Kapitel 1

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Anders. Nach all den Jahren erfuhr ich nun endlich, warum ich anders war als all die anderen hier in Asgard. Das Gefühl, nicht hierher zu gehören, hatte ich schon lange gehabt. Doch nun wusste ich endlich den Grund - ich war niemals ein Teil dieser Welt gewesen, hatte nie dazu gehört. 

Mein Leben war ein kosmischer Fehler - ein verächtliches Lachen aller neun Welten. Und nun war mir klar, warum ich Thor nie ebenbürtig sein würde. Er war der Sohn des Königs von Asgard, der Sohn Odins, des Allvaters, sein Thronfolger.

Ich dachte nur der Zeitpunkt unserer Geburt würde uns voneinander unterscheiden, doch ich hatte mich wohl geirrt. Alles ergab nun einen Sinn: Dass Odin mich nie mit demselben Blick angesehen hatte, wie er Thor ansah, voller Stolz. Mein ganzes Leben lang hatte ich versucht, Odin zu beweisen, dass auch ich es wert war, so angesehen zu werden. Der Grund, der mich immer minderwertig gemacht hatte, war, dass ich nicht nach Asgard gehörte, kein Asgardianer war, und schon gar nicht der Sohn des Allvaters, Prinz von Asgard.

Ich war nur ein zum Sterben zurückgelassenes Kind gewesen, als Odin mich, Loki, auf Bitten meiner Mutter Frigga, die nicht meine leibliche Mutter war wie ich nun wusste, mit nach Asgard genommen hatte. Er war gerade nach der siegreichen Schlacht gegen die Eisriesen in Jotunheim dabei gewesen, nach Asgard zurückzukehren, als er in den Trümmern des Eispalastes ein Wimmern hörte. Dieses Wimmern war ich gewesen. Der Sohn des gefallenen Königs der Eisriesen.

Genauso hatte Odin es gesagt, nachdem er und Frigga mir jahrelang erzählt hatten, ich sei ein Teil ihrer Familie.

Eine Welle von Emotionen überrollte mich und ich sank an der Wand meiner Gemächer, in die ich inzwischen zurückgekehrt war, zusammen. Verwirrung, Hass, Trauer - ein Gemisch von Emotionen, das ich mir nicht erklären konnte, bisher hatte ich nie so gefühlt. Und mindestens eintausend Fragen tauchten in meinem Kopf auf und machten es mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.

Immer wieder hallten Vaters - nein Odins- Worte in meinem Kopf nach: "Als ich dich fand warst du nur ein kleines wehrloses Baby, das dem König der Eisriesen wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein schien."

"Was soll das bedeuten?", meine eigene Stimme klang sogar in meiner Erinnerung brüchig und leise.

"Dass du niemals mein Sohn warst oder sein wirst" Die Stimme des Allvaters war laut geworden, fast schrie er mir die Worte entgegen...

Mein Kopf schmerzte, ich krümmte mich an der Wand zusammen und presste die Hände an die Stirn in dem Versuch, die unerwünschten Gedanken aus meinem Kopf fernzuhalten. Eine weitere Szene aus meinen Erinnerungen hielt Einzug in mein Bewusstsein.

Meine Mutter Frigga, die mich im Arm hielt und vor Freude schluchzte, und Odin - wie ich nun wusste mein Ziehvater - der sich von uns abwandte und sich seinem anderen Sohn Thor zuwandte, um ihm zu seinem Sieg in der letzten Schlacht zu gratulieren, aus der wir beide soeben zurückgekehrt waren.

Die Szenerie verschwamm in den Tränen, die sich ihren Weg in mein Blickfeld gebahnt hatten. Müde von all den neuen Ereignissen des heutigen Tages schlossen sich meine Augen wie von selbst und nach einer Weile verstummten auch die Erinnerungen in meinem Kopf.

Loki Life - Freedom is life's great lie. (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt