Hass

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Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Das Sonnenlicht, das durch mein Fenster fällt, blendet mich fast. Ich kann durch die Jalousien sehen, dass es schneit. Eine weisse Weihnacht. Weihnachten! Ich sitze aufrecht in meinem Bett. Es ist Weihnachten! Ich werfe die Decke weg und schnappe mir meinen Bademantel. In Sekundenschnelle bin ich die Treppe hinunter. Mum steht in der Küche, grinst mich an und nippt an einer Tasse Tee.
"Du hast dich angehört wie eine Elefantenherde", sagt sie scherzhaft.
"Frohe Weihnachten Mum." Ich küsse sie auf die Wange.
"Frohe Weihnachten Lily. Dein Vater ist gerade gegangen, um Petunia zu wecken damit wir die Geschenke auspacken können." Bevor sie ihren Satz beendet hat, bin ich zum Baum gerannt und habe die Geschenke herausgeholt.
"Lily langsam!", lacht Mum. Ich kann nicht anders. Ich habe Weihnachten schon immer geliebt. Ich liebe die kühle Luft, die mir Lust auf heisse Schokolade macht. Ich liebe es den Tag im Pyjama mit meiner Familie zu verbringen. Ich liebe es Geschenke zu machen genauso gern, wie ich sie bekomme. Petunia betritt das Zimmer und reibt sich die verschlafenen Augen. Dad folgt ihr mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Fröhliche Weihnachten!", ruft er.
"Frohe Weihnachten Dad! Frohe Weihnachten Tuney!", antworte ich eifrig.
Sie sieht mich an und sagt säuerlich: "Dir auch." Kann sie nicht mal eine Pause machen? Nicht mal an Weihnachten? Ich habe das so satt. Ich habe sie so satt. Ich war immer nur höflich zu ihr nach allem was sie mir angetan hat. Sie nennt mich einen Freak und ich bin trotzdem nett. Sie behandelt mich wie Dreck und ich versuche immer noch eine gute Schwester zu sein. Genug ist genug. Dads Lächeln wird schwächer. "Petunia", seufzt er.
"Schon gut Dad. Petunia kann an Weihnachten eine Schlampe sein, wenn sie will. Sie verdirbt mir nicht den Tag." Ja es war schrecklich das zu sagen und ich weiss das. Aber ich bringe es nicht über mich die Worte zu bereuen. Es ist als würde es in meiner Kehle brodeln, bereit sich zu entladen. Sie braucht eine Kostprobe ihrer eigenen Medizin.
Petunias Augen werden gross und ihr Mund bleibt offen stehen. "Lily Evans!", ruft Mum.
"Ich will nicht, dass sie heute Abend hier ist, wenn Vernons Eltern zum Essen kommen", schreit Petunia.
"Oh weil ich sie unbedingt kennenlernen will", sage ich sarkastisch und stehe auf. "Wenn sie so sind wie ihr Sohn sind sie ungefähr so interessant wie Farbe beim Trocknen zuzusehen!"
"Das ist mehr als der Junge, mit dem du zusammen bist! Ein Haufen Freaks! Ihr alle!" Ihre Nasenflügel blähen sich auf und ihre Augen haben einen harten Ausdruck.
"Du weisst gar nichts über James!"
"Du weisst nichts über Vernon!"
"Mädels, das reicht!", schallt Dads wütende Stimme durch das Wohnzimmer.
"Sag dem Freak er soll gehen! Oder ich werde es tun und ich werde nicht zurückkommen! Ich will sie weder in meiner Nähe noch in der von Vernon oder seinen Eltern haben! Ich hasse sie! Ich hasse sie alle! Geh weg! Geh einfach!", schreit Petunia.
Sie hasst mich? Mir werden die Knie weich und ich spüre wie mein Herz sinkt. Meine Schwester ist beileibe nicht mein Lieblingsmensch, aber ich habe nie gesagt, dass ich sie hasse. Ich hasse sie nicht. Wie sollte ich auch? Sie ist meine Schwester. "Gut!", rufe ich und spüre wie mir die Tränen in die Augen steigen. Ich steige die Treppe hinauf und packe meinen Koffer. Ich werfe Kleidung und das Nötigste hinein und achte nicht einmal darauf was ich eigentlich packe, sondern schnappe mir meinen Mantel und meinen Zauberstab. Ich werfe einen Blick in mein Zimmer, das durch meine Tränen leicht verschwommen ist und drehe mich auf der Stelle.
Ich weiss nicht wo James wohnt, aber ich muss es mir nicht vorstellen, ich muss nur ganz fest daran denken. Während ich mich drehe denke ich immer wieder: 'Bring mich zu James Haus, bring mich zu James Haus, bring mich zu James Haus.'

Ich höre auf mich zu drehen. Mein Magen rollt ein wenig von der Bewegung, aber mir geht es gut. Vor mir steht ein hohes eisernes Tor. Es sieht schick aus mit seinen schwarzen iranischen Stäben, die in der Mitte ein elegantes "P" bilden. In der Ferne kann ich ein hohes weisses Herrenhaus vor einem blauen Himmel erkennen. Das Tor scheint das gesamte Grundstück zu umschliessen das sich über viele Kilometer erstreckt. Ich wusste immer, dass James wohlhabend war aber nicht so wohlhabend. Kein Wunder, dass er immer so arrogant war. Die meisten Menschen wären es, würden sie an diesem Ort aufwachsen. Ich muss meinen Kopf heben, um die Spitze des Tores zu sehen. Wow, okay. Wahrscheinlich haben sie einen Sicherheitszauber für diesen Ort. Wie soll ich denn da reinkommen? James muss wissen, dass ich es bin. "Expecto Patronum!" Ein helles silbernes Reh schiesst aus der Spitze meines Zauberstabs. Es rennt auf das Haus zu als wüsste es was ich von ihm will. Es fliegt direkt durch die Fensterfront. Ich weiss nicht, wie lange es durchhält, aber ich hoffe James sieht es. Oder irgendjemand, denn es ist eiskalt hier draussen.
Peng! Ein ungekämmter, im Pyjama gekleideter James steht vor mir. Seine Brille ist ein wenig schief und er friert ohne seinen Mantel. Aber er sieht glücklich aus. "Lily!", ruft er aus. "Was machst du denn hier?" Er hält inne als er meinen Gesichtsausdruck sieht. Ich wische mir abwesend über das Gesicht und versuche vergeblich die Tränen zu verdrängen. "Was ist passiert?", fragt er besorgt und kommt auf mich zu. Ich schüttele den Kopf. "Das ist eine lange Geschichte. Ich weiss es ist Weihnachten, aber ich wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte. Ich kann ein Zimmer im Tropfenden Kessel bekommen, wenn das besser ist. Es tut mir leid", sage ich mit brüchiger Stimme. Er legt einen Arm um meine Schultern: "Unsinn!" Er küsst mich auf die Wange. "Komm schon! Sirius ist schon da und Pete und Remus kommen später auch noch!"
Er ergreift meine Hand. Ich fühle, wie ich in alle Richtungen gezogen werde, bevor wir in dem schönsten Haus landen, in dem ich je war. Der Boden ist weiss gefliest und die Wände sehen aus wie Marmor. Über uns sehe ich einen Kristalllüster der zart an einer goldenen Kette hängt. Vor uns breitet sich eine grosse Treppe aus, die in die oberen Stockwerke führt.
James nimmt mir den Koffer aus der Hand und sagt: "Disly."
Knack! Eine kleine aber gut gepflegte Hauselfe erscheint vor uns. Es scheint eine weibliche zu sein aber mit dem schmutzigen Kopfkissenbezug, den sie trägt, ist es schwer zu erkennen. Sie macht eine tiefe Verbeugung. "Ja Mister James?"
"Disly würdest du bitte diesen Koffer in eines der Gästezimmer bringen? Das ist Lily Evans. Sie wird für einige Zeit bei uns bleiben." Die Elfe verneigt sich erneut tief. Ihre lange Nase streift den Boden. "Sofort Sir!", quiekt Disly. "Schön, dass Sie da sind Miss Evans!"
"Danke Disly", lächle ich die Elfe an. James ergreift meine Hand und zieht mich durch eine Reihe von grossen Räumen und verwinkelten Gängen. Schliesslich kommen wir in einem grossen Raum an, der mit eleganten Möbeln eingerichtet ist. In der Ecke des Raumes steht ein grosser Weihnachtsbaum, der mit Geschenken überhäuft ist. Ein älter aussehendes Ehepaar sitzt auf einer Couch und trinkt aus Tassen.
"Lilikins! Frohe Weihnachten!" Sirius wirft mich zu Boden.
"Black! Halt! Du zerquetschst mich!" Er rollt über mich hinweg auf den Boden.
"Nennst du mich etwa fett Lilikins?", fragt Sirius beleidigt.
"Natürlich n-nicht! Dein K-Körper ist umwerfend!" Ich schaffe es unter dem Gewicht von ihm auf meiner Lunge zu japsen.
"Tatze du erdrückst sie!" James lacht, während er Sirius von mir herunterzieht.
Ich stehe auf und reibe mir den Oberkörper. "Merlin Sirius! Kannst du nicht einmal ein einfaches 'Hallo' sagen?", verlange ich.
"Hallo!" Er küsst mich auf die Wange und setzt sich auf den Boden.
"Lily das sind meine Eltern", sagt James und deutet auf das Paar. Für einen Sohn in James' Alter sehen sie älter aus aber sie sehen beide nett aus. Seine Mutter hat die haselnussbraunen Augen ihres Sohnes und sein Vater hat sein unbezähmbares rabenschwarzes Haar. Ich trete vor und bin mir plötzlich bewusst, dass ich immer noch meinen Pyjama und meinen Bademantel trage. "Es ist schön Sie kennenzulernen Mr. und Mrs. Potter." Ich strecke meine Hand aus aber die beiden lehnen einen Händedruck ab und umarmen mich.
"Es ist so schön dich endlich kennenzulernen! Wir haben schon so viel von dir gehört!", sagt Mrs. Potter und tätschelt meine Hand.
"Danke. Gute Dinge hoffe ich." Ich werfe James einen scherzhaften Blick über die Schulter zu. "Es tut mir so leid, dass ich an Weihnachten störe. Bei mir zu Hause herrscht das reinste Chaos und ich wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte und-"
"Unsinn!" Mrs. Potter tätschelt mir beruhigend den Arm. "Ich wollte der Disly gerade helfen die Lieblings-Schoko-Pfannkuchen der Jungs zu machen." Sie ergreift die Hand ihres Mannes und führt ihn aus dem Zimmer. James greift nach meiner Hand und zieht mich zur Couch. "Was ist passiert?", fragt er und legt schützend seinen Arm um meine Schultern.
Er und Sirius sitzen schweigend da, während ich von dem Streit zwischen meiner Schwester und mir erzähle. James bleibt still und streichelt mir nur über das Haar. Sirius zieht die Stirn in Falten und schweigt einen Moment lang.
"Ich wette sie hasst dich nicht wirklich", sagt er nach einem langen Schweigen. "Ehrlich gesagt Lily, ist sie wahrscheinlich eifersüchtig. Ich meine hast du nicht gesagt, dass sie an Dumbledore geschrieben hat? Ich stamme aus einer Zaubererfamilie also weiss ich es nicht, aber meinst du nicht, dass es für ein Geschwisterpaar schwer ist mit anzusehen wie die jüngere Schwester all diese aussergewöhnlichen Fähigkeiten hat und in diese wunderbare Welt geht, während man selbst mit nichts zurückbleibt?"
James starrt seinen besten Freund an und scheint schockiert zu sein. Ich mustere Sirius. Man sollte sich nicht von seinem Namen täuschen lassen er ist der letzte ernsthafte Mensch, den ich kenne, aber die kleine Rede, die er gerade gehalten hat, hat etwas Wahres. Seine Augen glänzen vor Verständnis. Manchmal vergesse ich, dass ich nicht die Einzige mit einer gestörten Familie bin und dass meine Familienstreitigkeiten im Vergleich zu denen von Sirius Black wahrscheinlich blass aussehen.

Ephemeral | A Lily & James Story (deutsche Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt