Kapitel 7

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Die Nacht war leise und friedlich, entfernt hörte man Gelächter wahrscheinlich aus einer der Tavernen, wo womöglich Thor seine Nacht verbrachte, und vom Waldrand her vernahm ich den Ruf eines Käuzchens.

Da ich seit Tagen das Schloss nicht mehr verlassen hatte, genoss ich den Wind auf meiner Haut. Ich ließ meinen Blick über die Häuser schweifen, bis plötzlich ein Leuchten vom Bifröst her, dem einzigen und magischen Weg zu den anderen acht Welten, meine Aufmerksamkeit erregte. Verwundert zog ich meine Stirn in Falten, denn um diese Uhrzeit hielt sich dort normalerweise niemand mehr auf, außer dem Wächter.

Da Neugier schon immer meine größte Schwäche gewesen war, konnte ich nicht anders, als meine Beine über das Geländer zu schwingen und die wenigen Meter bis zum Boden mit einem kräftigen Sprung zu überwinden.

Um nicht so einen Lärm zu veranstalten und das ganze Schloss aufzuwecken, verlangsamte ich meinen Fall trotzdem mit einer kleinen Menge Magie. Hätte Vater davon etwas mitbekommen, hätte ich mich schon auf die nächste Moralpredigt gefasst machen können. Doch glücklicherweise landetet ich sanft und niemand hatte mich beobachtet, nirgendwo bewegte sich etwas hinter der Fenstern, kein Licht wurde entzündet.

Meine Neugier trieb mich an, die Straße herunter zu laufen in die Richtung, in der ich die Quelle des Leuchtens vermutete.

Auf Zehenspitzen schlich ich durch die Gassen und versuchte kein Geräusch zu verursachen. Mir fiel es schwerer als gedacht, in der Dunkelheit etwas zu erkennen, doch ich wagte es nicht eine der kleinen, bläulichen Magieflammen in meinen Händen zu entfachen, wie ich es schon tausendmal als Übung gemacht hatte.

Ebenso hätte ich mich in ein Tier verwandeln können, dessen Augen bei Nacht besser sahen als die eines Asen oder Eisriesen, doch ich war mir nicht gänzlich sicher, keine Zuschauer zu haben. Deshalb entschied ich, dass das Risiko zu groß war, gesehen zu werden. Und außerdem wäre eine Großkatze, die des Nachts durch die Straßen Asgards schlich, wie ein Puma oder Ähnliches, zu auffällig gewesen, denn diese Tiere lebten kaum im Inneren der Städte.

So schlich ich also den ganzen Weg in meiner Asengestalt hinunter zum Bifröst vorbei an Tavernen und Geschäften, aber auch an dem einen oder anderen Wohnhaus mit ihren dunklen Fensteraugen, die auf mich hinabsahen.

Ich genoss das kleine Gefühl der Freiheit, denn ich liebte die Nacht und die Dunkelheit.

Der Mond, der halb von Wolken verdeckt war, schien silbrig-weiß auf die Dächer der Häuser und auf die Pflastersteine der Straße.

Der Ablick erinnerte mich an eine Nacht aus meiner früheren Kindheit, als Thor und ich uns noch näher gestanden hattenen. Damals waren wir nachts heimlich aus dem Palast geschlichen durch eine unabgeschlossenen Tür in der Küche und wollten uns das nächtliche Treiben außerhalb der Mauern ansehen. Diese Nacht wollte ich nutzen, um Thor das Geheimnis meiner neu entdeckten Kräfte anzuvertrauen. In einer abgelegenen Gasse also blieb ich plötlich stehen und ließ Flammen in meinen Händen aufflackern. Thor, der vorausgelaufen war, drehte sich um und bekam den Schreck seines Lebens. Auch als ich versuchte, ihn zu beruhigen, verkroch er sich ängstlich in einer Ecke und nutzte die erstbeste Gelegenheit, vor mir und meinen Kräften zu fliehen. Natürlich rannte er auf dem schnellsten Weg zu Vater und Mutter, die nicht sonderlich erfreut waren über unseren nächtlichen Ausflug.

Die Angst und Abscheu, die ich damals in Thors Augen sehen konnte als er sich hinter Vaters Beinen versteckte, war niemals wieder wirklich gewichen und von damals an hatte sich unser Verhältnis stetig verschlechtert. Auch Odin hatte mich seitdem anders behandelt, er zeigte offen seine Abneigung gegenüber meiner Magie.

Loki Life - Freedom is life's great lie. (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt