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Ich hatte mir meinen Gaumen verbrannt. Ein abgebissenes Stück des dampfenden Pizzabröchtchens auf der Zunge saß ich mit offenem Mund und vorgehaltener Hand da im Versuch das Brennen zu lindern.

"Alter, lässt du noch etwas für alle Anderen übrig?", wies Embry Quil zurecht, der innerhalb der letzten fünf Minuten fast das gesamte Blech alleine verputzt hatte. Unsere Stimme der Vernunft wandte sich mit einen entschuldigenden Blick an uns.
"Ich entschuldige mich in aller Form für ihn. Sein Magen ist wie ein schwarzes Loch."

Ich hätte beinah mein Essen über den Tisch gespuckt. Seth lachte. Es tat unglaublich gut ihn lachen zu hören.

"Ey, deiner doch auch!", pfefferte er zurück.

"Siehst du mich alles verschlingen?"

Schmunzelnd beobachtete ich die Kabbelleien der Beiden. Embry hatte wirklich versucht sich in Mäßigung zu üben, doch aufgrund von Quils unbändigen Appetit, dem er sich vollkommen hingab, war es umsonst gewesen. Vielleicht nicht ganz. Hätte Embry ebenso zugeschlagen hätten wir Menschen nichts abbekommen. Er musste nach wie vor einen gewaltigen Hunger haben.

Eine Tür knallte lautstark zu. Seth sprang auf, doch seine große Schwester machte im Wohnzimmer keinen Halt. Vom Eingangsbereich lief sie die Treppe hinauf. Eine weitere Tür fiel krachend ins Schloss. Sie hatte nichtmal in unsere Richtung geblickt. Mit hängenden Schultern stand der Junge vor dem Sofa. Er schien mit sich zu ringen, ob er ihr in ihr Zimmer folgen sollte.

"Sollte ich- Wäre es eine gute Idee mit ihr zu reden?", fragte er zögerlich.

Quil und Embry sahen sich an.

"Vielleicht solltest du zuerst Adi zu ihr gehen lassen. Ihr seid beide sehr aufgewühlt. Ein ruhiges Frauengespräch täte ihr möglicherweise gut.", schlug Quil mit überraschend sanfter Stimmlage vor.

Sie wussten von meinem Gespräch mit Sam im Krankenhaus. Also wüsste Leah auch davon. Diese Gedankenübertragung machte einen wahnsinnig. Bei genauerem nachdenken wurde mir bewusst, dass mich das gesamte Rundel in und auswendig kannte auch wenn ich nicht viel von ihnen wusste, weil meine Freunde mich manchmal besser kannten als ich mich selbst. Zweifelnd musterte Seth mich, bis er schließlich augenscheinlich mit leichtem Widerwillen zustimmte. Angesichts von Leahs, verständlicherweise schlechten Laune, stand ich mit einem mulmigen Gefühl in Magen auf. Bevor ich die Treppe in die obere Etage nahm blickte ich über meine Schulter zurück zu den Jungs. Sie sahen mir entgegen. Quil machte eine scheuchende Handbewegung. Ich verdrehte angesichts dessen die Augen. Sicherlich wäre er ebenso wenig scharf darauf sich mit einer emotional instabilen Werwölfin zu unterhalten, aber andererseits wollte ich Leah helfen. Leicht würde sie es mir nicht machen.

Zaghaft klopfte ich an die Holztür.

"Nicht jetzt, Seth!", knurrte es von der anderen Seite.

Zunächst unsicher drückte ich die Klinke herunter und spähte durch einen Spalt in das kleine Zimmer. Leah kauerte auf dem Boden, die Knie an ihre Brust gezogen und die Hände gegen ihren Kopf gepresst. Sie hatte der Tür den Rücken zugekehrt.

"Ich sagte nicht jetzt... ", presste sie zwischen den Zähnen hervor.

Sie wiegte sich hin und her.

"Ich bin nicht Seth."

Unglaublich schnell fuhr sie herum. In einer hockenden Position war sie innerhalb von Sekunden ans andere Ende des beengten Raums geflüchtet. Mit der Wand der Fensterseite im Rücken starrte sie mir entgegen. Wütend funkelte sie mich an, doch darunter, in ihrem verzerrten Gesicht und an den noch nicht getrockneten Tränenspuren unter ihren geröteten, verquollenen Augen erkannte ich ihre Verzweifelung. Ich hob die Hände in die Luft, als sei ich hier diejenige, die sie zerfetzen könnte.

Twilight - Bis(s) zur DichotomieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt