Kapitel 42

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Wutentbrannt sehe ich seine Gestalt auf mich zukommen. Der Glanz in seinen Augen zeigt Belustigung und ein Lächeln ziert seine Lippen. Mein Plan muss aufgehen. Tut er es nicht, sind das Mädchen und ich tot. Was passiert, nachdem man in der Master-Ebene stirbt? Es gibt so viele verschiedene Ebenen, da kann es doch nicht einfach aus sein. Vielleicht ein Leben nach dem Tod? Oder ist der ganze Horror hier wirklich nur ein Traum? In meinem Herzen schlägt Hoffnung, diese Hoffnung hindert mein Herz mit dem Schlagen aufzuhören.

Ich atme kühle Luft ein und heiße Luft aus. Meine Augen tränen immer noch so fürchterlich, dass sie meine Sicht verschwimmen lassen und nur noch die verschiedenen Silhouetten zu erkennen sind. Lautes Pochen meines Herzen dringt in mein Gehirn und ergreift Besitz von ihm. Der schon vorher begonnende Tinitus in meinen Ohren wird lauter und mischt sich unter die Herzschläge, die mir mittlerweile bis zum Hals schlagen und Kälte vermitteln. Jede einzelne Faser meines Körpers fühlt sich lebendig an, Adrenalin schießt in Windeseile durch meine Adern, Dürre schmückt meinen Mund und lässt mich nur noch trocken schlucken.

Die mir entgegen wehende Luft streicht meine Haare aus dem Gesicht, zwingt jedes Härchen ihr zu folgen und verleiht mir eine erleichternde Erfrischung. Sekunden verstreichen wie Stunden und alles geschieht in Zeitlupe. Insgesamt wäre das ganze hier ein echt schöner Moment, wären da nicht die Leichen, die Absichten des Masters und natürlich die von mir verachtete Realität. Tief einatmen. Tief ausatmen. Gegenüber beobachten. Die Tränen wegblinzeln und alles wie in Zeitlupe geschehen lassen. Im Nachhinein werde ich mich an einen Zeitraffer erinnern können, eine Stunde vergeht wie eine Minute und die Auslöser der verschiedenen Situationen sind im Affekt begangen. Dabei ist es im Moment genau das Gegenteil.

Jeder einzelne Atemzug ist geplant, überdacht und schlussendlich ausgeführt worden. Jede einzelne Bewegung seiner und meinerseits. Jede Tat, jede gottverdammte Aktion. Jedes Gefühl, wann, wo und wie stark es auftreten soll. Jeder Gedanke, wie oder ob ich alles verbessern kann. Jeder Zweifel an mich und meine Überlegungen, meine Versuche, dieses Mädchen oder mich zu retten. Jeder Schritt, in dem ich ihm näher komme. Jedes Blutkörperchen, dass Sauerstoff oder Adrenalin durch meine Adern pumpt. Jedes doch so klein scheinende Zittern, jedes nervöse Klopfen meines Fingers auf die Handinnenfläche und jedes Blinzeln, das mir dabei hilft, meine Sicht klar und sauber zu halten. Alles geplant. Nichts geschieht zufällig.

Weder mein Tod, noch der Tod dieses Mädchen waren zufällig. Ich wurde auserwählt, hier zu sein und gegen den Master zu kämpfen. Auch dieses Mädchen wurde gezielt ausgesucht, um ihren Platz in dieser Ebene zu finden. Sie verweilt hier, sucht verzweifelt nach Auswegen oder Lösungen und gibt sich Mühe, ihre wachsende Angst und die sie fressende Einsamkeit zu unterdrücken, dennoch hat sie keine Chance alleine gegen den Master anzutreten und ihn zu besiegen. Aber nicht, weil sie es nicht versucht, sondern weil alles geplant ist. Es war geplant, dass man sie foltert. Sie ist hier, weil es eine dominante Person wollte. Eine, die alles steuert und dafür sorgt, dass es keine Zufälle gibt. In dem Fall ist es der Master.

Schnell verwerfe ich diese Gedanken. Die negativen Gedanken, die mich nicht positiv überraschen können. Alles hat einen Ausweg. Ich bin nicht zufällig hier. Und der Master ist ebenso nicht zufällig hier. Er existiert, damit man erkennt, was falsch gemacht wurde, um ihn auszulöschen. Und dafür bin ich zuständig. Mein Blick richtet sich auf die klare Silhouette des Masters. Mit gefletschten Zähne, zu Fäusten geballten Händen und angespannten Muskeln nehme ich jede seiner Bewegungen wahr, als ich mich für den Angriff fertig mache. Ein Sprung, und er ist es, der überrascht sein muss von meiner Willenskraft.

Ich, die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt