Bevor einer von ihnen etwas sagen oder unternehmen konnte, drehte sich Eliza rasch um und rannte zur Balkontür. Mit einer schnellen, brutalen Bewegung riss sie diese auf und trat hinaus in die kühle Abendluft. Mit einem Satz schwang sie sich aufs Geländer. Und sprang.
Einen Moment lang überlegte sie, sich einfach fallen zu lassen. Es wäre so einfach, so befreiend. Doch als der Boden rasend schnell näher rückte, erkannte Eliza, dass sie in ihrem derzeitigen Gefühlszustand nicht solche schwerwiegenden Entscheidungen treffen sollte. Später würde sie sie ganz sicher bereuen. Also spannte sie fünf Meter vor dem ganz sicher tödlichen Aufprall ihre Flügel auf und ließ sich vom Wind nach oben tragen. Irgendwann begann sie, selbst mit den Flügeln zu schlagen und stieg hoch, hoch in den Himmel hinauf. Noch nie zuvor hatte sie so stark das Bedürfnis gehabt, zu weinen. Und so ließ sie all ihren Tränen freien Lauf und weinte heftiger als je zuvor, oben in den Wolken, wo es nie jemand erfahren würde.
Was sie Gavriel an den Kopf geworfen hatte, war unverzeihlich. Und es entsprach nicht einmal annähernd der Wahrheit. Unter normalen Umständen hätte sie nichts lieber gewollt, als mit Gavriel zusammen zu sein, der Liebe ihres Lebens. Aber die Umstände waren nun einmal nicht mehr normal, sie war nicht bereit für eine Beziehung, ganz besonders, was den körperlichen Teil betraf. Sie hatte Gavriel all diese verletzenden Dinge entgegengeschrien, obwohl sie noch nie, nicht eine Sekunde lang, so über ihn gedacht hatte. Gavriel war kein Feigling. Er hatte nichts vermasselt. Er hatte ihr nichts angetan. Sie schämte sich so für alles, was sie eben ausgesprochen hatte. Sie wünschte, es hätte einen anderen Weg gegeben, ihn auf Abstand zu halten, einen, der weniger schmerzvoll war. Doch sie hatte keinen anderen Weg gesehen und tat das auch nach wie vor nicht. Nicht, wenn sie ihm nicht sagen wollte, weswegen sie nicht bereit für eine Beziehung war – und das wollte, konnte, sie definitiv nicht.
So flog sie immer weiter weg von Orynth, in der Hoffnung, Gavriel nie wieder in die Augen sehen zu müssen nach dem, was sie ihm gerade alles gesagt hatte. Ein weiteres Mal brach ihr Herz. Gavriel nie wiedersehen. Sie stieg auf in die Berge westlich von Orynth. Einfach weg von Gavriel.
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Gavriel starrte Eliza hinterher, bis sie nur noch ein kleiner Punkt am Horizont war. Da er aktuell nicht dazu in der Lage war, aufrecht zu stehen, kniete er auf dem Boden und schluchzte. Es war aus. Alles, was er sich erträumt hatte, hatte sich soeben in Luft aufgelöst. Seit Elizas Auferstehung hatte er sich insgeheim immer vorgestellt, fortan ein glückliches Leben mit Eliza zu verbringen. Manchmal, wenn er besonders gut drauf gewesen war, hatte er sich erträumt, Eliza eines Tages zu heiraten und vielleicht sogar nochmal – diesmal bewusst - eine Familie mit ihr zu gründen. Sogar die Farbe ihres Brautkleides und die der Blumengestecke hatte er sich schon ausgemalt. Und jetzt... Alles vorbei. Sein Herz war in Millionen Stücke zerbrochen, als Eliza ihm all diese Dinge gesagt hatte. Er hatte wirklich gedacht, aus ihnen könnte etwas werden, schließlich waren sie sich in den letzten Wochen immer nähergekommen und hatten ein gemeinsames Kind.
Und doch hatte er sich getäuscht. Eliza liebte ihn nicht, und hatte auch kein Interesse daran, es zu tun, das hatte sie ihm unmissverständlich klargemacht. Das tat so weh. So, so weh. Und wie Eliza über ihn dachte... Er hatte eigentlich gedacht, sie hätte ihm seine Taten verziehen. Doch jetzt hatte sie ihm offenbart, dass dem wohl ganz und gar nicht so war. Gavriel wollte irgendetwas tun, um seinem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Er stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus, der die Wände des Schlosses zum Zittern brachte.
Doch wieso? Wieso hatte sie ihn von einer Sekunde auf die andere so hasserfüllt angesehen und ihm diese schrecklichen Dinge an den Kopf geworfen? Wieso, wieso, wieso? Erst noch hatte sie den gleichen verliebten Ausdruck wie er auf dem Gesicht getragen und ihm beinahe einen Kuss erlaubt, und dann... Dann hatte sie ihn angeschrien. Sie hatten sich noch nie gestritten. Noch nie. Irgendwie war das doch alles komisch, oder? Eliza war niemand, der so schnell seine Meinung änderte und auch niemand, der andere Personen verletzte – ob mit Worten oder Taten. Und was hatte Eliza da gesagt von wegen, jede Frau wäre besser als sie und er wäre besser beraten mit einer anderen? Was ließ Eliza das glauben? Seit er sie kannte, hatte sie nie derartige Selbstzweifel gehabt. Die ganze Sache stank doch gewaltig.
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The Lion and his Angel - Throne of Glass Fanfiction
Fanfiction⚠️ Fortsetzung zu "The untold story of Eliza Ashryver, daher Spoiler in Geschichte und Klappentext⚠️ Eliza und Gavriel. Die Prinzessin und der Krieger. Einst lernten sie sich durch einen glücklichen Zufall kennen und verliebten sich unsterblich ine...