Kapitel 23

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Sobald der Direktor um die nächste Ecke verschwunden war, stahl sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht. Obwohl ich für Schabernack und Hinterlist normalerweise keinen besonderen Grund oder Anlass benötigte, bereitete es mir bei denen, die er wirklich verdient hatten, besonders viel Freude und Genugtuung.

Mit den Fingerspitzen fischte ich den eben noch fremden Geldbeutel aus meiner Tasche. Ein Blick hinein verriet mir, dass ich wieder einmal Recht behalten hatte, der Direktor hatte eine gute Menge irdischen Geldes bei sich gehabt. Damit sollte ich erst einmal gut zurecht kommen und dann würde ich weitersehen.

Mit einer Sorge weniger versenkte ich den Geldbeutel wieder in meiner Tasche, nachdem ich das Geld herausgenommen hatte. Mein Plan war es, den Rest mit den verschiedensten Ausweisen und kleinen Plastikkarten bei geeigneter Gelegenheit wieder seinem Besitzer zuzustecken, der in der Tat der Direktor der Uni war, auch dabei hatte mein Bauchgefühl richtig gelegen. Ich wollte nicht gleich zu Beginn meiner Zeit auf Midgard wegen eines Diebstahls Probleme bekommen.

Mein Blick wanderte zu einer Uhr, die auf dem Gang an der Wand hing. Inzwischen war auch die Zeit gekommen, in der Frau Ricci jederzeit um eine dieser Ecken kommen sollte. Und tatsächlich dauerte es keine Minute, bis ich eine freundliche Frauenstimme hören konnte.

Kurz darauf konnte ich auch die Besitzerin der Stimme ausmachen, die nun zusammen mit ihrer Kollegin auf das Büro zulief.

Frau Ricci trug ein Namensschild, woran ich sie auch gleich erkannt hatte, und war eine klein gewachsene, etwas rundliche Frau mittleren Alters. Ihre fröhliche Art konnte ich schon von weitem sehen und hören.

Sie war ganz offensichtlich eine Person, die viel und gerne lachte, das verrieten mir ihre ausgeprägten Lachfältchen um Mund und Augen. Lange, braune Wellen umrahmten ihr fröhliches Gesicht.

Als sie mich vor ihrer Tür warten sah, zauberte sie sofort ein Lächeln auf ihre Lippen und begrüßte mich überschwänglich: "Na mein Junge, lass mich raten, du hast deinen Schlüssel verlegt, stimmt's?"

Auf meinen überraschten Gesichtsausdruck hin lachte sie und sagte: "Ja, du bist bei weitem nicht der Erste oder Einzige, den ich so verzweifelt wartend vor meiner Tür auffinde... Wahnsinn, was ihr Studenten immer mit euren Schlüsseln macht, aber dafür bin ich ja hier... Na komm, sag mir, wie du heißt."

"Adrian Patten" Diesen Namen hatte ich auf dem Weg durch das Haus auf einer der Türen lesen können.

"Komm rein, ich schau gleich auf der Liste nach." Mit diesen Worten schloss sie die Tür auf und ließ mich eintreten.

Hinter der Tür fand ich ein kleines, aber gemütliches Büro vor. Mehrere Ordner stapelten sich in einem Regal an der Wand und hinter einem Tresen hing ein Brett mit einer großen Anzahl an Schlüsseln. Unter jedem der Schlüssel klebte ein Schild mit der Aufschrift "belegt" oder "frei".  Das kam mir sehr gelegen, denn ich wollte schließlich in keine Wohnung einbrechen, sondern nur ein eigenes kleines Apartment haben.

Den Namen murmelnd, von dem Frau Ricci dachte, es sei meiner, kramte sie einen Ordner heraus und durchsuchte ihn danach. Kopfschüttelnd blickte sie wieder auf, als sie ihn nicht finden konnte.

"Adrian Patten sagst du? Du stehst bestimmt im anderen Ordner. Ich gehe kurz zu meiner Kollegin ihn holen, einen Moment bitte.", erklärte sie mir freundlich und verließ gemächlichen Schrittes das Büro.

Auf eine solche Gelegenheit hatte ich nur gewartet. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Niemals hatte ich gedacht, dass ich so einfach und ohne den Gebrauch von Magie, der immer ein gewisses Risiko mit sich brachte, an einen Zimmerschlüssel kommen würde.

Zwei lange Schritte und ich stand vor dem Schlüsselbrett. Wahllos griff ich einen Schlüssel, unter dem "frei" stand. Keine Sekunde zu früh stand ich wieder an meinem angestammte Platz, als Frau Ricci zurückkam. Unter ihrem Arm befand sich der Ordner, den sie gesucht hatte.

Noch bevor sie ihn aufschlagen konnte, sagte ich: "Ich glaube, ich weiß, wohin ich meinen Schlüssel gelegt habe. Ich schaue dort einfach noch einmal nach."

Kaum hatte ich das von mir gegeben, drehte ich mich um und verließ mit eiligen Schritten ihr Büro. Hinter mir konnte ich Frau Ricci noch rufen hören: "Kein Problem! Wenn du noch etwas brauchst, sag einfach Bescheid, mein Junge."

Sie war einfach eine Person, die man mögen musste. Ihre stets freunliche Art erinnerte mich an meine Mutter und machte es mir unmöglich, sie nicht leiden zu können.

Auf dem Weg zu Wohnung 208 - ab jetzt meine neue Bleibe - summte ich glücklich vor mich hin. Das hatte ich in Asgard niemals getan, doch das neue Gefühl von Freiheit verleitete mich dazu. Ich war nicht sonderlich musikalisch, aber das störte mich momentan nun wirklich nicht.

Bald hatte ich eine richtige eigene Wohnung und war nun bereit dazu mir ein eigenes Leben fernab von Asgard und den urteilenden Asen  aufzubauen. Zuhause hatte ich noch immer im Palast bei meinen Zieheltern gelebt.

Loki Life - Freedom is life's great lie. (Loki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt