Kapitel 31

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Mit etwa 20 Minuten Verspätung kam ich am angegeben Raum an und konnte schon die Stimme des Professors durch die Tür hören.

Leise öffnete ich die Tür und blieb daneben stehen. Der Professor - ein für einen Professor noch recht junger Mann mit Brille und braunem Haar - erläuterte seinen Studenten, die sich so zeitig an einem Montag morgen in Hörsaal eingefunden hatten, gerade etwas zu geschichtlicher Quellenarbeit - ein wirklich trockenes Thema. Das sahen offenbar auch seine Studenten und er selbst so, denn alle gähnten hin und wieder und auf dem Pult vorn stand eine große Tasse mit Kaffee.

Ich überlegte kurz, ob ich bei diesem langweiligen Thema nicht lieber wieder gehen sollte, doch dann entschloss ich mich zu bleiben und seinen Ausführungen zu lauschen.

Also suchte ich mir möglichst unauffällig einen Platz, doch alle hinteren Plätze waren schon besetzt. So blieb mir kaum etwas anderes übrig als mich in eine der vorderen Reihe zu setzen.

Nach etwa einer halben Stunde seiner Erläuterung waren wirklich alle sehr schläfrig geworden und aus den hinteren Reihen konnte ich ein leises Schnarchen vernehmen. Da schlug der Professor mit Schwung einen dicken Wälzer zu und alles im Saal schreckte auf. Sogar das Schnarchen hörte abrupt auf. Leises Gemurmel ging durch die Reihen.

"So... Nachdem nun alle hier ihren wohl dringend benötigten Nachtschlaf nachgeholt haben, können wir nun richtig mit den wichtigen und interessanten Themen beginnen.", schallte die Stimme des Lehrenden durch den Raum. Er nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee.

"Um Sie alle hier ein wenig auf Trab zu bringen, dürfen Sie nun mitmachen. Also, Sie da hinten, wie ist Ihr Name?", fragte der Mann und zeigte mit der Hand auf den Studenten hinter mir, von dem ich vermutete, dass er derjenige war, der geschlafen hatte.

"Thomas Vern", murmelte dieser nur.

"Okay, nun Mr. Vern, warum sind sie hier?"

Thomas Vern sah ihn an und ich konnte sehen, wie er verzweifelt nach einer glaubwürdigen Lüge suchte. Professor Clinton, wie es auf seinem Namensschild zu lesen war, erkannte das wohl genauso und, bevor ein Wort über die Lippen des jungen Mannes kamen, fügte er schnell hinzu: "Und bitte keine Lügen, seien Sie ehrlich. Warum haben Sie diesen Kurs gewählt?"

"Ich hatte keine Lust auf Musikgeschichte..."

"Dachte ich es mir doch. Und Sie sind damit höchstwahrscheinlich nicht der Einzige hier.", antwortete er, doch er wirkte nicht wütend über diese ehrliche Aussage, "Ganz ehrlich, als Student hätte ich es nicht anders gemacht. Ich kann ihre Entscheidug nachvollziehen, wer will schon in Musikgeschichte. Da sind doch wirklich nur die Musikstudenten und die werden dazu gezwungen."

Daraufhin lachte der ganze Saal zögerlich. Man konnte förmlich sehen, wie die Stimmung langsam umschlug von träger Schläfrigkeit zu beginnendem Interesse.

Nun ergriff wieder Professor Clinton das Wort: "Sie fragen sich sicherlich, warum ich mit dem langweiligsten Thema überhaupt angefangen habe? Das ist ganz einfach. Um zu sehen wer Durchhaltevermögen hat und wer nach den ersten fünfzehn Minuten wieder geht."

Verwirrtes Murmeln durchzog den Raum.

"Und ich zwinge niemanden hier zu sein. Wer nicht will, kann wieder gehen. Doch denen, die bleiben, kann ich versprechen, dass nordische Mythologie durchaus spannend sein kann. Eine Reise hinein kann besser sein als jeder Film oder jede Serie. Es kommt einem Fantasyroman gleich, in den man eintauchen und sich komplett darin verlieren kann."

Und mit diesen Worten schaltete er vorne einen Beamer an und projezierte ein riesiges Bild an die Wand.

Eine phantastische Zeichnung ähnlich der Regenbogenbrücke, über die ich nach Midgard gekommen war, leuchtete auf, doch die intensiven Farben konnte bei Weiten nicht an die Realität heranreichen.

"Auf geht's. Lasst uns unsere Reise hier beginnen." Professor Clinton war durch und durch begeistert und das hörte man ihm deutlich an. "Kann mir denn schon jemand sagen, was hier abgebildet  ist?"

Keiner der anderen Studenten meldete sich zu Wort. Doch Professor Clinton schaute in keinster Weise enttäuscht oder erzürnt. Er lachte bloß und sagte: "Dafür  sind wir ja hier. Es macht immer wieder Spaß die Reise mit kompletten Neulingen der nordischen Mythologie zu beginnen."

Ein Aufatmen ging durch den Kurs, kurz hatten wohl alle Angst gehabt, der Professor würde wütend oder abwertend reagieren.

Doch bevor Professor Clinton des Rätsels Lösung preisgeben konnte, warf ich in den Raum: "Der Bifröst, die Brücke zwischen Asgard und den anderen acht Welten."

Erstaunt blickte unser Dozent auf. "Nicht schlecht, Mr. ....?"

"Odinson.", verriet ich ihm meinen Namen.

Und schon wieder lachte der Mann auf. " Na Ihre Eltern waren wohl genauso große Fans der nordischen Mythologie wie ich, nicht wahr?"

Wenn er wüsste.

"Ich komme aus Norwegen.", sponn ich meine kleine Lüge, die ich bereits vorhin Alan erzählt hatte, weiter.

"Na das erklärt so einiges.", grinste der Mann. Dann wandte er sich wieder dem Bild zu.

Die restliche Vorlesung verbrachte der ganze Kurs damit, in die Welt von Asgard einzutauchen. Dass einige Bilder nicht im entferntesten etwas mit der Realität auf Asgard oder den anderen acht Welten zu tun hatte, verkniff ich mir zu sagen.

Am Ende der Stunde waren alle ziemlich begeistert, die Freude unseres Dozenten war wohl ansteckend. Auch ich konnte ihn gut leiden und war froh über die Wahl meiner Studienfächer. Vielleicht würde er ja mein Lieblingsprofessor werden. Aber das hing ganz davon ab, wie sich die anderen Dozenten anstellen würden.

Loki Life - Freedom is life's great lie. (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt