Wie immer bin ich einer der ersten im Klassenzimmer. Meinen Ranzen werfe ich zu meinem Sitzplatz, sobald ich mein Frühstück herrausgeholt habe und bequeme mich auf die breite Fensterbank. Während ich genüsslich in den saftigen Apfel beiße, inspiziere ich die fahrenden Autos, die ankommenden Schüler und die pickenden Tauben. Es ist mir ein Rätsel, wieso Vögel freiwillig in der Stadt leben. Es ist schmutzig und gibt viel zu viele Menschen und zu wenig Platz. Diese Tiere könnten ganz einfach weit, weit weg fliegen und brauchen nie wieder zurück zu kommen. Niemand schreibt ihnen etwas vor und sie können beinahe überall überleben und dennoch treffen sie die schrecklichste Wahl und bleiben in der Menschenwelt, in der nicht die unbarmherzige Natur, sondern der teuflische Mensch reagiert. Sie haben auf das kleinere Übel verzichtet, um im Dreck zu hausen und Müll zu essen. Seltsame Wesen. Als ich meinen Gedanken beendet habe, mache ich eine ungewöhnliche Entdeckung: Ich sehe Armin aus einem ziemlich teuren Auto aussteigen, gefolgt von Erwin. Was hat das denn zu bedeuten? ... Vermutlich nichts. Ich werde ihn bei Möglichkeit darauf ansprechen. Erwin hat meinen Freund sicher nur irgendwo aufgegabelt. Ich schweife mit meinen Gedanken wieder ab. Ich freue mich schon wieder total aufs Wochenende - Samstags habe ich wieder meine Kletternachhilfe mit Levi. Es sind schon einige Wochen vergangen, seit dem ersten Treffen und ich denke, dass ich mittlerweile der Beste der Schulgruppe bin - gleich nach Levi ... und Mikasa. Muss wohl in den Genen liegen. Ich stehe auf, werfe die Reste meines Apfels weg und setzte mich wieder an meinen Fensterplatz zurück. Die Stunden mit Levi machen echt Spaß. Ich merke, wie sehr er sich bemüht mit mir auszukommen und freundlich zu sein. Seine Worte sind zwar immer noch sehr harsch, aber ich habe das Gefühl, dass wir mittlerweile echt gute Freunde sind. Auch ich mag ihn. Vorallem liebe ich es, wenn er klettert und ich seine Bewegungen verfolgen kann. Wenn er ganz oben ankommt und sich anschließend hinunter lässt, kann man seine Beinarbeit dabei sehen, da man sich beim Abseilen von der Wand abstoßen muss - der Wahnsinn! Der Kurze ist echt ein cooler Kerl. Es muss ein super Gefühl sein er zu sein. Hoffentlich ist die Woche schnell vorbei!
Juchu! Endlich ist Samsatg! Ganz aufgeregt packe ich mein Zeug fürs Klettern zusammen und verschwinde aus dem Heim. Die Andauernde Abwesenheit scheint die Betreuer offenbar nicht zu stören, was mir nur gelegen kommt. Am Schulgelände angekommen sehe ich bereits Levi, der rauchend vor der Kletterhalle steht. Er macht noch einen letzten Zug, bevor er das Ding auf den Asphalt schmeißt und es mit dem Fuß ausdrückt. "Habe ich dir nicht gesagt, ich warte nicht? Du bist spät." - "Haha, sorry. Ich hab die Zeit übersehen." Mit dieser Begrrüßung begeben wir uns in das leere Gebäude und befinden uns gleich darauf auf irgendeiner Wand. Als ich gerade bei der Hälfte der Strecke bin, läutet Levis Handy. Ich blicke hinunter und sehe, wie der Schwarzhaarige das Display anstarrt, kurz überlegt und mich hinunter winkt. Ich lasse mich hinab und habe sogleich wieder festen Untergrund unter den Füßen. "Tut mir leid. Das ist ein wichtiger Anruf." Mit einer Handbewegung tue ich seine Entschuldigung ab und blicke ihm hinterher, wie er eine Nummer wählt und aus der Halle verschwindet. Die erste Zeit drehe ich wortwörtlich Däumchen, bis es mir zu doof wird und mich hinsetzte. Meinen Kopf lasse ich wiederholend sanft gegen die Wand klopfen.
Was dauert denn da so lange?! Es ist mit Sicherheit schon mehr als eine halbe Stunde um! Was soll denn das! Ich tue es dem Oberschüler gleich, lege mein schweres Klettergeschirr ab und schlendere in Richtung Ausgang. Es ist ziemlich dunkel und einsam. Der seltsame Turnhallengeruch wird stärker. Meine Schritte hallen wieder. Sonst ist nichts zu hören und nichts zu sehen. Nur der endloslange Gang, an dem am Ende die schwere Glastür nach draußen wartet. Wirklich gruselig, wenn man darüber nachdenkt. Aus dem Nichts überkommt mich ein Schauer und mein Herz beginnt leicht schneller zu schlagen. Ich beschleunige meinen Gang. Daraus resultiert ein lauteres Aufkommen meiner Schuhe am Boden, was mehrere Echos verursacht. Leicht beginne ich zu schwitzen und verstehe meine Situation genau gar nicht. Was ist denn jetzt schon wieder los?! Ich falle aus mir unbefindlichen Gründen in totale Panik. Wieso bin ich so außer Atem? Warum erreiche ich die scheiß Tür nicht? War der Weg immer schon so lange? Wieso wird es immer lauter? Mittlerweile schweißgebadet und komplett außer Atem reiße ich automatisch meine Hände hoch und lege sie schützen auf meinen Kopf. Ich habe keine Ahnung wieso ich das tue. Die Kontrollle meines Körper ist weg und er reagiert wie von selbst. Zusätzlich hat sich zu meiner ohrenbetäubenden Atmung und meinem unerträglichen Gestampfe noch ein anderes unangenehmes Geräusch hinzugemischt. Es passt genau gar nicht in dieses Bild - ein Klingeln. Leise aber penetrant. Was zum Teufel soll das?! Wieso ist alles so intensiv?! Der extreme Geruch meines Schweißes und der Turnhalle steigt mir in die Nase. Das, was ich zuvor als angenehm und nicht störend empfunden habe, beginnt mir zu viel zu werden. Meine Augen fühlen sich an, als würden sie gerade in FLammen stehen. Ich presse sie zusammen, lasse die wenige Flüssigkeit meine Wangen hinunterlaufen und bleibe stehen. Ich halte mir die Ohren zu, nehme dennoch dieses konstante Piepsen und Schwindel wahr. Rückwärts taumle ich zu einer Wand, an der ich mich angelehnt hinunter schiebe und mit angezogenen Knien hocken bleibe. WAS IST DAS?! Ich beiße meine Zähne zusammen, fange an zu weinen und versuche den Rotz meiner laufenden Nase hochzuziehen. Mein Körper wippt vor und zurück, während ich jammernde Geräusche von mir gebe. Ich schüttle wie wild den Kopf, indem sich alles dreht, und möchte, dass diese unglaubliche Folter aufhört. Ich fange an meiner Umgebung zu befehlen still zu sein. Es ist nicht mehr ertragbar. Es fühlt sich an, als würde mein Schädel jeden Moment platzen. Plötzlich packen mich an beiden Schultern, zwei kräftige Hände, die mich kurz erschrecken, sodass ich meinen Kopf hoch sausen lasse, den ich dann ungeschickterweise gegen die Wand schlage und im nächsten Augenblick falle ich zu Boden. Während meine Sicht langsam erlischt sehe ich Levi, der ganz aufgelöst vor mir kniet und sich sorgt. "Oh Gott! Eren!", ist das letzte was ich höre, bevor ich wegtrete.
Hab ich nicht gesagt, ich bekomme meine Emotionen in den Griff? Warum reagiere ich schon wieder über?
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Gebraucht (Eren x Levi)
Fiksi PenggemarEren schafft es tatsächlich ein heißbegehrtes Stipendium seiner Traumschule zu ergattern. Zu Anfang steht für ihn nur der Klettersport im Vordergrund - ein Nebenfach und der Grund seiner Schulwahl. Jedoch birgt das neue Umfeld mehr Veränderungen, al...