Kapitel 51

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Nicht einmal hier blieb mir das erspart.

"Vermisst du mich schon wieder, Bruder?", konnte ich die vor Sarkasmus triefende Frage nicht zurückhalten. "Du hast doch bestimmt eine Lady in deinen Gemächern, die sehnsüchtig auf dich wartet, nachdem du Wochen deiner Zeit verschwendet hast, um mich zu suchen und hierher zurück zu schleppen."

"Witzig Bruder, doch ich bin nicht hier, weil ich keine anderen Sachen zu tun habe. Du wirst vor Odin erwartet, also kleide dich anständig. Vater erwartet, dass du nicht vor ihm auftrittst gekleidet wie ein Bettler."

Genau so kannte ich Odin. Immer um den äußeren Schein besorgt. "Hat er Angst, dass jemand das erkennen könnte, was wahr ist? Dass ich nicht mehr freiwillig hier bin und dass er seinen eigenen Ziehsohn in einem Kellerverließ einsperren lassen muss, damit ich nicht wieder all dem hier den Rücken kehre?"

"Und wenn du es wieder und wieder versuchst. Bisher habe ich dich jedes Mal wiedergefunden und zurückgebracht.", konterte Thor.

Das musste ich zugeben, er hatte Recht. Doch zuvor  hatte ich nie die richtige Motivation gehabt, von der Bildfläche zu verschwinden. Ich war immer wieder zurück gekehrt, auch wenn es nur war, um meine Mutter wieder zu sehen. 

Ich hatte keine Kraft mehr, zu streiten. Um ehrlich zu sein, wollte ich nur wieder zurück in meinen Traum. Zurück zu Deus. Und zurück zu dem Gefühl, ganz zu sein.

"Du hast eine Stunde. Ich hole dich nachher hier ab. Mach dich zurecht.", wies mich Thor erneut an, deutete auf einen Stapel Kleidung, der in der Ecke lag,und verließ dann den Raum.

Eine Wut überkam mich, die mein klares Denken vernebelte. Ich wurde hier her zurück verschleppt und nicht einmal meine reine Anwesenheit, die Odin ja offensichtlich so überaus wichtig war, war genug. Nie war ich genug gewesen. Ganz im Gegensatz zu Thor, dem perfekten Sohn. 

Ich hatte keine Kraft mehr, wütend zu sein und der Wut und dem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Ich hatte keine Kraft mehr, um überhaupt aufzustehen und mich Odin, Thor, Frigga und meinem zurückgelassenen Leben auf Asgard zu stellen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wieder der einsame und in sich geschlossene Loki zu werden, der die Tage allein in der Bibliothek verbrachte. Ein Loki ohne Freunde.

Trotzdem erhob ich mich seufzend von der Pritsche und schleppte mich zur Nasszelle. Ich schälte mich aus T-shirt und Jogginghose. Die blauen Flecken waren inzwischen am Verblassen und wechselten ihre Farben zu grün-gelblich. Sie erinnerten mich daran, dass meine Zeit auf der Erde noch nicht so lange her war, wie es sich anfühlte. Ich war vor wenigen Stunden erst auf Asgard gelandet, trotzdem fühlte es sich an wie Ewigkeiten.

Obwohl ich nicht übel Lust hatte, aus reinem Trotz meine midgardianische Kleidung anzubehalten, wusste ich, dass es keinen Sinn hatte. So kleidete ich mich in die Sachen, die Thor für mich liegen gelassen hatte. Ich hatte gehofft, diese Kleidung nie wieder tragen zu müssen. Ich war bereit gewesen, mein priveligiertes Leben hier aufzugeben und ein einfaches Leben unter Menschen zu führen.

Die Kleidung ließ mich wieder wie ein Prinz fühlen. Ein Gefühl, das ich nicht empfinden wollte. Ein Gefühl von Einsamkeit.

Mit der Kleidung von der Erde verlor ich auch Deus' Geruch, der mir Kraft und Hoffnung gegeben hatte.

Loki Life - Freedom is life's great lie. (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt