-18- "Ich bin doch auch bemitleidenswert, oder?"

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Fabi POV

"Okay, ich mach mich auf den Weg", hatte er geschrieben. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin mal gespannt wie unser Treffen so laufen wird. Und wer weiß, vielleicht passiert ja mehr als nur zocken oder was weiß ich  zwischen uns beiden. Witzig wäre es auf jeden Fall. Und ich glaube, dass das eine viel schönere Rache an meinem Bruder wäre, als physische Gewalt. Ja, okay es wäre scheiße Finn nur aus Rache an meinem Bruder zu verführen, aber ich mache das ja nicht nur aus Rache, sondern weil ich ihn wirklich ganz hübsch finde. Auf gut deutsch: Er ist geil und ich würde ihn echt gern knacken. Und auf das Gesicht von meinem Bruder würde ich mich freuen, wenn er erfährt, dass ich mit seinem Schwarm geschlafen habe. Naja, mal schauen, wie es sich so entwickelt...

Finn POV

Ich stehe vor der Haustür von Alex' und Fabis zu Hause und mir ist ehrlich gesagt etwas mulmig zumute. Was ist, wenn ich klingele und Alex mir aufmacht? Wie blöd muss er sich fühlen, wenn ich dann zu seinem Bruder gehe? Ich meine, ich bin kein Arschloch und ich spiele nicht mit den Gefühlen von Anderen. Alex hat sein Inneres ja förmlich nackt auf den Tisch geleget und ich habe die Verantwortung, damit nicht zu spielen und ihn trotzdem gut zu behaneln. Gerade, als ich klingeln will, höhre ich hinter der Tür ein Lachen und Fabi macht die Tür auf.

"Na, wen haben wir denn da?", fragt er mich schmunzelnd.

"Äh ja...ich...ähhhh", stammele ich und kratze mich am Kopf. Herzlichen Glückwunsch Finn, das wirkt bestimmt ziemlich cool.

"Du wirst doch nicht etwa rot?! Nein, ist das süß!!!", quiekt er und ich habe das Gefühl, dass ich noch röter werde als ich ohnehin schon bin. Dann hört er auf zu Lachen und schaut mir in die Augen. Einfach nur in die Augen, ohne Ausdruck, ohne Irgendetwas. Ich weiß nicht, aber kennst du das auch, wenn dich jemand bewusst anschaut und keine Anstalten macht wegzugucken, obwohl es dir irgendwie unangenehm ist? Ja? Denn so fühle ich mich gerade. Irgendwann kann ich seinem Blick nicht mehr standhalten und schaue verlegen zur Seite. Fabi lacht leise und und auf einmal dreht etwas mein Kinn wieder nach oben. Es sind die Finger von Fabi und auf einmal ist sein Gesicht ziemlich nah. Er schaut mich wieder mit dem selben undefinierbaren Blick an, wie gerade eben und kommt mir noch ein Stückchen näher. Mein Herz beginnt auf einmal zu ziemlich heftig zu schlagen als er fast meine Lippen berührt und ich seinen Atem auf ihnen spüren kann, aber dann schaltet sich tief in mir so eine Art Notüberleben-Modus ein und ich nehme seine Hand, die immernoch an meinem Kinn ist mit meiner Hand weg und drehe den Kopf zur Seite. Fabi schnaubt und sein "Dann lass uns mal reingehen" klingt wenig herzlich. Und bei allem angebrachten Misstrauen gegenüber Alex' Version, dass Fabi mich nur ins Bett bekommen will, habe ich das dumpfe Gefühl, dass er Recht hat. Ich meine: Hallo?! Wer geht gleich so ran?! Wobei, kann sein, dass das einfach seine Art ist, etwas direkter zu sein... STOP! Jetzt nimm ihn doch nicht in Schutz! Im Grunde kennst du ihn gar nicht!

"Huhu? Lebst du noch?"

Erst jetzt bemerke ich, dass ich wie ein Idiot im Eingangsbereich stehe und immer noch Jacke und Schuhe anhabe, während Fabi nur in T-Shirt und Shorts vor mir steht. Und wie ich ihn so anschaue fallen mir zwei Dinge auf: 1. Das T-Shirt ist SEHR eng geschnitten und man kann seinen augenschinlich recht muskulösen Oberkörper darunter erkennen und 2. Ich starre gerade einen Jungen an!!! Wissend und belustigt grinst der Idiot mich an und haut dann raus:

"Mach doch nen Foto, hält länger als ne Phantasie."

Ich bin im ersten Moment ziemlich verblüfft, was sich dieser Arsch erdreistet, so etwas zu mir zu sagen. Ja, okay, ich habe ihn anscheinend schon recht offensichtlich angestarrt, aber das gibt ihm doch noch nicht das recht, mich so damit zu konfrontieren! Und außerdem bin ich nochnichtmal schwul! Wirklich! Glaub ich...

Alex POV

Schnaubend sitze ich auf der Bank im Park und schaue den Enten dabei zu, wie sie sinnlos durch das Wasser schwimmen oder faul auf dem Land herumliegen. Neben ihnen sitzen kleine Kinder und werfen immer wieder so etwas wie Brotstückchen den Enten hin, aber diese überfütterten Viecher interessiert es nicht. Oh man, ich wär gern nochmal so klein wie die Beiden und hätte deren Sorgen! Essen, Schlafen, Quängeln, nicht unbedingt in der Reihenfolge, aber im Grunde ist das alles was sie machen. Ich dagegen bin erstens schwul was schon schlimm genug ist und um das Ganze noch ein wenig aufzupeppen bin ich auch noch in einen Jungen verliebt, der nicht weiß, dass er schwul ist und weil das Leben eine verdammt schlecht gedrehte ARD-Dokusoap ist, will mein Bruder, der ihn nur als Trophäe sieht, ihn mir ausspannen.

"Man scheiße!", gebe ich verzweifelt von mir und vergrabe meinen Kopf in meinen Armen, weil ich auf einmal anfangen muss zu flennen. Und das aber richtig! Man, was habe ich eigentlich falsch gemacht, dass ich über all diese Dinge nachdenken muss und keine Lösung für Nichts finde? Und mein Bruder die Sau lebt ein entspanntes Leben als Aufreißer! Ich will und kann auch gar nicht bestreiten, dass ich mega neidisch auf ihn bin. Ich meine Ganz ehrlich: Auch ich bin nur ein Junge, auch ich habe... ich nenne es mal Wünsche und Begehren und auch ich möchte Erfahrungen sammeln, was das Sexuelle angeht. Das ist ganz natürlich, aber vor allem sehne ich mich nach einem Freund. Undzwar einem Freund der gleichzeitig mein bester Freund sein kann, aber gleichzeitig auch ein toller Liebhaber ist. Momentan habe ich allerdings weder das Eine noch das Andere, sodass ich forever alone auf einer Parkbank sitze und mir selbst sehr Leid tue. Aber ich bin doch auch bemitleidenswert oder?

Irgendwann ist auch das Enten beobachten mir zu blöd geworden, sodass ich aufstehe und umher laufe. ich beschließe mal wieder auf mein Handy zu schauen und was sehe ich? Tausende Anrufe in Abwesenheit? Milliarden Nachrichten, die fragen wo ich bin und ob alles okay ist? Nein, ich sehe gar nichts! Null-komma-nichts! Zero! Das Einzige, was ich sehe ist die Elbphilharmonie, die ich bei einem Besuch in Hamburg fotografiert habe und die Uhrzeit: 18:47. Es wird langsam dunkel und da fällt mir ein, dass ich mal wieder meinem alten Lieblingsort im Park am Gleisdreieck einen Besuch abstatten könnte. Egal was war, ich bin immer dorthin gegangen und habe mich oft schnell besser gefühlt. Es gibt dort nämlich im Westpark abseits der Wege eine kleine Baumgruppe, in die sich nie einer verirrt, aber aus der heraus man super die Leute im Park beobachten kann, und da dieser Park mitten in der Stadt liegt, ist dort entsprechend auch immer viel Publikum, was es zu beobachten gibt. Und was noch besser ist: Das ist auch ein beliebter Park für Schwule, und so mache ich mich auf den Weg zu meinem leicht masochistisch angehauchten Besuch im Park am Gleisdreieck um mir glückliche, schwule Pärchen anzuschauen und mir selbst Leid zu tun, dass ich weder in einem Pärchenstatus, noch glücklich bin. Na dann: Auf geht's

So oder andersrum (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt