Meine Reaktion auf das, was ich auf dem USB-Stick gefunden hatte, war vollkommen sinnlos, kindisch und albern gewesen.Hätte ich einfach mit jemandem darüber gesprochen, hätten die Fragen, die ich mir mehr oder weniger logischerweise stellte, vielleicht einfach beantwortet werden können. Ich hätte nicht wieder in diese verdammten alten Verhaltensmuster zurückfallen müssen und hätte eine Woche länger mein ruhiges Leben führen können.Es hätte ja nicht gleich einer der Holmes-Brüder sein müssen. Ein paar Andeutungen gegenüber John hätten sicherlich auch gereicht, um herauszufinden, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte. Möglicherweise hätte er mir sagen können, dass der Stick so vollkommen wertlos war, ich hätte ihn Mr Holmes aushändigen können, der ja ohnehin über meine Vergangenheit Bescheid zu wissen schien, und hätte nun schon seit Tagen nichts mehr mit der ganzen Sache zu tun gehabt.
Aber nein, ich war mit den Fragen, welche die gefundenen Dateien aufgeworfen hatte, überfordert gewesen und hatte mich daher in etwas geflüchtet, was mir gut bekannt war: den Alkohol, das Feiern und die Gesellschaft fremder Menschen.
Vielleicht war es ja ein Schritt in Richtung Erwachsenwerden, dass ich mir das Ganze wenigstens bewusstmachte.Das ganze Geschehen um diesen USB-Stick herum ergab für mich einfach keinen Sinn mehr: Es waren nur Daten zu meiner Person darauf gespeichert, obwohl selbst Mrs Doyle, die vermutlich die ganze Zeit über am meisten darüber gewusst hatte, mir gesagt hatte, dass der USB-Stick das Leben mehrerer Menschen absicherte.Hatte Mr Doyle also auch sie angelogen oder war an der ganzen Sache etwas anderes dran?Hinzu kamen der Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit Mr Holmes'. Die Regierung ging schließlich nicht mit einem Mal Dingen nach, die schon vor Jahren stattgefunden hatten.Mrs Doyle hatte außerdem behauptet, die Geschichte wäre nie an die Oberfläche gekommen. Mr Doyle hatte es schließlich nur seiner Frau erzählt, Mr Gardener war im Gefängnis gelandet und hätte sich mit den Informationen nur selbst geschadet und Carl, Mr Doyles Komplize, hatte nach Mrs Doyles Erzählungen niemanden gehabt, dem er das Ganze hätte er zählen können.
Immer wieder kam ich zu dem Schluss, dass kürzlich neue Informationen aufgetaucht sein mussten. Alles deutete daraufhin: Das plötzliche Interesse des MI6, Mrs Doyles Angaben und die Tatsache, dass alle drei Beteiligten schon eine Weile lang tot waren.
Da nach Mrs Doyles Erzählung allerdings alle Informationen gelöscht worden waren, musste es sich dabei um eine menschliche Quelle handeln. Ich vertraute hier darauf, dass Mr Doyle, der jahrzehntelang beim MI5 gearbeitet hatte, sich bestens damit auskannte, wie man solche Dinge aus der Welt schaffen konnte. Er hatte es schließlich auch geschafft, mir eine vollkommen neue Vergangenheit zu erschaffen.
Irgendjemand musste also doch davon erfahren haben, ohne dass das Ehepaar Doyle davon erfahren hatte. Oder waren doch irgendwo alte Daten aufgetaucht?Es war zum Haareausraufen!Das Einzige, was mich von der vollständigen Verzweiflung abhielt, war die Tatsache, dass ich vermutlich und hoffentlich die einzige Person war, die von den Daten auf dem Stick wusste. Das verschaffte mir in meinen Augen einen gewissen Vorteil, wobei ich nicht genau wusste, inwiefern er mit überhaupt nützlich sein würde.Andererseits ließ Mr Holmes' Andeutung vom Abend unseres gemeinsamen Abendessens auch vermuten, dass er zumindest wusste, dass die Daten auch mich betrafen. Wusste er jedoch auch, dass die übrigen gelöscht worden waren?Letztendlich hatte ich mit der Sache doch kaum etwas zu tun. Ja, die Daten betrafen ausschließlich meine Person. Aber mit der Spionage selbst hatte ich nichts zu tun. Vermutlich war ich damals noch ein kleines Kind gewesen, was wiederum die Frage aufwarf, weshalb sich die Dateien über mein Leben auf dem Stick befanden.
Seufzend schüttelte ich den Kopf und schloss für einen Augenblick die Augen.
Ich drehte mich im Kreis und mir war klar, dass früher oder später herauskommen würde, was auf dem USB-Stick gespeichert war. Natürlich könnte ich ihn nun, da ich wusste, dass dadurch niemandes Leben gefährdet würde, einfach vernichten. Andererseits erschien mir der Umstand, dass sich das MI6 so sehr für diese Dateien, die gar nicht existierten, interessierte, zu wichtig, als dass ich dieses kleine Ding einfach in der Themse versenken könnte.
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Lügenleben || Mycroft Holmes
FanficJulie ist baff, als ihr offenbart wird, dass das nette ältere Ehepaar Doyle, das sie seit Jahren kennt, in staatliche Intrigen verstrickt ist. Aber viel Zeit bleibt ihr nicht, um diese Information zu verdauen, schließlich will nicht nur ein geheimni...