Kapitel 36

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Gellende Schreie unterbrechen die Stille und ziehende Schmerzen in meinem Arm lassen das Adrenalin durch meine Adern strömen, merklich schwindet der Drang zu sterben und ein neuer Lebenswille bildet sich in mir. Das Ritalin sorgt für meine Kraft und die Überwindung der aufkommenden Müdigkeit, das Adrenalin verleiht mir neuen Lebensmut, aber keines der beiden Medikamente verscheucht die dröhnenden Kopfschmerzen und das erdrückende Ziehen in meinem Arm. Die Augen fest geschlossen, fühle ich eine warme Konsistenz meinen rechten Arm entlang rinnen. Schwindel breitet sich in mir aus, aber mit zugedrückten Augenlidern ignoriere ich ihn und konzentriere mich weiterhin auf meinen verletzten Arm.

Sauber spüre ich die metallische Klinge des Messers in meinem Arm, aber der Master macht keine Anstalten es von dort zu entfernen. Die Kopfschmerzen verschlimmern sich, als er das Messer in meinem Arm hin und her schwenkt, und es noch tiefer in mein Fleisch drückt. Höllische Schmerzen verteilen sich von meinem Arm aus in meinem Körper und alarmieren mein Gehirn. Die kalte Klinge erhitzt sich wegen meiner Körperwärme, während mein Arm erfriert, pocht und schmerzt. Meine ganze Konzentration richtet sich auf die Stelle, an der sich das Messer befindet und nun wandern meine Augen nach unten, um das Spektakel zu begutachten.

Rotes Blut fließt über meinen Arm, tropft auf den Boden, hinterlässt eine große Lake und verteilt sich ebenfalls auf dem Sessel und meinen Beinen. Jetzt, wo ich die Verletzung im Blickfeld habe, verschwimmt mein visuelle Wahrnehmung und der brennende Schmerz hinterlässt ein Echo meines panisch klopfenden Herzen in meinem Kopf. Etwa ein Viertel der Klinge steckt in meinem Arm, ein langer, roter Schnitt ziert meine Hand und als der Master mir das Messer entfernt, fließt noch mehr Blut aus der Wunde. Der Schnitt ist so tief, dass man das Fleisch schon erkennen kann, wenn es nicht gerade von Blut überdeckt ist.

Bunte Punkte tanzen vor meinem Auge, Schwindel überfällt mich und mein Magen dreht sich so oft im Kreis, bis sich ein Würgereiz in mir bildet und ich kurz davor bin, mich zu übergeben. Vergebens versuche ich alle negativen Emotionen zu unterdrücken, allerdings werden meine kläglich scheiternden Versuche von erstickendem Husten unterbrochen, und ich spucke eine dickflüssige Flüssigkeit, gemischt mit Speichel, aus. Schemenhaft nehme ich das dunkelrot leuchtende Blut wahr, schließe meine Augen und versuche meine Orientierung durch meinen Hörsinn zu erkennen.

Dumpfes Brummen. Gluckern. Ein weiteres Pieksen in meinem Handgelenk. Zwei kalte Flüssigkeiten strömen in mein Blutkreislauf und ihre Wirkung verstärkt sich so sehr, dass ich meine Augen schmerzerfüllt öffne. Zuerst sehe ich das Szenario nur verschwommen, doch nach öfterem Blinzeln werde ich auf all meine Verletzungen und Wunden aufmerksam. Das tiefe Loch in meinem Arm. Der Schnitt an meinem Handgelenk, den ich mir teils selbst zugefügt hatte, teils von einem Bilderrahmen vergrößert haben lasse. Und die Brandblasen. Meine Haut bruzelt und einige der Bläschen platzen auf, andere vergrößern sich und die restlichen gehen ein und hinterlassen eine dünne, orange-rot-schwarze, verkohlte Schicht Haut auf meinem Bauch. Unerträglicher Schmerz.

Statt wegzuschauen, provoziere ich mich selber und schaue weiterhin auf meine Wunden. Röchelndes Husten unterbricht das Gluckern und Brummen des an mir geschlossenen Gerätes. Blut tropft auf meine Beine, rinnt an ihnen hinab und erzeugt eine kleine Blutlache unter dem Sessel. Hustend krümmt sich mein Körper und mehr rote Flüssigkeit verlässt meinen Hals. Warum? Warum wurde genau ich auserwählt?

Ich, die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt