Kapitel 54

57 9 1
                                    

Odin war verrückt geworden! Es gab keine andere Möglichkeit.

Er war so sehr von meiner Schuld überzeugt, dass ihn nichts auf dieser Welt eines Besseren würde belehren können.

Kaum wurde die Zellentür hinter mir ins Schloss geworfen, ließ ich mich auf die Pritsche fallen. Odins Gesichtsausdruck verfolgte mich in meinen Gedanken. Ich wusste nicht, was genau geschehen war in meiner Abwesenheit, aber meine Mutter und auch Thor - so schwer es mir auch fiel, das zuzugeben - hatten Recht gehabt. Odin hatte sich verändert. Und das nicht gerade zum Guten.

Er hatte wohl den Verstand verloren, anders konnte ich mir sein Handeln nicht erklären.

Noch Stunden lang konnte ich weder Ruhe noch eine Erklärung finden. Doch irgendwann fielen meine Augen vor Erschöpfung zu.


Ich erwachte und konnte nicht sagen, welche Tageszeit war. Desorientiert drehte ich mich auf meiner Pritsche. Kurz hatte ich gedacht, meine Rückkehr nach Asgard wäre nur ein böser Traum gewesen, doch schnell wurde mir klar, dass ich mich nicht bei Deus und den Anderen befand.

Was sie inzwischen wohl dachten, was mit mir geschehen war? Mir machte der Gedanke auf irgendeine seltsame Art und Weise Angst, dass Deus denken könnte, ich hätte ihn freiwillig verlassen. Wie viel Zeit auf der Erde bisher wohl vergangen war?

Doch wie auch bei den Fragen nach Odins Verhalten und seinen Motiven konnte ich keine Antworten finden. 



Wie viele Tage oder Wochen vergangen waren, konnte ich nicht sagen. Ich hatte jegliches Zeitgefühl und auch das Interesse daran verloren. Seit Tagen hatte ich niemanden mehr gesehen, abgesehen von den mir unbekannten Wachen, deren leise Stimmen ich jedes mal beim Wachwechsel vernahm.

Ich wusste nicht, was in dem Thronsaal über mir vor sich ging und wollte es auch nicht wissen. Die meiste Zeit starrte ich einfach nur an meine Zellenwände und fragte mich, was gewesen wäre wenn. Oder ich ließ in meinem Kopf Szenarien entstehen, die es mir erlaubten, aus der Realität zu fliehen und bei Deus zu sein. Auch jede Nacht kehrte ich in meinen Träumen zu ihm auf die Erde zurück.

Ich lag stundenlang aug meine Pritsche und bewegte mich nicht. Nicht nur, weil ich nicht wollte, sondern auch, weil ich mich kaum noch bewegen konnte. Jede Bewegung bereitete mir Schmerzen. Mein Körper weigerte sich, ohne die ihn aufrechterhaltende Magie zu funktionieren. Trotz, dass ich regelmäßig Essen bekam, wurde mein Körper immer schmaler, meine Knochen waren nun deutlich unter  meiner Haut zu sehen.

Wie ich außerdem in den letzten Tagen beobachtet hatte, verlor meine Haut ihre helle Farbe und zeigte langsame erscheinende blaue Stellen - das Ergebnis der langen Abwesenheit meiner Magie. Meine Abstammung konnte ich nun nicht mehr verbergen, ich verwandelte mich langsam aber sicher zurück in meine ursprüngliche Form, die ich seit Jahren nicht mehr getragen hatte. Ein Eisriese.

Auch deswegen wollte ich nicht aufstehen und einen Blick in den Spiegel werfen, aus Angst vor dem, was ich dort zu sehen bekommen würde. Ich musste selbst für einen Eisriesen kränklich aussehen.

Insgeheim war ich froh, dass mich Deus so nicht sehen konnte. Wie er wohl reagieren würde?

Ich erinnerte mich wieder einmal an den Morgen, bevor ich nach Asgard zurückgekehrt war und an Deus letzte Worte zu mir: "Ich liebe dich." Und wie jedes Mal wünschte ich mir, es ihm auch gesagt zu haben.

"Ich liebe dich." Diese Worte spukten durch meinen Kopf und ließen mich kurz dem Schmerz entfliehen, der Leben nun für mich bedeutete. Doch sie gaben mir auch Kraft.

Obwohl ich wusste, dass es wahrscheinlich sinnlos war, raffte ich mich auf und wollte zu meiner Zellentür gelangen. Doch ich ich kam nicht weit. Ich hatte kaum zwei Schritte gemacht, da knickten meine Beine unter mir weg und ich fiel auf den kalten Steinboden.

Wie ein Häufchen Elend krümte ich mich dort vor Schmerzen. Und als wäre das nicht genug, konnte ich nun auch die Tränen nicht mehr zurück halten. Alle Emotionen stürmten auf mich ein und begruben mich unter sich.

Ich hatte nicht geweint. Nicht seit, der Befragung durch Odin. Ich wusste, er und Thor warteten nur auf ein Zeichen meiner mentalen Schwäche. Ein Zeichen, dass ich innerlich aufgegeben hatte. Doch in diesem Moment war mir alles egal. Es war mir egal, dass ich ihnen genau das gab, was sie wollten.

Doch nicht einmal diesen Moment des emotionalen Zusammenbruchs konnten sie mir lassen. Ich hörte Schritte und nur kurz darauf wurde meine Zellentür geöffnet.

Ich blickte nicht auf, wollte nicht wissen, wer da vor mir stand. Ich hoffte dieser Jemand würde einfach wieder gehen, doch er umfasste meine blauen, abgemagerten Oberarme und richtete mich auf.

Thor.

"Odin will dich sehen."

Loki Life - Freedom is life's great lie. (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt