Die Jungen

143 6 0
                                    

Die Zeit so scheint es ist zum Stillstand gekommen. Ich kann James' Hand in meiner spüren. Ich kann sehen wie Marlene sich langsam von der Mitte des Raumes entfernt und auf uns zugeht. Ich kann James' Eltern auf der anderen Seite des Raumes sehen die offensichtlich hin- und hergerissen sind, ob sie bleiben sollen, wo sie sind oder ob sie zu ihrem Sohn kommen sollen. Ich kann all diese Dinge sehen und fühlen, aber alles hört sich an, als ob es am Ende eines sehr langen Tunnels ist. Es scheint als würde ich aus meinem Körper herausschweben und irgendwo weit weg von hier hingehen. Nichts fühlt sich real an. Das kann nicht real sein. Ich schliesse meine Augen fest und versuche aufzuwachen. Das ist doch nur ein schlechter Traum, oder? Es ist wahrscheinlich ein Albtraum von dem ganzen Adrenalin letzte Nacht. Ich bin letzte Nacht vor einem Werwolf geflohen. Davon kriegt man bestimmt Albträume. Es ist nur ein Traum. Wach auf Lily.
Ich öffne die Augen, aber ich habe kein Glück. Ich konzentriere mich darauf meine Atmung zu kontrollieren. Ein und aus. Ein und aus. Alle sind still und warten darauf, dass Voldemort den ersten Schritt macht. Was wird er tun? Wird er töten? Der Gedanke lässt die Angst durch meinen Körper schiessen und mir werden die Knie weich.
Ich werfe einen Blick auf die fünf Leute, die um mich herumstehen – Marlene, Sirius, Peter, Remus und James. Oh James. Du hast gesagt wir hätten alles zu gewinnen, wenn wir uns lieben. Was ist, wenn einer von ihnen heute Nacht stirbt? Was ist, wenn ich heute Nacht sterbe? Ich bin erst siebzehn.
"Warum die langen Gesichter?", fragt Voldemort mit spöttischer Stimme. "Das ist doch eine Party, oder?" Die Todesser gackern als hätte er gerade das Lustigste gesagt, das sie je gehört haben. Niemand in der Menge gibt einen Laut von sich. "Nun", fährt Voldemort fort. Seine Stimme ist jetzt ernst und eisig. "Es ist ganz einfach. Ihr wisst alle wer ich bin. Ich bin hier, um euch zu rekrutieren. I-"
"Keiner von uns wird sich euch anschliessen!", schreit ein Mann aus der Menge. Voldemort sieht ihn mit purer Bosheit an. Ein Blick so böse so unmenschlich, dass ich erschaudere. "Avada Kedavra!" Ein grünes Licht blitzt auf und sein Körper bricht zusammen. Eine Frau neben ihm von der ich glaube, dass sie seine Frau ist, stösst einen Schrei aus. Viele Schreie ertönen aus der Menge und alle weichen zurück.
Das Blut weicht mir aus dem Gesicht und meine Stimme bleibt mir im Hals stecken. Ich habe gerade gesehen, wie jemand ermordet wurde. Tränen brennen in meinen Augen und James' Griff um meine Hand wird fester. Ich schaue zu ihm auf und sehe einen ausdruckslosen Blick. Er will nicht, dass sie sehen, wie sehr ihn das berührt. Ich zwinge mein Gesicht von der entsetzten Miene zu einem leeren Blick.
"Ich mag es nicht, wenn man mich unterbricht! Ich bin hier, um zu rekrutieren!" Voldemorts Stimme schallt kalt und befehlend durch die Halle. "Ich brauche keine alten Leute. Solche die dem Tod so nahe sind." Er sagt Tod als wäre er ein Kind, das ein schmutziges Wort sagt. Er dreht sich zu uns um. Der Blick in seinen roten Augen jagt mir einen Schauer über den Rücken. "Ich will die Jungen", sagt er mit einem bösen Lächeln.
Es bricht das totale Chaos aus. James lässt meine Hand fallen als die Todesser mit erhobenen Zauberstäben auf uns zustürmen. Auf beiden Seiten werden Flüche ausgesprochen. Ich erhebe meinen eigenen Zauberstab und rufe die erste Beschwörungsformel, die mir einfällt. "Stupor!" Ich treffe eine der vermummten Gestalten, von denen ich weiss, dass es sich um Todesser handelt und sehe sie nach hinten fliegen. Überall sehe ich rote Blitze und alle brüllen durcheinander. Es sind zu viele von ihnen. In dem Chaos kann ich niemanden sehen. "Petrificus totalus!" Mein Körper kollabiert gegen meinen Willen und ich kann mich nicht bewegen. So ein Mist. Das Mädchen von vorhin mit den wilden schwarzen Haaren steht lachend über mir und wirft mir einen schwarzen Sack über den Kopf. Ich spüre wie sich mein Atem durch meine momentane Lähmung und Blindheit beschleunigt. Die Tränen kommen aus meinen Augen und ich versuche zu schreien. Kein Ton kommt aus meinem Mund was meinen Panikpegel in die Höhe schnellen lässt. Ein Knacken, ein kurzes Aufblitzen von Schmerz, dann nichts mehr.

Mein Kopf brummt. Das ist das erste was ich bemerke als ich wieder zu mir komme. Das zweite was mir auffällt ist, dass ich sitze, die Hände auf dem Rücken gefesselt und die Beine an die Stuhlbeine gebunden sind.
"Könnte bitte jemand nachsehen, ob Lily atmet?" Es ist James. Seine Stimme kommt als Stöhnen heraus.
"Wie sollen wir das denn machen Kumpel? Wir sind alle gefesselt", antwortet eine Stimme. Sie klingt wie Remus.
"Sie ist nicht tot Krone", fügt Sirius hinzu. "Meine schreckliche Cousine Bellatrix hat sie nur bewusstlos geschlagen." Ich spüre wie sich meine Augen langsam öffnen. Es gibt sechs Stühle in einer Reihe. Ich sitze in der Mitte zwischen Remus und Marlene. Die Wände sehen aus wie in einem Kerker, so düster und feucht ist es. Es ist kalt und die Sicht ist schlecht.
"Das war deine Cousine?", frage ich und versuche zu lächeln.
"Lily!", ruft James am anderen Ende der Reihe.
"Schön, dass du uns Gesellschaft leistest Rotschopf", sagt Sirius nur halb im Scherz. Ich bewege meinen Kopf und nehme den Raum in Augenschein. Marlen sitzt still neben mir und zittert in ihrem dünnen blauen Kleid. Sie hat einen Schnitt an der Lippe und einen hässlichen Bluterguss unter dem Auge. Peter am anderen Ende des Zimmers scheint immer noch ohnmächtig zu sein.
"Lily geht es dir gut?", fragt Remus.
"Ja", antworte ich. "Mir geht es gut. Wo sind wir?"
"Malfoy Manor", sagt Sirius. "Glaube ich. Sie sind mit meinen Eltern befreundet. Sie sind grosse Unterstützer von Voldemort."
"Und wie kommen wir jetzt hier raus?", flüstert Marlene. Niemand antwortet ihr. Wir alle starren die Wand an unfähig uns gegenseitig anzusehen. Ehrlich gesagt die Aussichten sind nicht gut und das wissen wir alle. Voldemort hat uns hierhergebracht um uns zu bitten sich ihm anzuschliessen und wir alle wissen was mit Leuten passiert, die sich ihm verweigern. Unsere einzige Chance ist uns den Weg nach draussen zu erkämpfen.
"Wo sind unsere Zauberstäbe?", frage ich.
"Sie haben sie mitgenommen", sagt James verbittert. Wir werden sterben. Ich merke nicht einmal, dass ich weine, bis ich einen Atemzug mache und der kommt als Keuchen heraus.
"Lily", sagt James sanft. "Es ist okay."
"Wir werden sterben", flüstere ich. "Ich will nicht sterben." Ich habe so viele Dinge, die ich noch nicht getan habe. Ich will nicht sterben. Nicht mit siebzehn. Nicht an diesem Ort.
"Lily", sagt er fest. "Du wirst nicht sterben. Hast du mich verstanden? Du wirst aussergewöhnliche Dinge tun. Du wirst den Rest von uns in den Schatten stellen. Du wirst heiraten und Kinder haben. Superschlaue Kinder die nach dir kommen. Rotschopfkinder. Kleine grünäugige Kinder. Du wirst die Welt zum Greifen nahe haben okay? Ihr werdet hier nicht sterben. Es ist euch nicht erlaubt hier zu sterben. Ihr dürft nicht sterben, bevor ihr nicht mindestens hundert Jahre alt seid."
Ich kann mich nicht beherrschen und die Tränen laufen mir weiter über die Wangen. Ich kann mir all diese Dinge vorstellen. Ich kann sie mir alle mit James vorstellen. Ich kann nicht sterben. Nicht hier. Nicht auf diese Weise. Nicht ermordet von einem Verrückten namens Voldemort. Ernsthaft, was ist das für ein Name? Ich beisse die Zähne zusammen und zwinge mich nicht mehr zu weinen.
Peter macht ein Geräusch. "Pete?", drängt Remus.
"Wurmschwanz bist du okay?", fragt Sirius.
Langsam öffnet er die Augen und nimmt seine Umgebung in Augenschein. Er sträubt sich gegen die Seile, die ihn fesseln. "Peter das nützt nichts", sagt Marlene leise.
Eine Tür öffnet sich gefolgt von dem Geräusch von Schritten. Mein Blut wird zu Eis und ich versuche nicht ängstlich auszusehen. Voldemort kommt langsam und dramatisch herunter, flankiert von Bellatrix und einem Mann mit wallendem blondem Haar. Bellatrix scheint sich zu amüsieren und der blonde Mann macht sich über uns alle lustig.
Ein Grinsen umspielt Voldemorts Lippen als er zu sprechen beginnt. "Was haben wir denn hier? Frischlinge. Das siebte Jahr habe ich recht?"
Wir schweigen alle bis auf das Wimmern von Peter. "Also", sagt Voldemort mit gespielter Missbilligung "das ist nicht sehr höflich. Lucius, Bella vielleicht wären ein paar Manieren angebracht?" Bellatrix richtet ihren Zauberstab aus und lächelt. "Crucio!" Peters Schrei hallt durch den Kerker. Ich schliesse die Augen und knirsche mit den Zähnen. Es geht ihm gut. Er kommt wieder in Ordnung. Er hört auf zu schreien und sackt gegen seine Fesseln. "Crucio!" Sein Körper versteift sich und er schreit wieder. Ich beisse mir auf die Zunge, um nicht zu schreien. Meine Arme stemmen sich gegen die Seile und ich möchte mir am liebsten die Ohren zuhalten.
"Also mal sehen was wir haben?" Voldemort überlegt. Er geht an den Rand der Aufstellung auf James zu. Mein Magen dreht sich unangenehm um als er sich James nähert. Ich möchte meine Hemmungen ablegen und mich zwischen ihn und den dunkelsten Zauberer aller Zeiten stellen.
"James Potter" sinniert er. "Reines Blut, ausgezeichnete Familie, Schulsprecher und ein intelligenter junger Zauberer." Voldemort lächelt. "Lucius?"
"Crucio!" James' Schrei hallt von den Wänden wider und macht es noch unerträglicher ihn zu hören. Meine Tränen fliessen. Ich spüre seine Schreie so tief, dass ich schwöre sie hallen durch meine Knochen. Ich glaube mir wird schlecht. Ich will sie anschreien ihnen sagen, dass sie aufhören sollen, aber Sirius sieht mich mit Schmerz in den Augen an und schüttelt den Kopf.
Voldemort tritt als nächstes vor Sirius. "Sirius Black. Reinblütig, aussergewöhnliche Familie, kluger Kopf aber ein Verräter."
"Crucio!" Sirius' Rücken krümmt sich vor Schmerz. Seine Lippen pressen sich zu einer festen Linie zusammen, während er seine Schreie unterdrückt. Voldemort lacht. "Bellatrix warum versuchst du es nicht?"
"Crucio!" Diesmal verliert Sirius den Kampf um sein Schweigen. Seine Schreie hallen in mir nach und ich spüre seinen Schmerz als wäre es mein eigener.
"Remus Lupin", sinniert Voldemort. "Ein Werwolf hm. Könnte sich als nützlich erweisen. Lucius."
"Crucio!" Remus hat offensichtlich Schmerzen, aber er weigert sich trotzdem zu schreien. Ein Grinsen umspielt Remus' Lippen. "Ich gehe einmal im Monat durch die Hölle, glaubst du wirklich das hier ist so schmerzhaft wie das?" Ich knirsche mit den Zähnen, um mich auf seine Bestrafung vorzubereiten. Ist jetzt wirklich der beste Zeitpunkt, um ein sarkastischer Arsch zu sein? Ich schätze den Sarkasmus aber verdammt Remus. Voldemort starrt ihn an scheint aber Verständnis für seine Haltung zu haben. Oder er hat vor ihn später zu bestrafen. Voldemort bewegt sich, um vor mir zu stehen. Er lächelt auf mich herab und ein Schauer läuft mir über den Rücken. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen wie James sich wehrt. Mach keine Dummheiten James.
"Das Schlammblut", höhnt Voldemort. Ich beisse die Zähne zusammen und weigere mich den Wettstreit der Blicke zu unterbrechen den wir anscheinend austragen. "Lucius."
"Crucio!" Ich weiss, wie es sich anfühlt ich bin darauf vorbereitet, aber das hilft mir nicht im Geringsten. Ich spüre, wie sich mein Mund öffnet und ich weiss, dass ein Schrei aus meiner Lunge entweicht, aber ich höre ihn nicht. Alles worauf sich mein Körper konzentrieren kann, ist der Schmerz. Der Schmerz, dass jede Zelle in meinem Körper in Flammen steht.
Der Schmerz lässt nach und ich öffne meine Augen. Voldemort geht zu Marlene über. Er grinst sie nur an bevor Lucius "Crucio!" schreit. Ihre Schreie sind lauter und schriller als die der Jungen. Ich wende mich von ihr ab und sehe in die schmerzverzerrten Gesichter der Jungen. Die Schreie deiner Freunde zu hören ist die schlimmste Art der Folter. Als er mit Marlenes Schmerz zufrieden zu sein scheint geht er zu Peter über. "Ein Pettigrew", murmelt Voldemort. "Crucio!" Seine Schreie hallen von den Wänden wider. Ich sehe wie die Tränen lautlos über Marlenes Wangen fliessen. Ich höre wie sich einer der Jungen gegen seine Fesseln wehrt. Als er mit der Beurteilung von uns sechs fertig ist tritt er einen Schritt zurück und mustert jeden von uns einzeln. "Wer wird mir jetzt folgen?"

Ephemeral | A Lily & James Story (deutsche Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt