Kapitel 5

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Ich bin tot. Gehöre jetzt zu den Wesen, die alles mitbekommen, aber nichts beeinflussen können. Noch nie habe ich daran geglaubt, dass es neben der Welt des Menschens andere Wesen auf einer anderen Ebene gibt. Zwar denke ich, dass Werwölfe oder Vampire immer noch nicht existieren, aber die Seelen verstorbener Menschen, die schweben in unserem Universum herum. Oder das war doch nur ein Traum. So wie der Traum, als ich in der U-Bahn von einem Wolf zerstückelt worden bin. Hoffnung macht sich in mir breit, aber ich bezweifle meine Existenz auf der menschlichen Welt. Menschliche und spirituelle Welt. So nenne ich jetzt die beiden verschiedenen Welten oder Ebenen, in denen ich mich befinde oder befunden habe.

Ein weiteres Mal schaue ich mich um, aber er scheint schon weg zu sein. Er ist mein Mörder und niemand wird es je erfahren, weil ich tot bin. Wieder greife ich nach dem Handy, das neben meinem toten Ich liegt, aber schon wieder fällt es mir aus der Hand, nachdem es sich für einige Sekunden tatsächlich in meiner Hand befunden hat. Da ich nicht weiß, was ich jetzt tun könnte, setze ich mich neben meine Leiche und starre besessen das Handy an. Gefesselt von dem Mobiltelefon vergesse ich alles um mich herum. Nach einer geraumen Zeit, beginnt das Handy auf den Boden herumzurutschen und schwebt etwa eine Hand breit über den Boden.

Nachdem ich mich nicht mehr darauf konzentriere, fällst es geräuschvoll auf den staubigen Turnsaalboden. Verwirrt stecke ich meine ganze Konzentration in das Anstarren von diesem komischen Ding. Das Handy bewegt sich zwar wieder, aber nicht so intensiv wie vorher. Es gelingt mir, durch tiefe Konzentration Gegenstände zu bewegen, ob ich sie auch bedienen oder in der Hand halten kann? Zögerlich führe ich meine Hand in Richtung Handy, an die Leiche neben mir habe ich mich schon gewöhnt. Ich versuche es zu berühren, doch ich greife hindurch. Nach etlichen Versuchen kann ich das Handy berühren.

Es hat mir sehr viel Konzentration und Geduld gekostet, aber nach weiteren Minuten entsperre ich das Handy und gehe auf das Tastenfeld. Mit meinem Mittelfinger drücke ich die erste Nummer - Keine Reaktion. Aus Frust starre ich die Nummer bedrohlich an und warte. Nach etwa einer halben Minute sehe ich die Zahl im Feld. Die Zweite und Dritte fallen mir leicht, da ich sie nur intensiv anstarren muss.

Eine Frauenstimme dringt aus den Lautsprechern und fragt etwas. Ich bringe meine Konzentration auf die Leiche, die immernoch tot neben mir liegt. Nach wenigen ungeduldigen Sekunden hebt sich meine tote Hand und nachdem ich in die entgegengesetzte Richtung schaue, fällt sie laut auf den Boden. Mehr kann ich leider nicht machen. Ich habe den Notruf angerufen, ein Zeichen dagelassen und kann jetzt nur darauf hoffen, dass jemand jemanden herschickt, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist.

Um meine Situation zu schildern, starre ich diesmal auf das Bein meines toten Ichs. Die Frauenstimme fragt wieder etwas und das tote Bein hebt sich. Ich schließe die Augen und höre das dumpfe Aufprallen meines toten Ichs Fußes. Würde ich da liegen, hätte das etwas weh getan. Nicht nur etwas, sondern ziemlich. Es hätte ziemlich weh getan. Um in der Wartezeit vor Produktivität zu leuchten, übe ich meine Konzentration an meinem Handy und meiner Leiche.

Ich, die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt