möchte. Bitte lass es ihm gut gehen! Bitte lass es ihm gut gehen! Bitte lass es ihm gut gehen! Ich beschließe mir meine Trinkflasche aus meiner Turnhalle zu holen und stehe auf. Doch mit dieser einen Bewegung dreht sich plötzlich alles und ich muss mich an der Wand abstützen. Mir wird dadurch kurz schlecht und ich halte mir instinktiv den Mund zu. Dabei Atme ich eine volle Ladung vom Gestank des getrockneten Blutes an meiner Hand ein und es schaltet sich kurz ein Würgreflex ein. Die junge Sanitäterin hat dies natürlich alles gesehen und stützt mich sofort. "Es ist normal einen kleinen Schock zu erleiden und zu kolabieren. Ein Unfall gehört nicht zu den alltäglichen Sachen - es reagieren viele sehr empfinndlich darauf. In kurzer Zeit werden Sie sich wieder besser fühlen. Haben Sie jemanden, der Sie abholen kann?" - "Ich bin mit meinem Auto hier." - "Es tut mir leid, aber in diesem Zustand darf ich Sie nicht gehen lassen. Wir nehmen Sie besser mit. Sollte sich Ihr Zustand verschimmern können wir uns sofort um Sie kümmern." Ich willige ohne große Diskussion ein und kurze Zeit später sitze ich neben Eren im Rettungswagen. Der Geruch nach Desinfektionsmittel und Blut ist wirklich unangenehm und der Anblick meines verletzten Mitschülers lässt mich bangen.

Später in der Klinik erfahre ich vom Doktor, dass die Kopfverletzung nur eine kleine Schrame ist und man sich keine großen Sorgen zu machen braucht. "Kopfverletzungen verursachen immer viel Blut. Es sieht schlimmer aus, als es ist." Wurde mir erklärt, "Jedoch möchten wir ihren Kollegen noch ein oder zwei Tage beobachten. Es besteht die Möglichkeit, dass er eine Hirnershütterung hat. Auch nichts tragisches." Ich nicke bloß und werde nach einer Verabschiedung mit dem Bewusstlosen im Raum zurückgelassen. Ich sitze direkt neben dem Krankenbett und starre kurz auf den Jugendlichen, bevor ich meine Augen schließe und schlucke. Das war heute zu viel Aufregung für so wenig Schlaf. Langsam öffne ich die Augen wieder und blicke auf meine Ärmel hinunter, die ich mir über meine gewaschenen Hände ziehe. Die Ärmel sind zwar auch etwas vollgesaut, aber der Dreck ist schon getrocknet. Ich muss mir wohl eine neue Weste kaufen. Erneut sehe ich zu Eren, der noch immer komplett regungslos in dem Krankenbett liegt. Jetzt, wo ich mir sein Gesicht genau ansehen kann, fällt mir auf, wie voll seine Lippen sind. Außerdem hat er besonders lange Wimpern und eine echt süße Stupsnase. Seine Gesichtsform und die Wangenknochen lassen ihn allerdings sehr maskulin wirken. Er ist wirklich eine Augenweide ... Am liebsten würde ich ihm ein kleines Küsschen auf die Wange geben. Meine Aufmerksamkeit wandert zu seiner freiliegenden Hand, die ich mit meinen umschließe und beginne zu streicheln. Sie ist schön warm und so viel größer als meine. Ich führe sie an meine Wange und behalte sie kurz da, bevor ich mit meinen Lippen darüber fahre und sie vorsichtig auf meinem Schoß ablege. Nach einer kleinen Ewigkeit öffnet sich die Tür und Erwin, den ich zuvor kontaktiert habe, kommt herein. Er nähert sich nicht, hat seine Hände in den Jackentaschen vergraben und wirft mir einen aufmunternden, aber auch traurigen Blick zu. Als er zu einem Satz ansetzten wollte, lege ich die Hand mit den beachtlich langen Fingern zurück und stehe vorsichtig auf. Ich lege eine kleine Notitz auf dem Beistelltisch ab und verschwinde mit Erwin aus dem Raum.

Ich kann Eren noch immer nicht leiden ... ganz bestimmt nicht, aber ... Ich habe eine solche Angst um ihn. Mein Herz hört einfach nicht zu klopfen auf, wenn ich an ihn denke und vor Aufregung wird mir ganz warm. Wieso muss ein solcher Unfall meinem Kameraden passieren? War ich schuld daran? Hätte ich den Anruf lieber nicht entgegen nehmen sollen?

Gebraucht (Eren x Levi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt