Hallo Unbekannter,
ich würde mich tatsächlich sehr freuen, wenn wir uns persönlich kennenlernen könnten. Das Café im Hauptmanngässchen kenne ich zwar nicht, aber es hört sich großartig an. Samstag 15 Uhr passt mir sehr gut. Ich freue mich schon, endlich ein Gesicht zur Stimme zu haben. Du erkennst mich daran, dass ich einen blauen Rock und eine weiße Bluse trage.
Liebe Grüße
Nachdem ich diese Nachricht an seine Nummer geschickt hatte, war es unmöglich gewesen in den Tiefschlaf zu verfallen. Zu groß war meine Nervosität und die Angst vor seiner Reaktion.
Kurz vor Mitternacht folgte seine Antwort.
Perfekt! Ich freue mich auf morgen!
Die Nachricht hatte einen kurzen Nervenzusammenbruch in mir ausgelöst. Warum tat ich mir das an? Das konnte nicht gut enden.
Den gesamten Samstagvormittag verbrachte ich damit, mich hübsch zu machen. Ich glättete meine Haare, schminkte mich und rasierte mich an jeder erdenklichen Körperstelle. Man konnte schließlich nie wissen. Ich legte mein teuersten Parfüm auf und bügelte sogar meine Kleidung.
Immer wieder überlegte ich, ob ich nicht doch einen Rückzieher machen sollte. Hatte ich wirklich den Mut meine Identität zu offenbaren?
Schließlich stand ich doch im Hauptmanngässchen und strich ein letztes Mal meine Bluse glatt. Mein Herz schlug stärker als je zuvor. Ich hatte Angst, aber ich war auch ein bisschen stolz auf mich und meinen Mut. Vielleicht konnten wir uns zumindest nett unterhalten. Die Situation im Fahrstuhl hatte uns meiner Meinung nach auf eine neue Ebene gehoben. Wir waren das erste Mal auf einer privaten, emotionalen Ebene gewesen. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Ein bisschen Hoffnung schlummerte noch immer in mir.
Zwar regnete es heute nicht, doch der Himmel war bedrohlich zugezogen. Der Wind umwehte meine nackten Waden. Vorausschauend hatte ich mir bei diesem Wetter die Haare hochgesteckt. Nur zwei Strähnen hingen locker in mein Gesicht, um es schmaler wirken zu lassen.
Mit langsamen Schritten über das Kopfsteinpflaster näherte ich mich dem Café mit dem Namen "Comino". Es war ein verträumtes kleines Café, an dessen Wänden die Rosen zum Dach hinaufkletterten. Man würde es eher in Frankreich vermuten. Auf den Tischen lagen weiße Tischdecken und Lichterketten schwangen sich von der einer Straßenseite zur anderen.
Ich war fünf Minuten zu früh.
Ich erblickte Herr Wagens im selben Moment wie er mich. Mein Herz sprang mir förmlich aus der Kehle.
Er sah mich einen Moment lang irritiert an.
"Was machen Sie hier?", fragte er und wirkte sichtlich nervös.
Auch er hatte sich hübsch gemacht und die Hilfe des Bügeleisens in Anspruch genommen. Er trug ein schneeweißen Hemd und eine dunkelgrüne Cordhose. Es sah fantastisch aus
"Ähm", murmelte ich unsicher. "Ich bin verabredet."
Erwartungsvoll sah ich ihn an. Doch es schien bei mir nicht Klick zu machen. Dabei trug ich den blauen Rock und die weiße Bluse. So, wie ich es ihm beschrieben hatte.
Er lächelte mir flüchtig zu, sah dann jedoch wieder in alle Richtungen. Ich begriff, dass es für ihn viel zu abwegig war, dass ich sein Date sein könnte. Seine Erwartungen waren offensichtlich deutlich größer. Mein Herz zog sich zusammen, als würde es von einem schwarzen Loch eingesaugt werden.
"Okay, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß. Ich warte tatsächlich auch gerade auf jemanden", informierte er mich und ich konnte die Ungeduld in seiner Stimme hören.
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Letters from a Stranger
Romance*** TÄGLICHE UPDATES*** Lotta erhält kurz vor ihrem 30. Geburtstag endlich den unbefristeten Vertrag, den sie sich schon seit Jahren erhofft hat. Doch anstatt sich freuen, wird ihr bewusst, dass sie die wirklich wichtigen Ziele in ihrem Leben bisher...